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Fisch von der Farmen

Fischfarmen könnten die Überfischung der Meere verhindern. Doch der hohe Energieaufwand hat bisher viele Investoren abgeschreckt. Das kann sich nun ändern, denn neue Technologien machen die Fischaufzucht effizienter und ökologischer. Ein Modellbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern zeigt, wie es funktioniert.

Von Almuth Knigge | 06.02.2009
    Eine Meldung erregte kürzlich die Fischfreunde im Nordosten. Aus Sorge um die Fischbestände wollen die Behörden das Nachtangeln im Stralsunder Hafen verbieten. Grund: Mehrfach seien bei Kontrollgängen der Fischereiaufsicht bis zu 100 Angler in der Nachtzeit im Stralsunder Hafen angetroffen worden. Das sei kein normales Angeln mehr, sondern reine Entnahme von Fisch. Und das in Zeiten, in denen immer mehr vor der Überfischung der Meere gewarnt wird. In Abtshagen, gerade mal 15 Kilometer von Stralsund entfernt, soll die Antwort auf das Problem, wachsen und gedeihen - der Clarius Gariepinus, der afrikanische Wels. Sein Zuhause ist eine Aquakulturanlage in einem ehemaligen Rinderstall.

    Unspektakulär sieht sie aus, die Fischfarm. Ein paar blaue Becken, ein paar Rohre, fast wie in einem normalen Heizungskeller. Am Ende versteckt sie eine Biokläranlage hinter einem Vorhang. Alles miteinander verbunden.

    Dr. Günter Scheibe, eigentlich Anlagenbauer und seit kurzem auch Fischfarmer, hat die geschlossene Kreislaufanlage entwickelt. Kern dieser Anlage ist, Fischzüchter völlig unabhängig von der natürlichen Umgebung zu machen. Die Fische werden in Becken gehalten, die über ein geschlossenes Wasserkreislaufsystem ständig mit sauberem Wasser versorgt werden. Bei 27 Grad fühlt der afrikanische Wels sich am wohlsten.

    "Wir glauben"," sagt Professor Horst Klinkmann, der mit Biocon Valley die Forschung unterstützt, ""dass wir mit dieser Kreislauftechnologie, mit diesen Aquakulturen einen wirklichen neuen echten Wirtschaftszweig für die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern eröffnen."

    Die Wärme, die dazu benötigt wird, kommt meist aus der Abwärmenutzung der Biogasanlagen, die es in Mecklenburg-Vorpommern zuhauf gibt. Leere Tierställe auch. Aber auch andere erneuerbare Energiequellen lassen sich beinahe problemlos nutzen. Erdwärme, Sonnenenergie. Für Landwirte eine ideale Möglichkeit, vorhandene Abwärme aus Biogasanlagen zu nutzen und sich gleichzeitig neue Märkte zu erschließen.

    Das Land fördert das - die EU auch. Denn konventionelle Aquakultur bringt ökologische Probleme mit sich, die denen der Massentierhaltung an Land sehr ähnlich sind: Die Tiere haben zu wenig Platz und sind anfällig für Krankheiten. Daher werden Arzneimittel in großem Stil und vielfach vorbeugend eingesetzt. Das ist in der geschlossenen Kreislaufanlage, die Scheibe entwickelt hat, nicht möglich. In der Anlage gibt es nur Wasser, Futter und Fische. Biologische Filter reinigen das Wasser, das danach wieder in den Kreislauf zurückfließen kann.

    "Es soll ein Kreislauf sein. Wir wollen immer einen Kreislauf haben und dann kann ich mir an sich vorstellen, dass der Landwirt sagt: 'Nein, wir geben das nicht auf den Acker, wir schalten noch was dazwischen.'"

    Dieser Umlaufprozess ist ähnlich wie in einem Aquarium. In bereits laufenden Anlagen muss pro Tag rund 15 Prozent des Wassers aber doch durch frisches ersetzt werden. Ziel: Das noch zu verringern und eine möglichst lange Wertschöpfungskette zu bekommen.
    "Die erste Wertschöpfungskette, die Landwirtschaftsbetriebe machen, dass sie sagen: Okay, wir nehmen das Prozesswasser aus dem Kreislauf und tun es direkt auf den Acker, letztendlich hat es Nährstoffe. Oder wir haben die Variante, dass das Wasser noch mal nachsedimentiert wird, und dann dicker in die Biogasanlage gegeben wird, als Gülle. Und das restliche Wasser hat dann nur noch so wenig Nährstoffe, dass ich es über eine Filterung wieder in die Öffentlichkeit abgeben kann."
    Denkbar sind aber noch ganz andere Schritte. Mit dem nährstoffreichen Wasser können Algen produziert werden, damit dann Wasserflöhe gezüchtet, die wiederum können an Fische verfüttert werden, aber auch Tomaten und Salat wachsen gut mit dem Wasser aus der Fischzuchtanlage. Aber in erster Linie geht es schon um den Fisch.

    Statistisch gesehen verspeist jeder Deutsche pro Jahr knapp 17 Kilogramm Fisch - und dieser Verbrauch wird steigen. Experten schätzen, dass deshalb bis zum Jahr 2030 die Hälfte des Fischbedarfs aus Aquakulturen gedeckt werden muss. Heute sind es gerade mal zehn Gramm pro Kopf.

    "Wenn wir das erreichen wollen, dann müssen wir ungefähr rund 50.000 Tonnen Rohfisch aus Kreislaufanlagen produzieren. Und wir produzieren gerade mal 1000 oder 1100. Also wir haben da schon ganz schön Potenzial."

    Günter Scheibe hat auch schon Rezepte für den Wels entwickeln lassen. Mit Curry und Kräutern schmeckt der am besten.