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Finnland und Estland
Pläne für Supertunnel "Talsinki" unter der Ostsee

Bis zu 13 Milliarden Euro soll er kosten und etwa 80 Kilometer lang werden: Ein Bahntunnel unter der Ostsee zwischen der finnischen Hauptstadt Helsinki und der estnischen Hauptstadt Tallinn. Schließlich haben die Fähren zwischen beiden Städten jährlich mehr als acht Millionen Passagiere. Doch noch stehen dem Projekt einige Unwägbarkeiten entgegen.

Von Carsten Schmiester | 08.01.2016
    Die Überfahrt auf der Ostsee mit der Auto- und Passagierfähre Tallink von der finnischen Hauptstadt Helsinki in die estnische Hauptstadt Tallinn
    Die Ostsee zwischen der finnischen Hauptstadt Helsinki und der estnischen Hauptstadt Tallinn (picture alliance / dpa / Mika Schmidt)
    Dreizehn Milliarden Euro könnte der etwa 80 Kilometer lange Bahntunnel unter der Ostsee kosten, vielleicht weniger, höchstwahrscheinlich aber mehr. Eröffnung frühestens 2030, wenn all die vielen Wenns wegfallen: Wenn die Europäische Union das Projekt mit vielen Milliarden unterstützt, man hofft auf bis zu 40 Prozent. Wenn die Ingenieure sagen, dass der Tunnel, der deutlich länger würde als der unterm englischen Kanal, wenn diese Riesenröhre also überhaupt mit vernünftigem Aufwand machbar ist.
    Auf die Spurweite hat man sich schon geeinigt
    Erst ein Wenn ist gestrichen: Die Frage nach dem Willen der beteiligten Parteien. Tallinn und Helsinki haben jetzt eine gemeinsame und detaillierte Machbarkeitsstudie vereinbart. Sie soll in zwei Jahren vorliegen. Dann könnte der Traum vom "Projekt Talsinki" wirklich konkret werden. Pekka Sauri träumt ihn schon lange, er ist Vizebürgermeister der finnischen Hauptstadt: "Dieser Tunnel wäre sehr gut, um Finnland mit Zentraleuropa zu verbinden. Jetzt wo Schweden und Dänemark eine Schnellzugverbindung nach Deutschland bauen, brauchen wir auch eine Schnellzugverbindung auf der Ostseite der Ostsee."
    Im Idealfall würde der Tunnel das nördliche Ende des "Rail Baltica"-Projektes bilden, der geplanten, aber nur sehr langsam vorankommenden Schnellzugverbindung vom Baltikum über Polen nach Zentraleuropa. Immerhin, man hat sich auf die Spurweite geeinigt: Nicht die russische Breit-, sondern die westliche Normalspur. Ein Meter 43,5 statt ein Meter 52. Auch im Tunnel, denn nur dann gibt es das Geld aus Brüssel. Vielleicht! Hoffentlich? Die Menschen in der Region sind auf jeden Fall dafür.
    Tunnel vor allem für Pendler
    Schon heute haben die Fähren zwischen beiden Städten jährlich mehr als acht Millionen Passagiere, etwa 60.000 Esten arbeiten und leben oft unter der Woche in Finnland und kommen nur am Wochenende nach Hause. Für sie wäre der Tunnel ein Segen, meint die Architektin Yoko Alender aus Tallinn: "Ja, ich würde ganz sicher für den Tunnel stimmen, liebend gerne würde ich das tun. Ursprünglich hatten ja die Finnen das größere Interesse und die Vorteile klarer gesehen. Aber inzwischen sind auch wir in Estland bereit, ernsthaft darüber zu reden."
    Denn das Wachsen und Zusammenwachsen der schon jetzt boomenden Städte würde deutlich beschleunigt. Die derzeit eher am Boden liegende finnische Wirtschaft könnte das besonders gut vertragen, während sich viele Finnen selbst privat Sorgen machen – und zwar um die gute alte Fährfahrt nach Tallinn, im Volksmund "booze cruise", "Saufkreuzfahrt"! Rüber in die estnische Hauptstadt, an Bord schon mal ordentlich tanken, in Estland günstigen Schnaps kaufen und auf der Rückfahrt nochmal nachkippen. Das hat Tradition – und es wird bleiben, versprechen die Tunnel-Planer. Denn die Bahn unter der Ostsee soll vor allem Pendler transportieren, nach Schätzungen um die 25.000 pro Tag. Da bliebe kaum Platz für klotzige Container oder eben - fröhliche Finnen!