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Finanzwirtschaft
Niedrigzinsen verunsichern Sparer

Die EU-Finanzminister haben sich auf verschärfte Kapitalvorschriften für die Versicherungsbranche geeinigt. Versicherer sollen ab 2016 ihre Geschäfte am Risiko ausrichten und die Kunden besser schützen. Finanzminister Schäuble sieht aber bereits jetzt auf nationaler Ebene Handlungsbedarf.

Michael Castritius | 21.11.2013
    Wenn die Versicherungswirtschaft klagt, dann auf hohem Niveau. Die immerhin 460 Millionen Versicherungsverträge in Deutschland spülen jährlich 170 Milliarden Euro an Prämien in die Kassen. Und selbst die gebeutelten Lebensversicherungen verzeichnen im ablaufenden Jahr noch Erfolge: Circa sechs Millionen neue Verträge, noch sind sie die Altersvorsorge Nr. 1. Aber die extrem niedrigen Zinsen schaden, räumt Alexander Erdland ein, der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft:
    "Die niedrigen Zinsen haben Auswirkungen auf die ganze Finanzwirtschaft, auf alle Sparer. Die Lebensversicherer haben ja immerhin noch Puffer, um Zinstäler auszugleichen. Zum Beispiel die Zinszusatzreserve bauen wir Jahr für Jahr weiter auf. Das Ganze ist so kalkuliert, dass wir unsere Kunden auch in einer Niedrigzinsphase gut über die Zeit bringen können, dass jeder sich sicher sein kann: Das System hält."
    Der Bundesfinanzminister wurde da deutlicher. Wolfgang Schäuble legte den Finger in die aufgehende Wunde: Die Kunden seien verunsichert. Und Verunsicherungen passen nun mal gar nicht zu Versicherungen.
    "Die Kunden merken natürlich, dass sich die niedrigen Zinsen auf die Rendite auswirken und sie werden deshalb unsicher, ob sie neue Verträge überhaupt abschließen sollen und ist eine Entwicklung, die wir uns angesichts unserer demografischen Entwicklung in der Altersvorsorge überhaupt nicht leisten können. Deswegen will ich ihnen versichern, dass auch die künftige Bundesregierung auf europäischer Ebene an Rahmenbedingungen mitarbeiten wird, die den Versicherern die Erfüllung ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgaben weiterhin ermöglichen wird."
    Vor einer Woche hatte sich die EU auf verschärfte Kapitalvorschriften für die Versicherungsbranche geeinigt. Das Regelwerk namens "Solvency II" soll die Versicherer zwingen, ihre Geschäfte am Risiko auszurichten und die Kunden besser zu schützen. Es soll aber erst 2016 in Kraft treten. Zuvor sieht Finanzminister Schäuble Handlungsbedarf auf nationaler Ebene:
    "Wir müssen künftig die Verteilung der Überschüsse zwischen den verschiedenen Versichertengruppen in einer fairen Weise zustande bringen. Es ist wichtig, Gerechtigkeit zwischen den Versicherern sicherzustellen. Da müssen wir schon darauf achten, dass nicht Wenige zulasten Vieler profitieren. Wir brauchen auch hier eine nachhaltige Lösung."
    Generationengerechtigkeit mahnt da der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft an. Derzeit, so Präsident Erdland, sei die junge Generation beim Aufbau ihrer Altersversorgung deutlich benachteiligt, deshalb fordert er von der künftigen Bundesregierung, das drei-säulige Alters-Vorsorge-System finanziell zu unterstützen.
    "Indem zum Beispiel die Zulage für die Riester Förderung aufgestockt wird, indem zum Beispiel auch die Kunden noch mehr gefördert für Riester sparen können. Die jetzige Regelung liegt ja schon eine Weile zurück, seitdem hatten wir Inflation. Also das etwas aufzustocken und angemessen zu gestalten, das wäre ein Vorschlag."
    Im Moment registriert der Verband bei den Koalitionsverhandlungen ein gefährliches "Rentenwunschkonzert". Es drohten weitere Ungerechtigkeiten, da man sich auf Wohltaten für die ältere Generation konzentriere, die allein von den Jüngeren zu stemmen seien.