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Fischarten sollen vor Überfischung geschützt werden

Um die Fischbestände sieht es nach Ansicht vieler Wissenschaftler wahrlich nicht gut aus. So hatten vor zwei Jahren Forscher in Kanada entdeckt, dass die Zahl der großen Fische, wie Thunfisch beispielsweise, deutlich rückläufig ist. Heute berichten die selben Forscher aus Kanada im US-amerikanischen Fachmagazin "Science", dass sich in den vergangenen 50 Jahren nicht nur die Anzahl der Fische, sondern auch die Zahl der Fischarten deutlich vermindert hat.

Von Michael Stang |
    Wo finde ich die Fische? Das fragen sich nicht nur seit Jahrhunderten die Fischer, sondern seit einigen Jahren auch Wissenschaftler. Denn viele Fischarten legen große Strecken zurück und können nur schwer gezählt werden. Eine vollständige Karte über das Vorkommen bestimmter Fischarten in den Weltmeeren gab es bislang nicht. Um herauszubekommen, wo welche und wie viele Fische vorkommen, haben Boris Worm und seine Kollegen von der Dalhousie Universität in Kanada Daten der vergangenen 50 Jahre von Marineinstituten und Fischereien ausgewertet.

    "Wir haben verschiedene globale Datensätze verglichen, um zu sehen, wo welche großen Raubfischarten, also etwa Thun-, Schwert- und Speerfische vorkommen. Diese haben wir dann vielen anderen Datensätzen, die wir Ende der 90-iger Jahre erhoben haben, gegenübergestellt. "

    Danach verglichen die Forscher die Daten der Fische mit jenen, die sie auch von den kleinsten Meereslebewesen - dem einzelligen Zooplankton - hatten und sahen, dass es viele Orte gibt, an denen sich sowohl kleine als auch große Tiere gemeinsam tummeln. Damit sind die Ozeane nicht die großen blauen Wüsten, wie sie manchmal bezeichnet werden. Die als Hotspots bezeichneten Punkte, die die Forscher mit ihrer unglaublichen Artenvielfalt überraschten, übertrugen die Meeresbiologen auf eine weltweite Meereskarte.

    "Wir haben zahlreiche Hotspots an der us-amerikanischen Ostküste gefunden, die zweite Region befindet sich im Süden der Hawaiianischen Inselketten, dann gibt es noch einen sehr großen Hotspot im Südpazifik und wahrscheinlich noch einige im Indischen Ozean bei Sri Lanka. "

    Die Hotspots waren für die Forscher eine echte Überraschung. Es scheint, als wäre das gesamte Leben im Ozean auf wenige Flecken konzentriert. Robert Worm beschreibt diese Entdeckung literarisch.

    "Zum aller ersten Mal können jetzt Menschen sehen, welche Vielfalt es im Ozean gibt. Es ist, als ob man zum ersten Mal den Nachthimmel in seiner Ewigkeit begreift, mit all den Sternen und Gestirnen. Plötzlich macht auf einmal alles Sinn, weil sich alles zusammenfügt und so wunderbar passt. Für mich war es eine unglaubliche Überraschung und ein Wunder, dass so etwas Großes tatsächlich existiert. "


    Aber die Datensätze zeigten noch etwas anderes. Die Fischarten verzeichneten in den vergangenen 50 Jahren einen Rückgang von teilweise 50 Prozent.

    "Das bedeutet, wenn man heute im Pazifik Fischen geht, fängt man nur halb so viele Fischarten wie noch vor 50 Jahren. "

    Die Forscher konnten eindeutig belegen, dass es einen direkten Zusammenhang mit der industriellen Fischerei und dem Rückgang der Tierarten gab, weil die Datensätze der Fischereien und Marineinstitute, die der Studie zugrunde lagen, nahezu identisch waren. Je mehr Fische gefangen wurden, desto stärker war auch der Rückgang der Fischarten. Natürlich beeinflussen auch andere Faktoren den Fischreichtum, wie etwa der El Ninõ. Dieses Klimaphänomen verändert das Fischvorkommen aber immer nur kurzfristig, höchsten ein paar Jahre. Mit den Daten über ein halbes Jahrhundert jedoch werden jetzt erstmals die direkten Zusammenhänge zwischen Artenvielfalt und industrieller Überfischung deutlich. Deshalb bringt die Entdeckung der Fischsammelplätze nicht nur Positives mit sich, wie Boris Worm feststellen muss.

    "Auf der anderen Seite war es sehr traurig, weil wir sahen, dass die Hotspots immer weniger werden und manche schon komplett verschwunden sind. Zum Beispiel an der australischen Westküste gab es einen Hotspot von Thun- und Säbelfischen, der als der größte der Welt galt; dieser ist mittlerweile komplett verschwunden. Es ist ungefähr so, als wenn man in den Regenwald kommt und etwas Neues entdeckt und dabei aber schon die Bulldozer um sich herum hört. "

    Für die verbliebenen Hotspots gibt es deshalb nur eine Hoffnung. Mit den gesammelten Daten und der Meereskarte liegen jetzt Fakten vor, die die Erschließung neuer Mariner Schutzparks ermöglichen, damit dort nicht weiter gefischt werden darf, sondern sich die Bestände nicht noch weiter verschlechtern können. Aber eines steht fest: Eine einmal ausgestorbene Art kommt nicht mehr zurück.