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"Find The Sun“ von Deradoorian
Selbsterkenntnis und Befreiung

Die Musikerin Angel Deradoorian war Mitglied bei den Dirty Projectors. Seit 2011 macht sie solo Musik, die vor allem von ihrer Lieblingsband Can und indischer Astrologie beeinflusst ist. Das trifft auch auf ihr zweites Studioalbum “Find the sun” zu.

Von Anke Behlert |
    Eine junge Frau mit nackten Schultern und langen schwarzen Haaren seitlich im Profil vor orangem Hintergrund. Sie blickt auf ihre Finger.
    Sucht in ihren Songs nach sich selbst: Sängerin Angel Deradoorian. (Sean Stout)
    Musik: "Corsican Shores"
    "Gnothi seauton", "Erkenne dich selbst!", ist eine vielzitierte Inschrift am Apollotempel von Delphi. Der Satz könnte auch als Leitmotiv für die Musik von Deradoorian gelten. Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung, die Einsicht, dass wir viel mehr können, als wir uns oftmals zutrauen - damit setzt sich die 34-Jährige Angel Deradoorian auf ihrem zweiten Album "Find the sun" auseinander.
    "Es geht um die menschliche Natur und darum, sich selbst wiederzufinden in dieser Zeit des Informationsüberflusses und des Marketings. Das alles überschattet unser Selbstwertgefühl, das eigentlich nichts damit zu tun haben sollte, wie die Gesellschaft uns sieht. Das ist mir sehr wichtig, als Künstlerin, als Mensch und darum geht es auf dem Album."
    Musik: "Corsican Shores"
    Angel Deradoorian wächst in Kalifornien in einem Künstlerhaushalt auf. Als Kind lernt sie Klavier und Geige spielen, mit 15 verlässt sie die Schule, widmet sich der Musik.
    "Wir haben schon als Kinder Musik gemacht, meine Schwester und ich. Kreativität wurde gefördert, Schulnoten waren nicht so wichtig. Ich war trotzdem eine gute Schülerin, aber mit 15 hatte ich das Gefühl, dass mich die Schule nur noch dümmer macht. Ich habe viele Kurse in Kunst, Geschichte usw. am Community College belegt und bin bald auch auf Tour gegangen. Für meine Eltern war das ok, ich war sehr selbständig und wusste, was ich wollte. Und es hat ja funktioniert."
    Musik: "Red Den"
    Ein weiter Bogen
    Mit 20 zieht Deradoorian nach New York und wird schnell Teil der hippen Brooklyner Szene, seit 2007 spielt sie bei den Dirty Projectors Bass. 2009 erscheint ihre erste Solo-EP "Mind Raft", außerdem singt sie auf den Alben so unterschiedlicher Künstler wie Flying Lotus, Brandon Flowers oder U2. Ihr neues Album "Find the sun" ist das erste beim kalifornischen Label Anti-Records und auch das erste, das sie in einem richtigen Studio aufgenommen hat.
    Musik: "Saturnine night"
    Motorische Krautrock-Beats, bluesige Riffs, psychedelischer Folk mit Akustikgitarre und jazzige Improvisationen für Flöte und Spoken Word – das Album spannt musikalisch einen weiten Bogen.
    "Ich wollte nicht zu vorbereitet ins Studio gehen, ich hatte nur einige Grundstrukturen und Ideen. Die Musiker auf dem Album können alle super improvisieren. Mit ihnen im Studio die Songs entstehen zu lassen, eine Verbindung herzustellen und zu jammen war eine tolle Erfahrung. Das Stück "The illuminator" zum Beispiel ist aus einer Jamsession entstanden und es ist mein Lieblingsstück auf der Platte."
    Musik: "The Illuminator"
    Die repetitiven Beats und mal schroffen, mal sphärischen Gitarren- und Synthiesounds auf "Find the sun" verbreiten eine hypnotische Atmosphäre. Deradoorians zerfließender Gesang wirkt manchmal wie eine angeleitete Meditation, wie im letzen Song "Sun". Dort taucht auch das Wort "Vimoksha" auf, es kommt aus der alt-indischen Sprache Sanskrit und bedeutet Befreiung.
    "Das ist eine Lehre aus den vedischen Schriften, einer Sammlung von hinduistischen Texten. Wir kommen aus dem Chaos und erhalten durch die Geburt eine Form, die aber auch eine Beschränkung unserer Existenz ist. "Moksha" bedeutet Befreiung von dieser Beschränkung. Es ist aber ein Paradox: wenn man sich befreit, lässt man auch die Realität hinter sich. Wie findet man also eine Balance? Ich mag es, wenn Texte so einen Mantra-Charakter haben und sich der Song ausbreiten kann."
    Musik: "Sun"
    Menschen sind facettenreich
    Das Interesse an Spiritualität zieht sich durch ihr gesamtes Schaffen, schon ihr Debütalbum "The Expanding Flower Planet" von 2015 war in ihren eigenen Worten eine Metapher für unser sich ausdehnendes Bewusstsein. Das reflektiert sie auch ein ums andere mal auf unterschiedlichste Art in ihren Texten.
    "Menschen sind so facettenreich, vielleicht erleben wir unsere Emotionen und Begierden auf eine Art, die sich nicht ganz wie wir selbst anfühlt. Aber das sind alles nur unterschiedliche Seiten von uns. In "Monk's Robe" zum Beispiel geht es um eines der Leben, die ich vielleicht gerne gelebt hätte, das aber vermutlich nie tun werde. Davon abgesehen geht es in den Songtexten eigentlich immer um meine Erfahrungen der vergangenen Jahre."
    Musik: "Monk's robe"
    Der Ton des Albums ist dunkel, es gibt einige Lichtpunkte, aber leichte Kost zum Nebenbeihören ist "Find the sun" eher nicht. Deradoorians sehr persönliche, introspektive Songs sind voller spiritueller Referenzen und Reflektionen. Ob man diese versteht bzw. nachvollziehen kann, ist gar nicht so wichtig, denn letztlich geht es um grundsätzliche Fragen, mit denen sich schon die alten Griechen auseinandergesetzt haben. Ihre ermunternde Antwort: Erkenne dich selbst!