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First Lady of Art

Das New Yorker Guggenheim-Museum hätte es ohne diese Frau nie gegeben. Zur Eröffnung des Schneckenbaus an der Fifth Avenue 1959 wurde Hilla von Rebay aber nicht einmal eingeladen. Sie starb 1967 verbittert darüber, dass ihr weder als Künstlerin noch als Sammlerin, Kuratorin oder als Förderin abstrakter Kunst gebührende Anerkennung zuteil wurde. Nun setzt eine späte Würdigung ein. In der in München ist Hilla von Rebay eine Ausstellung gewidmet.

Von Wolf Schön |
    Der hässliche Satz steht unter dem Jahr 1959 in der tabellarischen Biografie: "Zur Eröffnung des Solomon R. Guggenheim Museums wird Rebay offenbar nicht eingeladen." Wie Schillers Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat und gehen kann, verschwand die Frau, die eine der gewaltigsten Sammlungen moderner Kunst aufgebaut hat, sang- und klanglos in der Versenkung. Als sie mit der härtesten Strafe, die sich die alten Römer ausgedacht hatten, der Auslöschung der Erinnerung, belegt wurde, war ihr Gönner, der steinreiche amerikanische Industrielle Guggenheim, bereits zehn Jahre tot. Dessen Nichte, der glamourösen Peggy Guggenheim, sollte es gelingen, aus dem glanzvollen Namen das Kapital des unvergänglichen Nachruhms zu schlagen.

    Für den Machtkampf der beiden Rivalinnen könnte eine andere Schiller-Tragödie, das Drama um die Königinnen Maria und Elisabeth, Modell gestanden haben. Denn größer hätten die Gegensätze zwischen der Baronesse Hilla von Rebay und der exzentrischen Lebenskünstlerin aus der New Yorker Finanzdynastie nicht sein können. Die preußische Offiziertochter Hilla fühlte sich selbst zur Künstlerin berufen, während Peggy den begehrten Geniestatus in der Gestalt von Max Ernst praktischerweise geheiratet hatte.

    Die eine kämpfte mit missionarischem Eifer für den Sieg der abstrakten Malerei, während die andere sich die phantastischen Abenteuer der Surrealisten stürzte, deren Werke in den Augen der resoluten Gegnerin nur "sensationslüsterne Attraktionen" eitler Wichtigtuer waren. In der Liebe hatte die aus Deutschland Zugewanderte Pech, mit suboptionalen Folgen für die Karriere. Zeit ihres Lebens rannte sie dem Kandinsky-Epigonen Rudolf Bauer hinterher, der schließlich seine Haushälterin zum Traualtar führte. Dass die einflussreiche Museumschefin den Favoriten mit Privilegien verwöhnte und ins Scheinwerferlicht ihrer Sammlungspolitik stellte, war sicher nicht der marginalste Grund für ihren Untergang.

    Vom Scheitern einer überragenden Persönlichkeit muss sehr wohl die Rede sein, wenn man ihr gerecht werden will, aber in der breit an gelegten Ausstellung der Münchner Villa Stuck stehen dann doch die Verdienste der zu Unrecht Vergessenen im Mittelpunkt des Interesses. Tolle Mutprobe war der Sprung über den großen Teich 1927, aber sie war auch fabelhaft vorbereitet. Das Fräuleinwunder mit dem Bonus der höheren Tochter, unter elterlichem Segen den schönen Künsten vermählt, reifte zu einem Kommunikationstalent der Extraklasse. Binnen kurzer Zeit kannte sie alle, die in der progressiven Kunstszene Europas Rang und Namen hatten. 1928, ein Jahr nach ihrer Ankunft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, zog sie in der Lotterie des Lebens den Hauptgewinn: Sie durfte Solomon Guggenheim porträtieren. Die Bildnismalerei war ihr Brotberuf, ihre Leidenschaft gehörte dem geistigen Wagnis der gegenstandslosen Kunst, für die sie den risikofreudigen Wirtschaftstycoon begeistern konnte.

    Unter dem Leitstern Kandinsky bildete sich ein Universum der Abstraktion, in das als Vorreiter und Wegbereiter auch Delaunay, Léger, Feininger, Klee, Marc, Chagall, Seurat, Modigliani und Picasso eingegliedert wurden. Ihr architektonisches Denkmal setzte sich die unermüdliche Chefkuratorin mit dem Engagement Frank Lloyd Wrights, der für die Guggenheim-Kollektion an der Fifth Avenue das legendäre Schneckenhaus baute.

    Nächstes Jahr ist die Guggenheim-Foundation mit einer spektakulären Schau in der Bonner Bundeskunsthalle zu Gast. Besichtigt wird in München die Vorgeschichte des Megamuseums, deren Gründungsdirektorin mit ihren eigenen, zwischen den Idolen hin- und hergerissenen Werken nie zur Weltklasse aufschließen konnte. Dafür gibt es mit der Erzkonkurrentin Peggy eine schwesterliche Vereinigung: Man wird sehen, dass sich Kandinsky und Klee mit Max Ernst und Jackson Pollock besser vertragen, als es die beiden konträr sammelnden Damen für möglich hielten.