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Firmenkultur auf Italienisch

Vor über 20 Jahren fing alles an: Da ließ sich Brunello Cucinelli in Solomeo nahe Assisi nieder, kaufte drei Strickmaschinen und legte damit den Grundstein seines Modeunternehmens, das seither feinste Kaschmirwolle zu verführerisch weichen Pullovern verarbeitet. Von seinem Profit hat Cucinelli mittlerweile mehr als 20 Millionen Euro für die Förderung von Kultur in Solomeo abgezwackt. Die jüngste Investition des Mäzens ist ein dorf- und firmeneigene Theater, das am Donnerstag mit der Neuinszenierung eines Stücks von Cesare Mazzonis und Ludovico Einaudi eingeweiht wurde.

Von Thomas Migge |
    Ein junger Mann im Totenreich, auf der Suche nach seinem verstorbenen Freund. Eine mythologische Geschichte aus Schwarzafrika. Der italienische Schriftsteller Cesare Mazzonis machte aus der Erzählung des nigerianischen Autors Amos Tutuola ein Theaterstück mit Musik.

    Unter der Regie von Luca Ronconi, Italiens bekanntestem Theatermann, und mit der Musik von Ludovico Einaudi, der mit seinen minimalistisch-meditativen Klaviermelodien auch in Deutschland ein Begriff ist, wird das Theater-Musik-Stück in diesen Tagen in Solomeo aufgeführt. Solomeo? Ein Name, eine Ortsbezeichnung, die vielen, selbst in Italien, nichts sagt. Doch wird Italienbesuchern dringend empfohlen, bei ihrer nächsten Umbrienreise das Dorf südlich von Perugia zu besuchen. Aus einem einstmals verfallenen und unbewohnten Ort hat der Kaschmirunternehmer Brunello Cucinelli eine in Europa einmalige Mischung von Arbeits- und Kulturort geschaffen:

    "Mein Ziel war es immer, dass, wenn ich ein Unternehmen aufbaue, meine Mitarbeiter auf eine ganz besondere Weise behandelt werden müssen. Denn wir haben doch ein Ziel: Qualität, die sich gut verkauft, damit es uns gut geht. Also restaurierte ich dieses heruntergekommene Dorf und schuf Arbeitsplätze, die beispielhaft sein sollen. Man soll hier Lust haben, zur Arbeit zu kommen. Wir sind 200 Leute, jeder hat einen Schlüssel, um hereinzukommen, und niemand muss eine Karte drücken, um seine Anwesenheit nachzuweisen."

    Cucinelli versteht sich als aufgeklärter Firmenpatriarch. Er finanziert einen dorfeigenen Kindergarten und eine Grundschule. Es gibt keine Firmenkantine, sondern ein Restaurant, in dem Köche jeden Tag kostenlos 3-Gänge-Menüs auf den Tisch zaubern. Die Produktionsstätten befinden sich in aufwendig restaurierten historischen Gebäuden. Gearbeitet wird unter mittelalterlichen Fresken. Solomeo als Produktionsstätte wirkt wie der realisierte Traum einer idealen Fabrik. Fragt man die Arbeiter, was sie von ihrem Dienstherrn und dessen Solomeo-Traum halten, bekommt man immer wieder nur eines zu hören: ein toller Arbeitsplatz und viele Freiräume. So braucht zum Beispiel niemand acht Stunden präsent zu sein. Die einzelnen Mitarbeiter können sich ihre Zeit frei einteilen. Was einzig zählt: dass zu einem bestimmten Datum die Produkte fertig sind.

    Das alles hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Tatsache ist, dass der Kaschmirpatriarch nicht gut auf Gewerkschaften zu sprechen ist. Er sieht es nicht gern, wenn die 3meinen2, wie er seine Arbeiter nennt, dort Mitglieder sind. Auf dieses Thema angesprochen versichern Cucinellis Mitarbeiter, dass keiner von ihnen bei einer Gewerkschaft eingeschrieben sei, weil sie einfach nichts zu beanstanden hätten.
    Brunello Cucinelli versteht sich als Nachfolger der kunstsinnigen Renaissancefürsten. 25 Prozent seines Profits gibt er für Kultur und Sozialprojekte aus:

    "Wie kann ein Arbeiter bei mir mit Enthusiasmus bei der Sache sein, wenn ich mir mit meinem Profit sechs Villen auf Sardinien und eine auf Sylt kaufe? Nein, sozialer Kapitalismus muss den Arbeitern etwas bieten. Deshalb ließ ich zunächst ein Amphitheater bauen. Mitten in Solomeo, wo ich, gratis natürlich, allen Mitarbeiter Open-Air-Theater-Vorstellungen und philosophische Diskussionsabende anbiete, die großen Zuspruch finden. Mein Ziel ist es, mich und meine Leute reicher zu machen."

    Und jetzt bietet der Patriarch von Solomeo den 3Seinen2 auch noch einen Theaterneubau im Renaissancestil, errichtet von dem für seinen historisierenden Baustil bekannten Architekten Massimo de Vico Fallani. Ein Theater, das 250 Zuschauern Platz bietet, mit einer ausgeklügelten Bühnentechnik, die alle Formen von 3spettacoli2 erlaubt, bis hin zur kompletten Oper. Mit Theater kennt sich Brunello Cucinelli aus: seit Jahren ist er Präsident aller 15 öffentlichen Theater Umbriens. In Zusammenarbeit mit anderen Häusern wird jetzt an einem Spielplan gefeilt, mit Konzerten, Sprech- und Musiktheater. Im Unterschied zu den anderen Bühnen der Region will Cucinelli vor allem Experimentelles bieten. Für die Kosten kommt - wie es sich für einen humanistischen Patriarchen gehört - natürlich er ganz allein auf. Jedenfalls solange die Geschäfte gut laufen.