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Fische nicht länger Versuchskaninchen

Sie ähnelt dem Goldfisch, kommt in Deutschland in vielen Seen vor, wird gern in privaten Teichen gehalten - und im Abwasser. Die Goldorfe gehört zu den besonders häufig eingesetztes Versuchstieren. Seit Jahrzehnten werden sie verwendet, um die Giftigkeit von Abwässern zu untersuchen, doch nun ist langsam Schluss damit. Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche die Abschaffung des Goldorfentests beschlossen, Schleswig-Holstein hat diesen Beschluss schon vorab in die Tat umgesetzt wird. Jasper Barenberg ist der Frage nachgegangen, ob mit der Abschaffung des Goldorfentests der Tierschutz wirklich verbessert wird.

Von Jasper Barenberg |
    Eingeführt wurden die Tests vor 30 Jahren, als in den Gewässern immer mehr tote Fische gefunden wurden. Seitdem werden Goldorfen überall in Deutschland in Abwasserproben gesetzt. Über die Kiemen nehmen sie eventuell enthaltene Gifte auf. Je nach Verdünnung und Schadstoffgehalt überleben die Fische – oder nicht. Auf diese Weise ließen allein in Schleswig-Holstein jedes Jahr mehr als 2000 Goldorfen ihr Leben, bundesweit sind es noch immer etwa 50.000. Ein Ende dieser Prozedur fordern Tierschützer schon lange. Und so ist Klaus Müller sichtlich zufrieden, als erster Landesumweltminister Vollzug melden zu können.

    Schleswig-Holstein, das Umweltministerium, hat bereits im vergangenen Jahr alle unteren Wasserbehörden darauf hingewiesen, dass Schluss sein soll damit. Angepeilt hatten wir Ende März. In einem Rundschreiben haben wir festgestellt, seit Anfang 2004 findet der so genannte Goldorfen-Test für die Gewässerqualität nicht mehr statt. Das heißt, hier müssen die Fische nicht mehr sterben.

    Biologische Tests aber wird es in Schleswig-Holstein auch weiterhin geben. Durch chemische Verfahren lassen sie sich nicht ersetzen. Statt der Fische werden jetzt ihre Eier verwendet. So auch im Labor für Umweltanalytik von Jörg Pahnke in Rendsburg.

    Der Fischei-Test wurde uns im letzten Jahr schon angekündigt als der Test, der demnächst einzusetzen sei. Und wir haben dort schon im letzten Jahr unsere Erfahrungen sammeln können. Und ab Januar dieses Jahres wird er also bei uns eingesetzt.

    Ein gutes Dutzend Zebra-Bärblinge hat der Biologe in einem kleinen Aquarium untergebracht – bei künstlicher Beleuchtung flitzen die gestreiften Winzlinge von einer Glaswand zur anderen.

    Es ist ein Schwarm-Fisch. Es sollen die Männchen immer überwiegen. Praktisch auf Zuruf legen die Weibchen der Eier! Er wird regelmäßig abgedeckt und sobald wird die Abdeckung abnehmen, innerhalb der nächsten halben Stunde werden die Eier abgelegt. Es geht sehr...ja: reibungslos!

    Bis zu achtzig Eier legt ein Zebra-Bärbling am Tag. Sie werden entnommen, in kleine Behälter gefüllt und mit dem Abwasser versetzt. Unter dem Mikroskop kann Dr. Pahnke dann innerhalb von zwei Tagen feststellen, ob sich die Eier normal entwickeln oder nicht. Worin aber liegt der Unterschied zwischen dem Test am lebenden Fisch und dem mit Fischeiern?

    Darüber streiten sich die Gelehrten. Der eine sieht nur in dem fertigen Fisch das Tier. Ein anderer, zu denen gehöre ich auch, sieht bereits in dem Ei ein Lebewesen. Und nach 48 Stunden ist ein kleiner Fisch da, den wir auch vernichten müssen.

    Denn nach Abschluss der Untersuchung wandern die Eier in den Mülleimer.

    Die kommen weg, ja.

    Dennoch hält der Biologe Pahnke die Umstellung des Testverfahrens für richtig.

    Sagen wir mal so: Es ist für uns ein besseres Gefühl! Ein fertiges Tier sieht man eher leiden als ein Fischei. Und insofern ist es angenehmer, mit diesen Fischeiern umzugehen.

    So argumentiert auch der Kieler Umweltminister. Klaus Müller hält den Ei-Test letztlich für das kleinere Übel.

    Ich glaube, der Unterschied ist ganz klar, dass ein Fisch natürlich ganz anders schmerzempfindlich ist, als das noch bei einem Fischei der Fall ist. Es ist auch bei einem Fischei nicht vollkommen unproblematisch, aber trotzdem ist die Bedeutung, auch das Schmerzpotential, die Frage des Umgangs, also auch ethische Fragen, bei einem Fisch ganz anders zu beurteilen.

    Zwei prinzipielle Argumente für die Abschaffung der Tests mit lebendigen Goldorfen führt der Minister ins Feld.

    Erstens das Grundgesetz, mit der Aufnahme des Tierschutzes, muss auch Konsequenzen haben. Das war nicht nur ein Schön-Wetter-Akt, sondern einer, der real die Welt verändern soll. Und zum anderen ist er auch inhaltlich einfach nicht mehr notwendig gewesen. Es gibt ein anderes Verfahren, was genauso gut ist aber was einfach das Sterben von Fischen vermeidet.

    Dieser Überzeugung hat sich inzwischen auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin angeschlossen. Das Kabinett in Berlin hat der Abschaffung der Fisch-Tests schon zugestimmt. Weil dafür aber einige Gesetze und Verordnungen geändert werden müssen, wird es wohl noch zwei Jahre dauern, bis in ganz Deutschland die kleinen Goldorfen aus den Labors verschwunden sind.