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Fische, Fußball, Fanatismus

Trabzon. Eine mittelgroße Stadt im Nordosten der Türkei: knapp 300.000 Einwohner. 1000 Kilometer östlich von Istanbul, die Grenze zu Georgien ist nicht weit, die Fähre nach Sotchi in Russland braucht gerade mal zwölf Stunden.

Mit Reportagen von Tom Schimmeck | 28.06.2008
    Eine Stadt mit langer Geschichte: Perser, Griechen, Römer, Byzantiner, Armenier und Russen haben sich hier niedergelassen, viele von ihnen sind geblieben, auch nachdem sie die Macht abgeben mussten. Mit seinem großen und bedeutenden Hafen war Trabzon über Jahrhunderte nicht nur eine wichtige Drehscheibe für den Handel zwischen West und Ost - sondern auch eine kosmopolitische Kulturmetropole. Bis zum Jahr 1923, als nach den Wirren des ersten Weltkriegs und dem Siegeszug des Kemal Atatürk alle Griechen die Stadt verlassen mussten. Manche sagen, mit der Gründung der Türkei habe Trabzon seine Seele verloren.

    Und dennoch wird ausgerechnet hier das viel zitierte Türkentum so hochgehalten wie sonst fast nirgendwo: Trabzon, von den Metropolen Ankara und Istanbul als finsterste Ostprovinz belächelt, ist eine Hochburg von Nationalisten und Islamisten.

    In die internationalen Schlagzeilen geriet Trabzon gar als "Stadt der Mörder", wie es hieß: zuerst ein Attentat auf einen katholischen Priester im Januar 2006. Und dann, vor gut einem Jahr, der Mord an dem türkisch-armenischen Publizisten Hrant Dink. In beiden Fällen waren die Täter junge Fanatiker aus Trabzon.

    Ob es am Charakter der Bewohner von Trabzon liegt, die seit jeher als kämpferisch und streitlustig gelten. Oder an der geographischen Lage der Stadt, eingekeilt zwischen Schwarzem Meer und Ost-Pontischem Gebirge. Ob die hohe Arbeitslosigkeit der Nährboden der Gewalt ist. Ob es Trotz, Verzweiflung oder Stolz sind, die den patriotischen Eifer in Trabzon schüren - bei der Suche nach den Ursachen des Fanatismus gibt es keine einfachen Antworten.

    Die Trabzoner - Ein Stadtrundgang
    Gut zwei Dutzend Menschen stehen am Ausgang des Terminals, einander umarmend und laut dabei schluchzend. Eine Großfamilie, die sich zu einer Beerdigung versammelt.

    Trabzon hat einen ziemlich miserablen Ruf. Seine Einwohner gelten als launisch, unberechenbar. Als potentiell gewalttätig.

    Im vergangenen Jahr druckte eine Istanbuler Zeitung ein Foto, dass zwei zärtliche Kühe und ihr Kalb zeigte. Darunter stand: "Nicht alle Trabzoner sind voller Hass."

    " Ich verstehe jetzt die Leute, die hier leben. Sie verhalten sich so wie ihr Schwarzes Meer. Manchmal ist es ganz sanft und plötzlich sehr rau. So erkläre ich mir ihre Stimmungsschwankungen: Sie sind launisch wie das Schwarze Meer. "



    Sinem Sahin - Schauspielerin aus der Hauptstadt Ankara, lebt seit drei Jahren in Trabzon. Das bedeutet: Im hintersten Winkel der Nation. Genau wie ihr Kollege Sevki Çepa.

    " Ja, die Leute zeigen Ähnlichkeit mit dem Meer. Sie leben hier. Das hier ist eine kleine Stadt, und die Menschen müssen manchmal zäh sein. Sie sind sehr ernsthaft, aber auch hilfsbereit, redselig, neugierig. "

    Das Zentrum wirkt freundlich. Auf dem Hauptplatz mit dem riesigen Atatürk-Denkmal wird unter Bäumen viel Tee getrunken. Die Uzun Sokak, die Lange Straße, eine Fußgängerzone, ist voller Leute, junger Leute vor allem. Sie flanieren, inspizieren die Auslagen der vielen Modegeschäfte und die Plakate der beiden Kinos, sitzen in offenen Lokalen, denen verlockende Gerüche entweichen, in Teestuben, Eiscafés. Die Sonne scheint. Ab und an weht vom Meer eine erfrischende Brise herauf. Manche Mädchen tragen Kopftuch, viele nicht.

    " Vor neun Jahren durftest du hier mit deiner Freundin auf der Straße nicht einmal Händchen halten. Heute ist das kein Problem mehr: Spazierengehen, Küssen - das geht alles. "

    Ömer ist Musiker. Er kennt sich hier aus. Er stammt von hier. Stimmt es, dass hier die türkischen aller Türken leben?

    Ömer grinst. Leute mit gesteigerter Heimatliebe gebe es überall in der Türkei, sagt er. Aber in Trabzon seien sie schon deutlich patriotischer.

    Vor dem Rathaus spielt eine Blaskapelle. Männer in blauer Uniform, mit rotem Schlips und Schirmmütze. Ein Mann erspäht den fremden Besucher, kommt schnell auf mich zu, greift meine Hand, lächelt verbindlich.

    " Hallo, sprechen deutsch? Ich bin Bürgermeister. "

    Es ist Oberbürgermeister Volkan Canalioglu. Er kennt mich nicht, ich kenne ihn nicht.

    " Ja. Wann in Trabzon? "

    Das Stadtoberhaupt will wissen, wie lange ich schon da bin und ob ich mich wohl fühle.

    " Sehr schön. Auf Wiedersehen. "

    Und entschwindet schnell wieder. Sinem:

    " Ich wohne zum Beispiel seit drei Jahren in dem gleichen Haus. Und jeden Morgen fragt mich der Hauswart, wohin ich gehe. Ins Theater, sage ich jedes Mal. Und wenn ich nachts nach Hause komme begrüßt er mich und sagt: Woher kommst Du? Vom Theater, sage ich. Es ist ein tägliches Spiel. Er weiß, wohin ich gehe, aber er will es trotzdem immer wieder wissen. Da ist keine böse Absicht dahinter. Er will mich nur beschützen und wissen, ob alles in Ordnung ist. "

    Trabzon ist kein Touristenmagnet, trotz seiner uralten Schönheiten. Es ist eine arbeitende, sich durch die Wirren der Moderne kämpfende Stadt. Der Fremde wird mit einer zuweilen paternalistisch anmutenden Fürsorglichkeit beguckt, befragt. Ständig zum Tee eingeladen.

    Die Schauspieler haben mich am Abend ins Staatstheater mitgenommen. Das Stück heißt: "Hochzeit oder Trommel". Es ist eine traditionelle Inszenierung: Alle Schauspieler und Musiker bleiben allzeit auf der Bühne. Wer gerade nicht "dran" ist, hockt am Rand. Als würden sie auf einem Dorfplatz spielen.

    Sinem Sahin und die anderen Darstellerinnen sitzen in knallbunten Kleidern vor dem endlos langen Schminkspiegel im Keller. Sie schnattern. Ein bisschen aufgeregt

    Der Saal ist schon voll, der Inspizient mahnt zur Eile.

    Das Stück ist eine interaktive Komödie. Es spielt geschickt mit Traditionen und Geschlechterrollen, mit den Mächtigen und der Obrigkeit. Das Publikum bricht immer wieder in schallendes Gelächter aus.

    Später erfahre ich aus der Zeitung, dass es Ärger gab vor einigen Wochen. Das staatliche Theaterdirektorat hatte sich den Chef des Theaters, den Regisseur und zwei Schauspieler zur Brust genommen, weil beim Improvisieren auf der Bühne eines Abends die Bemerkung gefallen war, der Premierminister habe Angst vor den Vereinigten Staaten. Es gab eine offizielle Ermahnung. Aber die scheint hier wenig Schrecken verbreitet zu haben. Sevki:

    " Trabzon ändert sich, weil die Welt sich ändert. Jeden Tag einen kleinen Schritt. In meinen Augen werden die Lebensbedingungen hier einfacher. Nicht finanziell. Aber die Stadt wird moderner, es entstehen neue Räume in ihr, Kinos, Cafes. Sie öffnet sich. Die Leute kommen einfacher zusammen, berühren sich. "

    Die östliche Schwarzmeerregion gilt im Rest des Landes als sehr konservativ und traditionsbewusst, fast ein bisschen rückständig. Abzulesen ist das nicht zuletzt an dem traditionellen Rollenverständnis der Geschlechter: Auch wenn die Stadt sich inzwischen öffnet, sind es nach wie vor die Männer, die den öffentlichen Raum dominieren. Die türkische Schriftstellerin Erendiz Atasü aus Ankara, eine der bedeutendsten Vertreterinnen der feministischen Literatur in der Türkei, hat denn auch eine ihrer Erzählungen bewusst nach Trabzon verlegt: "Was bleibt". Im Zentrum der Geschichte steht Rabia Hanim, eine starke Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts versucht, ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Nach ihrem Tod reist ihre Enkelin aus Istanbul nach Trabzon, um das Haus ihrer Vorfahren zu suchen. Dafür muss sie erst einmal ihren Schwager ausfindig machen.

    Trabzon. Der Name der Stadt geht zurück auf trapezus, das griechische Wort für Tisch: hier gründeten Siedler aus Milet den Ort auf dem tischförmigen Hügel über dem Hafen im Jahre 746 vor Christus.

    Fast 2000 Jahre später, zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert, erlebte Trapezunt seine wirtschaftliche und politische Blütezeit: als Hauptstadt des gleichnamigen christlichen Kaiserreiches. Händler und berühmte Reisende aus der ganzen Welt kamen in die Hafenstadt, Marco Polo soll sich von hier aus auf den Weg nach China gemacht haben. Und Evliya Celebi, der das Reich des Sultans erwanderte, beneidete die Stadt um das süße Wasser und die süße Luft und pries ihre Bürger als "gute Freunde und Liebestrunkene".

    Das ist lange her - auch das süße Wasser ist Geschichte: das Schwarze Meer, dessen Fischreichtum ganz Südosteuropa über Jahrhunderte ernährte, ist längst zur Kloake verkommen. Von den etwa 30 Fischarten haben höchstens 6 oder 7 überlebt. Trotzdem ist der Fischfang immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region: 20 Prozent der türkischen Fischproduktion kommt aus Trabzon. An erster Stelle steht dabei der kleinste Fisch des Schwarzen Meers, der Hamsi, eine kleine Sardellenart. Jedes Jahr im Frühjahr werden die Schwärme von den Fischern in der Region Trabzon sehnsüchtig erwartet. Nicht nur wirtschaftlich, auch kulturell hat der Hamsi eine große Bedeutung für die Trabzoner: abzulesen ist dies an den unzähligen traditionellen Rezepten, aber auch an Geschichten und Liedern über den kleinen Fisch. Im Sommer ist die Hamsi-Saison lange vorbei: gefischt wird trotzdem.


    Ein Hamsi-Fischer aus Of
    Fischer Affan Kaba muss im Morgengrauen hinaus. Nach einem Tee verlässt er die Schlafkammer unterm Dach seines Fischerhäuschens, stapft auf Socken die kurze Treppe herab, streift sich die Schuhe über, greift sich die Netze und tritt vor die Tür.

    " Es fällt einem wirklich schwer, so früh am Morgen aufzustehen. Bei jedem Wetter, bei Orkan und Sturm. Meine Freunde und ich glauben, dass es um mehr geht als ums Geld: Es muss wohl Liebe sein. Eine Leidenschaft. Jedem Morgen hinauszufahren aufs Meer, wenn alle anderen noch schlafen. "

    Das Boot heißt Poyraz. Wie der kräftige Nordost-Wind, der hier gerne bläst. Eine Nussschale, kaum größer als ein gängiges Ruderboot, aber geschlossen. Stauraum für den Fang. Man kann sich kaum irgendwo festhalten. Er trägt Jeans und einen braunem Pullover. Der Fischer löst das Tau, eine Zigarette im Mund.

    " Wir fahren nur etwa vier, fünf Kilometer aufs Wasser, sagt Fischer Kaba. Er ist 45 Jahre alt. Macht das hier seit 17 Jahren. In Flüssen hat er angefangen, wagte sich schließlich heraus aufs Schwarze Meer. Meist fährt er mit einem Freund. Die Fischerquartiere stehen in einer langen, schnurgeraden Reihe, dicht an dicht, wie winzige Reihenhäuser. Es ist eine verschworene Gemeinschaft, die ihren Stolz hat. Und einen ausgeprägten Sinn für Freiheit. "

    " Normalerweise gelten Fischer als zornige Leute, ganz besonders die am Schwarzen Meer. Die sind berüchtigt. Aber hier in Of sind wir ein bisschen ruhiger, freundlicher. Wir kennen uns gut. Wir streiten nicht um den Fisch im Meer. Andere Fischer, die weit raus aufs Meer müssen, sind da viel aggressiver. Weil sie um Fische und Fanggründe kämpfen müssen. "

    Das Meer ist tückisch. Auch für die kurze Fahrt haben sie alles dabei: Proviant und Reservekanister. Sie fangen Wittling das ganze Jahr über, Steinbutt, Bonito und andere Arten je nach Saison.

    " Früher, vor zehn Jahren, haben wir noch viele Störe gefangen. Aber weil diese Fische auf dem besonders verschmutzten Meeresboden leben, hat diese Spezies sehr stark abgenommen. Es ist jetzt fast unmöglich, da noch etwas zu holen. Genau wir bei der Grünen Makrele. Die ist auch fast nicht mehr zu finden "

    " Guck mal, guck mal, der große Stör - zwei, drei Stück nebeneinander. "

    Diplom-Meeresbiologe Sadi Ciliz beugt sich über die Fischtanks.

    " Diese Störe sind ungefähr vier oder fünf Jahre alt. in diesem Tank gibt es ungefähr zwanzig Stück Stör, alles in dieselbe Art, oder dieselbe Spezies, kann man sagen. "

    Die marinewissenschaftliche Fakultät der Schwarzmeer TU liegt standesgemäß direkt am Ufer. In Çamburnu, eine halbe Dolmus-Stunde östlich von Trabzon. Doktoranden züchten Fische in Dutzenden von Forschungs-Tanks - Störe, Forellen und anderes Getier. Frischwasser aus den nahen Bergen zischt durch Rohre in die Tanks.

    " Durch die globale Erwärmung kommen immer mehr indopazifische Arten ins Schwarze Meer. Sie ernähren sich besonders von Fischlarven und Eiern. Auch dadurch werden die Fische jedes Jahr weniger. "

    Dekan Ertug Düzgünes erklärt die Zusammenhänge.

    " Rapana ist heutzutage die größte Gefahr für die Biodiversität. Sie ernährt sich von Muscheln. Und die Muscheln sind sehr wichtig für das Meer, weil sie wasserfiltrierend sind. "

    Rapana - das war der Bio-GAU: Eine Schnecke, die schon vor 60 Jahren von der chinesischen Küste per Schiff hierher kam. Und sich rasant vermehrte. Sie hatte keine Feinde. In den 80ern kam, im Ballastwasser von Frachtern aus dem Nordatlantik, der nächste Eindringling angereist: die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, die "Meerwalnuss". Sie dezimiert das Zooplankton, das Brot vieler Wasserbewohner, und frisst auch Fischeier. Bald war die Qualle der Chef im Schwarzen Meer. Ihre Biomasse wurde auf eine Milliarde Tonnen geschätzt. Der Fischfang ging in die Knie. Bis eine weitere Qualle auf den Plan trat: Beroe ovata. Die frisst jetzt ihre Kollegin. Sehr zur Freude der Fische. Und der Fischer.

    " In der Türkei forschen wir an neuen Fischfangmethoden und wir kümmern uns um eine bessere Ausbildung der Fischer. "

    Es gebe zu wenig Kontrolle in der Türkei, meint Dekan Düzgünes. Ein Fischer, der eine Lizenz hat, kann in der Zeit, in der Fischen freigegeben ist, munter drauflos fischen. Und auch er sagt: Die Leute hier seien wie das Meer: Still wie eine Pfütze. Und plötzlich schlagen sie hohe Wellen.

    " Wenn einige unserer Freunde sich nicht an die Regeln halten, kommen wir zusammen und reden über die Probleme. Und warnen sie. Denn wenn ein Fischer wären des Fangverbots losfährt, kann er Milliarden von Eiern zerstören. Und das kann sich über Jahre schlecht auswirken für die Fischerei in der Türkei. "

    Zum Abschied schenkt Fischer Kaba mir Tee. Er hat nebenbei auch eine kleine Plantage. Und Tee hält sich besser als Fisch.


    Fischerei an der Küste und Haselnuss- und Teeplantagen im Hinterland: das sind die wirtschaftlichen Standbeine Trabzons Anfang des 21. Jahrhunderts. Keine aussichtsreichen Perspektiven also für die Jugendlichen der Stadt: jedes Jahr werden 10.000 Schulabgänger auf die Straße entlassen, ohne Ausbildungsplatz, ohne Job. Und eine regelrechte Schmach für die Trabzoner, die ehemals von Kemal Atatürk gelobt wurden als besonders gute Kämpfer, als besonders klug, fleißig und produktiv.

    Ob im Zypernkonflikt oder bei den Auseinandersetzungen mit der kurdischen Separatistenbewegung PKK - immer waren es junge Männer aus Trabzon, die an vorderster Front der türkischen Truppen kämpften. Doch auch im Alltag sind sie berüchtigt für den schnellen Griff zur Waffe.

    Der Grundstein wird früh gelegt: Jedes Kind in Trabzon, sagt der Pädagogikprofessor Adem Solak, wachse mit der Waffe auf. Und er meint, dass es deshalb so leicht falle, hier Attentäter zu rekrutieren, für Anschläge gegen Minderheiten und Ausländer.


    Trabzon: Stadt der Mörder?
    Januar 2007. Die Übertragungswagen der internationalen Nachrichtensender rumpeln durch Trabzon. Wieder ist ein Mord geschehen. Hrant Dink, türkischer Journalist armenischer Herkunft, wurde in Istanbul auf offener Straße erschossen. Dink hatte immer wieder an einem Tabu gerührt: dem türkischen Völkermord an den Armeniern 1915. Er schrieb auch gern über seine Liebe zur Türkei. Aber das zählte nicht. Sein Mörder war 17. Er kam aus Trabzon.

    Nicht der erste Mord. Im Februar 2006 starb der katholische Priester Andrea Santoro in Trabzon - von hinten erschossen beim Gebet. Ein 16jähriger Bursche drückt ab. Dann rief er: "Allah ist groß".

    " Die Menschen in Trabzon akzeptieren dieses Attentat nicht. Sie finden: Das hätte nicht passieren dürfen. Das haben mir gerade heute wieder einige Besucher nach dem Gottesdienst gesagt. "

    Pfarrhelfer Niko sitzt im Innenhof der Santa Maria Kirche. Im Zentrum, an einer steilen Gasse Richtung Meer, hinter einer hohen Mauer. Eine Videokamera kontrolliert das schwere Tor. Wir lauschen dem Muezzin. Niko ist Rumäne. Er und seine Frau halten hier allein die Stellung. Nach dem Attentat waren der Bürgermeister, der Gouverneur, alle wichtigen Leute hier, erzählt er. Aus der ganzen Türkei kamen Blumen und Beileidsbriefe.

    " Haben die Menschen aus Trabzon daran schuld? Nein, sie sind nicht schuld. Die Journalisten haben das alles übertrieben. Den Schlamm haben die Journalisten auf Trabzon gekippt. "

    Ich solle Trabzon nicht auch noch als Stadt der jungen Mörder portraitieren, sagt er fast flehentlich. Der Tourismus habe schwer gelitten. Der Mörder wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt.

    " Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen hier sind ganz normal. Ich habe einen Freund, der ist Imam. Ab und zu besucht er mich und wir sprechen über vieles und trinken dabei Nescafé oder Tee. "

    Osman, ein zehnjähriger Junge, spielt auf der Straße. Wie ist das Leben hier?
    Gut, sagt Osman. Und was machst du so?
    Nach der Schule macht er Hausaufgaben, spielt manchmal mit dem Computer.
    Ich will neue Computer bauen und auch Software machen, sagt Osman.

    Samet ist auch zehn. Und auch er weiß schon, was er werden will: Ministerpräsident. Die Türkei soll eine Industrienation werden. Sein Vorbild?
    Die USA?
    Ja, sagt er. Und was macht er am liebsten?
    Ich gucke gern Fernsehen und ich lese gerne Bücher.

    Der Mörder Hrant Dinks, die Anstifter und Helfer, sie kamen alle aus dem Stadtteil Pelitli. Dem Hort der zornigen jungen Männer.

    Pelitli liegt an einem steilen Hang, mit Blick auf das schwarze Meer und den Flughafen. Gleich nebenan der Campus der KTU, der technischen Universität des Schwarzen Meeres. Vor 30 Jahren gab es in Pelitli fünf Familien und hundert Haselnuss-Sträucher. Heute leben hier über 30000 Menschen. Die meisten in afet evleri - "Naturkatastrophen-Behausungen". Gebaut, nachdem Fluten und Schlammlawinen in der Umgebung Tausende obdachlos gemacht hatten.

    " Das Problem hier ist wie überhaupt in der Türkei die Arbeitslosigkeit. Für die Leute, die angestellt sind oder als Beamte bei der Stadt arbeiten, ist das Leben leichter. Aber die anderen müssen auch irgendwie leben. Sie schlagen sich durch; machen, was immer sie gerade kriegen können. "

    Adnan Biríngi, 31, sitzt in der Durak Kiraathanesi, der örtlichen Teestube. Das wichtigste Kommunikationszentrum, geöffnet sieben Tage die Woche, von 7 bis 23 Uhr. Er ist Bauarbeiter. Gelegentlich. 60 Prozent der Leute hier seien arbeitslos, sagt er.

    " Ich habe als Bauarbeiter sieben oder acht Jahre in Deutschland gearbeitet. Und da habe ich etwas gespart. Davon lebe ich jetzt. Deswegen geht es mir noch etwas besser. "

    Er ist verheiratet, hat drei Kinder: 9, 12 und 14 Jahre alt. Der 14jährige ist Nachwuchsspieler bei Trabzonspor, eine Hoffnung. Sein Ziel: Die Sportakademie. Der 12jährige will Mathematiklehrer werden. Und die kleine Tochter Krankenschwester. Am besten, meint Adnan Biríngi, sollten alle drei studieren. Damit sie auf eigenen Beinen stehen können. Und keine Verbrecher werden?

    " Die beiden jungen Täter sind hier zusammen aufgewachsen, hier zur Schule gegangen. Sie kennen sich. Das ist normal. Und der Prozess läuft noch. Keiner weiß genau, was dahinter steckt. "

    Sobald das Gespräch auf die Morde kommt, ergeht man sich in Trabzon in Verharmlosungen, Verschwörungstheorien und wirren Vergleichen. Der Bürgermeister von Pelitli, ein Mann der regierenden AKP, hat an das osmanische Weltreich erinnert und erklärt, man dürfe die große Türkei nicht auf eine Stufe stellen mit "einem Volk, das uns einmal untertan war". Er meinte die Armenier.

    Ein anderer Teehaus-Besucher mischt sich ein.

    Dieser ermordete Journalist, sagt er, der war doch Armenier, deswegen sind die aus Deutschland und Amerika hierhergekommen. Wären sie auch gekommen, wenn er ein Türke gewesen wäre? Wieso hängen die das so an die große Glocke?

    Nach dem Mord an Dink riefen in Istanbul 100 000 trauernde Türken, Kurden und Armenier: "Wir sind alle Armenier. Wir sind alle Hrant Dink." Kurz darauf gab es einen neuen Slogan im Fußballstadion von Trabzon: "Wir sind alle Türken. Wir sind alle Mustafa Kemal Atatürk." Atatürk, der die Türkei gen Westen ausrichtete, dient immer häufiger als Schutzpatron gegen den Westen.

    Adnan und Hasan Babuscu, der Besitzer der Teestube, laden mich zu einem Imbiss ein. Im Hinterzimmer. Akçaabat Köfte - Lamm in Brot, würzig, heiß, köstlich. Es krümelt und tropft. Der Sportteil der Zeitung dient uns als Unterlage.

    Draußen stehen ein paar Burschen untätig am Straßenrand. Was sie hier machen?

    Keine Arbeit, keine Zukunft, nichts zu tun.

    In Pelitli ist kein Leben, ich möchte in die USA.

    Er sei schon zufrieden mit seinem Leben, meint ein anderer. Wenn man es nur anpacke, könne man doch alles machen.

    Aber auch er hat gerade keinen Job. Will erst einmal seinen Militärdienst machen.

    Nun diskutieren sie. Manchmal gibt es Arbeit. Aber die Chefs zahlen wenig, sagt einer, gerade mal 200 oder 300 Dollar im Monat. Das reicht nicht zum Leben.

    Sie wollen viel: eine gute Arbeit, auf die Uni gehen, an Autos schrauben. Aber die meisten wohnen immer noch bei den Eltern und hängen nur rum. Mit nichts als Träumen.

    Während des ersten Weltkriegs war es die Bedrohung durch die russischen Truppen, die die Bewohner von Trabzon dazu brachten, ihre Stadt zu verlassen. In den 50ern war es die Industrialisierung, die sie gen Westen lockte. Und auch heute noch muss, wer reich werden will oder auch nur teilhaben möchte am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, wegziehen aus der Stadt, nach Istanbul oder Ankara. Wer bleibt, fühlt sich abgehängt - nicht nur geographisch liegt Trabzon heute an der äußersten Peripherie der Türkei.

    Die Lage zwischen den Welten, zwischen Asien und Europa, zwischen Russland und Mittlerem Osten könnte die Stadt wieder zur Drehscheibe internationaler Kontakte werden lassen wie ehemals. Doch die Chancen, die der Fall des Eisernen Vorhangs und die Annäherung an Europa bieten, eröffnen sich den Menschen in Trabzon nur ganz allmählich.

    Neue Welten - oder: die Nataschas sind schuld
    Die europäischen Länder sind industrialisiert, sie sind entwickelt, Die Menschen dort sind wohlhabend. Aber die Beziehungen zwischen ihnen sind nicht so wie in der Türkei. Sie haben keinen Kontakt. Sie reden nicht miteinander. Wir sind wirtschaftlich noch nicht so entwickelt, aber menschlich ist unsere Situation besser.

    Nach dem Gebet hat sich Imam Yusuf Zeit genommen für einen Tee und ein Schwätzchen mit dem Fremden. Wir reden über Veränderungen. Über den Luxus und die Warenwelt. Über das Internet. Eine gute Erziehung, sagt er, sei ihm das Wichtigste. auf diesem Fundament könne selbst die weltweite Versuchung wenig anrichten. Aber die Jungs sollten nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm hocken. Sondern besser Sport treiben und Bücher lesen. Kommen sie zu ihm?

    " Die Jugendliche kommen schon in die Moschee, allerdings nicht sehr zahlreich. Eher die Älteren. Aber am Freitag kommen sie alle. "

    Veränderung. Überall. Ein mächtiger Bagger verteilt immense Felsbrocken am Meer. Lkw bringen ständig Nachschub. Steine so groß, dass oft nur ein einziger auf die Ladefläche passt. Die neue Uferbefestigung. Neben der neuen Schnellstraße. Teil der Ringautobahn, die eines Tages 7500 Kilometer rund ums Schwarze Meer führen soll. Spötter sagen: Früher lag Trabzon am Meer. Jetzt liegt es an der Autobahn.

    Aber Verkehrswege waren schon immer wichtig in diesem Grenzland. Für den Handel. Für den Krieg. Erst im 20. Jahrhundert geriet Trabzon in einen abgelegenen Winkel. Vieles kam zusammen: Griechischer Größenwahn, verkleidet als pan-hellenistischer Traum, ausagiert per Einmarsch in West-Anatolien. Und der erste Weltkrieg, der schließlich die Russen nach Trabzon brachte. Zum dritten Mal seit 1828. Als sie abzogen, schlossen sich - wie jedes Mal - tausende Griechen an. 1923 folgte, was die Türken beschönigend den "Austausch" nennen. Und die Griechen die "Katastrophe". Sie mussten gehen, verließen ihre Häuser und Höfe, ihre Kirchen, Klöster, Schulen, Banken und Geschäfte und gingen aufs Schiff.

    Dann teilte sich die Welt in West und Ost. Der eiserne Vorhang senkte sich. Und plötzlich war das mondäne Trabzon, das so stolz gewesen war auf seine fünf Theater, auf seine französischen, armenischen und griechischen Zeitungen, auf die vielen Konsulate - plötzlich war es ein Kaff.

    " Vor 25 Jahren gab es hier fast nichts. Seither sind viele neue Häuser und Geschäfte entstanden. Und die wirtschaftliche Lage der Ladenbesitzer hat sich immer mehr verbessert. Früher war hier alles schmutzig. Jetzt ist es ein ordentlicher Stadtteil. "

    Ahmet Bektas ist 45. Seit einem Vierteljahrhundert betreibt er seinen Juwelierladen in einer abschüssigen Gasse, die zum Hafen führt. Er hat eine beeindruckende Nase, eine sehr kräftige Stimme und einen Händedruck, der einem Schraubstock ähnelt. Ahmet Bektas ist praktizierender Moslem und Optimist. Er freut sich, dass die Geschäfte wieder zu laufen beginnen, nach Osten und gen Norden übers Meer. Eine Fähre fährt, nur ein paar Schritte von seinem Laden entfernt, direkt ins russische Sotchi.

    " Die Leute aus Russland und Georgien sind zuerst hier nach Çömlekçi gekommen. Sie haben sich ein Zimmer genommen und angefangen, mit den Geschäftsleuten hier Handel zu treiben. Wir haben durch sie Geld verdient. Alle haben daran verdient. Die Geschäftsleute von Çömlekçi haben den Gewinn in ihre Läden gesteckt. Und sind so von Jahr zu Jahr reicher geworden. "

    Offenheit, fallende Grenzen. So mag es der Geschäftsmann. Freier Handel. In möglichst alle Himmelsrichtungen.

    " Unsere Regeln und Gesetze, die haben wir alle geändert für die Europäische Union. Die Regierung und die Bevölkerung, alle streben in Richtung EU. Sonst geht doch gar nichts. Wenn die Türkei in die Europäische Union aufgenommen wird, läuft alles besser. "

    Ja. Ahmet ist ein glühender Verfechter der EU. Wir duzen uns jetzt schon. Der Boy hat mehrmals Tee gebracht. Auf einem dieser Tabletts mit Gestänge, die sie so elegant durch die Straßen schlenkern.

    Çömlekçi hat nicht den besten Ruf. Zwei lausige Herbergen gab es hier, als er seinen Laden eröffnete, erzählt Ahmet. Jetzt seien es bald hundert Hotels. Doch die meisten Absteigen dienen zuvörderst der Prostitution. Mit der Öffnung des Ostens kamen die "Nataschas", so nennen sie hier die Prostituierten aus Russland und Georgien. Man hört ihr kehliges Russisch beim Spaziergang entlang der Hafenpromenade. Man sieht sie in Lokalen sitzen, im Cafe Asya etwa, gleich um die Ecke vom Juwelierladen. Auf Kundschaft wartend, meist in Gruppen. Blonde oder zumindest blondierte Frauen, gelangweilt rauchend.

    Ein kleines Lokal. Vier wackelige Tische und ein paar Stühle. Plastikblumen. Aus dem silbrig glänzenden Ghettoblaster quillt Musik. Ein sehr robust wirkender Türke serviert überteuertes Mineralwasser. In der Ecke warten drei Blondinen, die Schminke wie Spachtelmasse ins Gesicht geklebt. Bald äußern sie den Wunsch, sich an den Tisch des Fremden zu gesellen und auch etwas zu trinken. Die Münder werden ein bisschen spitz dabei. Es sind, tatsächlich, Armenierinnen. Eine, sie nennt sich Emine, sagt, ihre Mutter sei in Berlin geboren.

    " Diese Nataschas sind hübsch. Blond und so weiter. Und die Männer hier waren interessiert. Einige wurden sexuell süchtig. Sie zwangen die Mädchen, Sex zu machen. "


    Der gute Moslem Ahmet hat sogar ein gutes Wort für die Nataschas. Über die ganz Trabzon nur schlecht redet. Die Ehefrauen vor allem. Es kursieren viele Geschichten von Männern, die sich verliebten in diese neuen Russinnen, sich ins Unglück stürzten. Für viele sind die Nataschas die Speerspitze einer verderblichen Moderne.

    " Als die Nataschas hierher kamen, sagt Ahmet, waren sie keine schlechten Menschen. Erst die Männer von Trabzon hätten sie in üble Dinge verwickelt. Das ist nun wohl auch etwas verzerrt. Aber es ehrt ihn, dass er sich für die verpönten Prostituierten in die Bresche wirft. Ahmet ist ein Gentleman. "



    Trabzon ist eine Stadt voller Widersprüche: sehr konservativ und traditionsbewusst einerseits, auf der anderen Seite - nicht zuletzt wegen der 40.000 Studenten: offen und jung. Die Bewohner sind verschlossen und gastfreundlich zugleich. Sind einerseits stolz auf ihre Geschichte. Und zugleich voller Minderwertigkeitsgefühle. Hin- und hergerissen zwischen Tradition und Moderne, zwischen Ost und West, zwischen Hoffnung und Verzweiflung.

    Identitätsstiftend ist in Trabzon allein: der lokale Fußballclub. Denn hier kann der sprichwörtliche Kampfgeist der Trabzoner zumindest auf sportlicher Ebene Erfolge verzeichnen. Der Wille zum Sieg ist bereits im Namen abzulesen: "Schwarzmeersturm" heißt der Fußballverein unter seinen Fans: Karadeniz Firtinasi. Doch auch international hat die Elf sich einen Namen gemacht: als Trabzonspor.




    Trabzonspor und seine Fans
    " Wir sind in Trabzon geboren und aufgewachsen. Für uns gibt es keinen andern Club als diesen. "

    Kübra und Sabiya, 16 und 18, stehen an der Kasse vor dem Stadion. Das sei wie eine Liebe, sagt Kübra.

    Fußball. Das ist das eindeutigste an diesem sonst so vieldeutigen Ort. Im B-Block klatscht sich eine Horde Fans warm. Schon vor dem Anpfiff stehen sie auf den roten und blauen Sitzschalen. Die Vereinsfarben, überall in der Stadt zu finden: Ein bräunliches Rot und ein helles Blau. Ein Fan, den ich traf, hatte sogar sein Haus so gestrichen.

    Die 19 649 Plätze sind heute eher mäßig besetzt. Kein wichtiges Spiel. Gençlerbirligi heißt der Gegner. Eher eine Abstiegstruppe. Das kleine Trabzon lebt von dem Mythos, die einzige wirkliche Bedrohung der drei großen, reichen, fetten Istanbuler Vereine zu sein, die auch diese Super-Liga am Ende wieder unter sich ausmachen werden: Galatasaray, Fenerbahçe, Besiktas. Trabzonspor. "Schwarzmeersturm". Das ist der Kult aller Underdogs.

    " Ich bin In Trabzon geboren. Trabzon hat eine Fußballmannschaft Trabzonspor. Und das steht für mich an erster Stelle. "

    Osman, 28 Jahre, Arbeiter, formuliert das unumstößliche Trabzoner Credo: Ich, Trabzon, Fußball. Wir.

    Das sei schon seit dem Großvater und dem Urgroßvater so.

    Immerhin: Dieser Club hat schon Liverpool und Barcelona geschlagen. Die Legende lebt noch. Mitte der 70er begann eine große Zeit. Da gewann Trabzonspor in zehn Jahren sechsmal die Liga. Und dreimal den türkischen Cup. Wenn sie nicht Erste waren, waren sie Zweite. Es gibt in Trabzon nichts, woran man sich lieber erinnert.

    " Das ist ein schönes Gefühl. Man kann das nicht erklären. Das macht mich einfach sehr glücklich. Auch wenn die auswärts spielen, in Istanbul oder sonst wo, ich bin dabei. "

    In einem lärmenden Duett feuern sich die Fans quer durchs Stadion an. Und brüllen, was Fans eben so brüllen: Dass Trabzon ihr Ein und Alles ist. Dass es außer der Liebe zu Trabzonspor letztlich nichts gibt auf dieser Welt. Und dass die Jungs endlich angreifen sollen.

    Denn es steht 0:0. Es bleibt bis zum Ende beim 0:0. Es ist, mit Verlaub, ein lausiges Spiel.

    " Wir sind halt normalerweise halt eine ganz große Mannschaft, also ich meine Trabzonspor. Vor zehn Jahren waren wir halt richtig ne große Mannschaft, "

    Herr Gül kommt aus Deutschland. Seit 1979 lebt er dort. Ein Selbstständiger am Bodensee. Er ist zu Besuch in der alten Heimat. Das Herz tut ihm ein bisschen weh.

    " Wir hoffen halt dass das nächstes Jahr ein bisschen besser wird und dass wir halt für ersten Platz spielen können. "

    Die Fans jedenfalls, sagt Herr Gül, seien immer noch gut drauf. Würden noch das letzte Geld für eine Eintrittskarte zusammenkratzen. Hier, in der wohl ärmsten Ecke der Türkei.

    " Geschäftlich läuft hier in Trabzon fast gar nicht. Also wir ernähren uns nur von Haselnuss und von Fisch ein bissel Also keine Firma und keine Fabrik und keine große Industrie. halt. "

    Nach dem Spiel im Fanshop neben dem Stadion. Ein Vater und sein siebenjähriger Sohn. Yahir und Emin. Der Kleine ist verzückt.

    Der Kleine sei ein fanatischer Anhänger, sagt der Vater mit einem Achselzucken. Er müsse ihm das kaufen. Ein Ball und eine Sporthose. Dumme Frage: Warum mag er Trabzonspor? Ich bin hier geboren. Deswegen, sagt der Kleine. Und stapft von dannen.

    Literatur

    Erendiz Atasü: Was bleibt. Aus: Das Lied des Meeres. Aus dem Türkischen übersetzt von Christel Schütte. Literaturca Verlag, Frankfurt am Main, 2004