Sabine Adler: Herr Fischer, versöhnt Sie die Wahl von Barack Obama in dieser Woche - nach dieser fulminanten Nacht, die wir alle miterlebt haben. Versöhnt Sie diese Wahl mit den Vereinigten Staaten?
Joschka Fischer: Versöhnung wäre für mich persönlich der falsche Begriff, aber es ist eine große Hoffnung in Erfüllung gegangen. Es waren furchtbare acht Jahre unter Georg W. Bush. Ich gehörte zu denen damals mit dem Bundeskanzler, die recht früh den Irrweg im Irak abgelehnt haben. Wir haben viel Kritik auch hier im Inland dafür bekommen, aber wir waren überzeugt, das Richtige zu tun.
Es hat sich gezeigt, dass es acht verlorene Jahre waren, dass das Ansehen der USA beschädigt ist, die USA in einen unnötigen Krieg verwickelt sind, dass insgesamt das Standing der USA nach acht Jahren sehr viel schlechter ist als im Jahr 2000, als Georg W. Bush die Führung übernahm. Und am Schlimmsten von allem: Es hat ein Führungsvakuum gegeben, die führende Rolle der USA in der Welt ist durch keine andere Macht zu ersetzen.
Und jetzt haben wir eine Situation, dass die Amerikaner endlich - sage ich - eine Entscheidung getroffen haben, zurückzukehren in ihre traditionelle Rolle. Es wird nicht einfach für Barack Obama, dem gewählten Präsidenten, aber es ist möglich. Er kann es schaffen. Ich glaube, er wird ein starker Präsident werden.
Adler: Sie sagen, Versöhnung nicht. Wie sieht's mit der Beschreibung "Genugtuung" aus, sozusagen als deutsche Regierung, doch als eine der ersten - ja, quasi schon auch auf Konfrontation zu gehen mit Washington - so nach dem Motto…
Fischer: Nein, ich hätte mir gewünscht, es wäre anders gekommen. Schadenfreude kommt da bei mir überhaupt nicht auf, weil der Schaden viel zu groß ist. Ich hätte mir gewünscht, Bush hätte mehr Einsehen gehabt. Und selbst, nachdem der Krieg stattgefunden hat im Irak, haben wir ja versucht, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, sie zu überzeugen, dass mehr auf "UN-Grundlage" dann zu managen und die UN viel stärker hineinzuziehen. Das alles galt als "altes Denken", das wollte man nicht mehr.
Adler: Nun halten die Amerikaner sich zugute, und ja auch zu Recht, dass sie sehr wandlungsfähig sind. Steht jetzt eigentlich zu befürchten, dass das Pendel nun vermehrt oder sogar extrem in einer ganz anderen Richtung ausschlagen könnte?
Fischer: Also dass das Pendel sich jetzt wieder nach links bewegt - nach einem extremen rechten Ausschlag - ja. Dass Obama es zulassen wird, dass es extrem ausschlägt oder auch die demokratische Führung: Nein. Dazu sind die Erfahrungen der Clinton-Ära, auch die Fehler, die dort gemacht wurden, noch zu frisch.
Die Akteure der Clinton-Jahre sind noch da. Aber dass in den USA etwa die negative Überhöhung des Marktes, Entfesselung der Marktkräfte, wieder ausbalanciert werden wird, dass Regulierungen kein Schimpfwort mehr sind, dass die Frage eines ideologisch überhöhten Individualismus - jeder ist seines Glückes Schmied, und wenn Du eben nicht hochkommst, dann hast du Pech gehabt. Das wird sich festmachen an der Gesundheitsvorsorge, an der Gesundheitsversicherung, dass es gemeinsame Aufgaben gibt wie etwa den Klimaschutz. Und dass Barack Obama und die demokratische Partei genau in dem Punkt - den großen Wachstumsimpuls - vermutlich suchen werden in einer ökologischen Erneuerung der USA und dass man da relativ schnell Erfolge erzielen kann angesichts dessen, wie weit sie zurück sind - verglichen mit uns -, all das muss man in Rechnung stellen.
Aber das ist keine scharfe Linksverschiebung oder eine jetzt - wenn man so will - linke Kopie der ideologischen Blindheit der Bush-Jahre. Das wird es nicht geben.
Adler: Sie haben es gerade angesprochen, wir werden wahrscheinlich in dem neuen Regierungsteam von Barack Obama einige altbekannte Namen auch wiedertreffen, Namen, die Sie ja auch persönlich kennen - Madeleine Albright, in welcher Funktion auch immer, auch andere Berater aus der Clinton-Administration. Haben Sie das Gefühl, dass Sie möglicherweise doch ein paar Jahre zu früh aus der Politik ausgeschieden sind?
Fischer: Überhaupt nicht. Ein wichtiger Punkt ist - in dem Punkt war ich immer für Obama und nicht für Hillary: Einer der beiden Gründe für mich war, dass ich Obamas Charisma viel zugetraut habe, und ich hab den Vorwahlkampf noch in den USA erlebt in dem Jahr, in dem ich mit meiner Familie in Princeton, New Jersey lebte. Und das Zweite war: Ich war der Meinung als Angehöriger der Clinton-Generation - bei uns heißt das 68er, in den USA sind es die Baby-Boomer: Es ist Zeit für einen Generationenwechsel. Und das Alter fordert seinen Tribut, und das kann man auch ganz offen eingestehen. Das ist das Leben, und da sollte man meines Erachtens klug genug sein, beizeiten diesen Entwicklungen Raum zu geben, auch persönlich.
Adler: Nun wird ja natürlich nach dem furiosen Wahlkampf in den USA die Bundestagswahl auch automatisch damit verglichen, und das kann natürlich nur zu einer Enttäuschung führen, das wissen Sie, das wissen unsere Hörer.
Natürlich wird das nicht zu einer derartigen Mobilisierung führen. Ist ein Grund unter anderem dafür, dass eine solche Politikbegeisterung nicht ausbricht, möglicherweise auch, dass die Konflikte in Deutschland nicht so eklatant sind, dass die Lager nicht so tief gespalten sind, auch wenn wir zwischendurch ja glauben, dass sie tief gespalten sind.
Fischer: Nein, das sind sie so jedenfalls nicht. Das war vergleichbar - wenn Sie so wollen - mit 70er Jahren: Ostverträge, diese harte Konfrontation, die es in den USA zwischen rechts und links gibt, wo ja fast Feindschaft existiert. Das kann man in der Bundesrepublik 2008/2009 nun zwischen den politischen Lagern Gott sei Dank nicht feststellen. Insofern, als jemand, der die früheren Zeiten noch erlebt hat, kann ich nur sagen: Das muss man sich nicht wünschen, dass dieses zurückkehrt.
Zweitens: Ob die Themen weniger wichtig sind allerdings, das wage ich zu bezweifeln. Aus meiner Sicht wird die anrollende Wirtschaftskrise hier unterschätzt. Ich gehöre zu denen, die von der Performance der Bundesregierung und namentlich der Bundeskanzlerin in der Krisenbewältigung überhaupt nicht überzeugt sind. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun. In einer solchen Krise guckt alles auf die Nummer eins, und wenn die Nummer eins über die Schultern schaut, dann ist das nicht gut. Sondern da bedarf es eines festen Blicks nach vorne, einer starken Hand - und des Eindrucks zumindest, den sie vermitteln muss, dass sie weiß, in welche Richtung es gehen soll bei der Krisenbewältigung. Und ich persönlich war davon eher enttäuscht…
Adler: Was genau haben Sie vermisst?
Fischer: Ich habe vermisst, dass zum Beispiel die europäische Führungsaufgabe, die alle Europäer von Deutschland erwartet haben, nicht wahrgenommen wurde. Ich glaube, dass dieses Konjunkturprogramm jetzt ebenfalls zugeschneidert ist auf die übliche Dimension von Wachstumseinbruch und nicht auf das, was an realwirtschaftlichem Tsunami auf uns zurollt. Wenn Sie sich die Einbrüche in der Automobilindustrie und bei den Automobilzulieferern anschauen, und zwar nicht nur bei uns, sondern global, wenn Sie sich die anderen Wachstumseinbrüche anschauen, dann kann ich nur sagen: Das wird die Bundestagswahlen beeinflussen, ohne jeden Zweifel.
Und was wir haben, ist eben, dass sich - wenn Sie so wollen - diese Situation auf alle anderen Parteien auch überträgt. Es ist ja nicht so, dass man sagen kann: Die SPD überzeugt oder die Grünen überzeugen. All das, aus meiner Sicht - des Bürgers Fischer - ist nicht der Fall. So kommen dann Dinge wie Hessen und andere - wir werden ja auch in Ostdeutschland Wahlen haben und im Saarland drei oder vier Wochen vor den Bundestagswahlen, das heißt, der politische Kalender kann auch noch entsprechend Auswirkungen haben, die heute schwer vorherzusagen sind.
Der Einbruch der CSU - ist er zu Ende oder geht er weiter? Ich vermute eher, er wird weitergehen, die große Messlatte, die Europawahl im kommenden Frühjahr. Wenn die CSU aus dem Europaparlament rausfällt, was durchaus möglich ist, dann wird das wiederum auf die Machtbasis der Kanzlerin erodierende Folgen haben. Umgekehrt hat die SPD ihre Probleme, FDP und Grüne haben es versäumt, eine alternative Mitte aufzubauen, um so glaubhaft einen Wahlkampf gegen die große Koalition und für deren Ablösung zu machen.
Adler: Sie haben den Koalitionspartner SPD angesprochen. Peer Steinbrück, der Finanzminister, hat für sein Krisenmanagement relativ viel Applaus bekommen. Wen man nicht gehört hat in der ganzen Zeit war Ihr Nachfolger im Amt, den Kanzlerkandidaten der SPD Frank Walter Steinmeier. Welche Figur macht er? Ist er Ihnen zu leise?
Fischer: Na, auch bei Peer Steinbrück - er redet viel und muss dann die Dinge wieder zurücknehmen. Ich meine, sein Auftritt im Bundestag, wo er verkündet hat: "Die Finanzkrise ist nicht unser Problem" - ich weiß nicht, ob das klug war, also zumindest hat das nicht der Realität entsprochen. Ich möchte hier jetzt keinen Rundumschlag der Kritik machen, sondern ich beziehe mich nur auf die Unterschiede. Und Frank Walter Steinmeier als Außenminister stand hier nicht im Zentrum. Das war die Aufgabe des Finanzministers - und ich kenne das, eine schwierige Situation. Wenn ein Parteifreund dann hier die Hauptaufgabe hat, dann muss man sich auch zurückhalten. Ich habe das selber erlebt in Umweltfragen.
Adler: Frank Walter Steinmeier war nicht die Hauptfigur in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Fall Hessen, der in der zurückliegenden Woche ja wirklich für ein Donnerwetter gesorgt hat, ist er ebenfalls schweigsam geblieben. Als SPD-Kanzlerkandidat hätte er etwas sagen müssen. Finden Sie nicht?
Fischer: Also, das finde ich jetzt eine völlige Ablenkungsdiskussion. Die Frage ist: Wie war es möglich, dass Frau Ypsilanti den Karren zum zweiten Mal - eine fast schon serielle Täterschaft - gegen die Wand gefahren hat, und diesmal endgültig. Und das ist schon eine besondere Kunst.
Das erste Mal war zu Beginn, wo sie nicht abwarten konnte, anstatt die Dinge reifen zu lassen. Es war völlig klar, dass Roland Koch nach einem Einbruch von elf Prozent bei den Landtagswahlen nicht im Amt bleiben konnte. Sie hatte ganz offensichtlich ihre Abgeordneten nicht im Griff. Und jetzt war sie nicht in der Lage, ihre SPD zusammenzuhalten. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Parteiführung hätte da nicht viel machen können in Berlin, das halte ich jetzt für eine Nachbetrachtung, die mit der Realität wenig zu tun hat. Der entscheidende Fehler war offensichtlich, dass Frau Ypsilanti nicht in der Lage war, die internen Verhandlungen in der SPD-Fraktion, vor allen Dingen mit dem rechten Flügel und dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Walter so zu gestalten, dass die eingebunden waren. Das ist etwas, was ich ehrlich gesagt nicht verstehe. Das ist das Einmaleins der Koalitionsbildung und der parteiinternen Koalitionsbildung. Sie müssen ja immer Bündnisse schmieden in der demokratischen Politik - immer, und Bündnisse machen, auch und gerade mit Ihren Gegnern und mit denen, die Sie mitnehmen müssen, weil es nicht anders geht, die Sie nicht übergehen können und übergehen dürfen, weil Sie sonst ein Scheitern riskieren.
Und ganz offensichtlich sind hier Fehler gemacht worden, die einfach nicht zu verstehen sind. Nur, das wird weitgehende Konsequenzen haben. Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird das ja nicht nur die SPD treffen, sondern ich glaube generell die linke Seite des demokratischen Spektrums. Wie wollen die ihre Wähler wieder an die Wahlurne bekommen, mit welcher Perspektive, mit welcher Wahlaussage? Ich glaube, es wird alles richtig reinhauen, nicht nur bei der SPD, ich fürchte auch bei uns. Obwohl da niemand zu kritisieren ist bei uns.
Adler: Sie sagen, bei den Grünen gibt es nicht viel zu kritisieren. Man könnte, natürlich nicht an allererster Stelle bei der Ursachenforschung, aber irgendwann auch mal die Frage stellen, hat Tarek Al-Wazir vielleicht die Koalitionsverhandlung ein bisschen übertrieben, indem er alle Ziele durchgeboxt hat, so dass eben so jemand wie Jürgen Walter, der stellvertretende SPD-Landeschef, dann überhaupt nicht mehr mitgehen konnte?
Fischer: Nein. Jede Seite sagt natürlich: "Ach, was war ich toll" bei Koalitionsverhandlungen. Koalitionsverträge sind Kompromisse. Und insofern war völlig klar, Schwerpunkt bei den Grünen war, was die Ressortzuschnitte betraf, das Umwelt- und Energieministerium. Und schon das nicht klar vorher anzuvisieren seitens der sozialdemokratischen Landesvorsitzenden und nicht zu wissen, dass sie dann ihren Scheer wird drangeben zu müssen, weil wiederum ein starkes Wirtschaftsministerium für die SPD-Rechten gebraucht wird, das ist das Hessen-Einmaleins. Also, das ist überhaupt nichts Neues.
Die Grünen haben in der Flughafenfrage natürlich sehr schmerzhafte Kompromisse gemacht. Das abzustreiten entspräche nicht der Realität. Insofern war das eine SPD-interne Frage, die relativ einfach zu lösen gewesen wäre, meine ich. Es war ja früher ähnlich. Wir hatten immer das Problem eines rechten Flügels der Rot-Grünen. Ich wollte eine Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linksparteien - das gab es früher alles auch. Nur ist man da anders damit umgegangen.
Adler: Der Grüne Joschka Fischer im Interview der Woche. Herr Fischer, Sie haben auf die Vergangenheit abgezielt. Hessen ist ein besonderes, ich würde auch sagen, raues Pflaster. Die Töne, die man jetzt in dieser Woche gehört hat in der Auseinandersetzung, dass da von hinterlistigen Schweinen die Rede war - ist das mehr, als man selbst im rauen Hessen gewohnt ist?
Fischer: Na ja, was die SPD jetzt erlebt hat ist mehr, als man eigentlich in Hessen gewöhnt ist. Und dass da emotionale Äußerungen…
Adler: Auch, wie mit den Abweichlern umgegangen worden ist?
Fischer: Ist ja auch die Frage, warum die Abweichler sich erst im allerletzten Augenblick geoutet haben. Da saß der Oberabweichler mit am Verhandlungstisch die ganze Zeit. Also, unter erwachsenen Leuten wäre es eigentlich eine billige Forderung zu sagen, dass er recht früh zu seiner Vorsitzenden gegangen wäre und gesagt hätte: Hör zu, das wird nichts.
Adler: Noch mal zum rauen Ton.
Fischer: Es war eine starke, emotionale Auseinandersetzung in der SPD. Es ist kein rauer Ton im Landtag oder so gewesen, sondern innerhalb der SPD. Und da ist die Enttäuschung natürlich riesig, was ich auch verstehen kann.
Landesparteitage haben stattgefunden, Abgeordnete haben sich dafür eingesetzt, und die Mehrheit zählt nichts durch eine sehr kleine Minderheit, die sich verweigern, was vermutlich gar nicht so eine große Aufregung gemacht hätte, wenn sie nicht bis zum allerletzten Augenblick gewartet hätten. Das ist der entscheidende Punkt.
Also, das Ganze halte ich für atypisch. Und insofern können Sie daraus nicht auf den Umgangston in Hessen zurück schließen. Also, wenn analoge Vorgänge in anderen Ländern stattgefunden hätten, hätten Sie ähnliche Worte oder noch drastischere gehört.
Adler: Sie waren ja der erste grüne Umweltminister in Deutschland, eben in Hessen. Auf den nächsten grünen Umweltminister wird man in Hessen vermutlich ein bisschen länger warten müssen. Ist der Zug für Tarek Al-Wazir oder überhaupt für die Grünen in einer Regierungsbeteiligung jetzt eigentlich nur noch denkbar und machbar, wenn sie sich für Jamaika entscheiden, und werden sie es tun? Was denken Sie?
Fischer: Das weiß ich nicht, und da halte ich mich auch völlig raus. Ich sage es Ihnen offen. Mich sorgen eher die Nebeneffekte, die Folgen dieses Desasters von Frau Ypsilanti im Falle von Neuwahlen. Und da werden unsere Leute sich schon einige Gedanken machen müssen. Und das wird nicht auf Hessen begrenzt bleiben. Wenn man sich den Bundestagswahlkalender anschaut, und die gesamte Situation auf die Möglichkeit, dass die realwirtschaftliche Krise 2009 voll durchschlägt oder die hohe Wahrscheinlichkeit sogar, das alles kann für meine Partei zu einer sehr unbequemen Situation führen. Aber ich nehme an, die Parteiführungen in Land und Bund wissen das und arbeiten daran.
Adler: Nun gibt es ja auch die andere Lesart, die ja sagt, das war jetzt ein Ende. Eines mit Schrecken, aber es war ein Ende. Das Thema Linkspartei, das Zusammengehen der SPD mit der Linkspartei ist damit doch vielleicht nicht ein für allemal erledigt, wenn wir an die Landtagswahl in Thüringen denken beziehungsweise an das Saarland, aber für den Bund scheint es unwahrscheinlicher geworden zu sein. Das heißt, doch irgendein positiver Nebeneffekt aus Hessen?
Fischer: Nein. Ich teile das überhaupt nicht. Die SPD schleppt diese strategische Frage eigentlich seit der deutschen Einheit mit sich her. Kohl, da verdient er große Bewunderung, hat das ja damals als Vorsitzender der CDU schlicht gelöst. Die Blockparteien waren, genau so wie die SED, Teil des kommunistischen Herrschaftsregimes, also die Ost-CDU und die Bauernpartei. Und da hieß es ganz einfach 'Geld abliefern', und dann bekamen sie ein Aschekreuz auf das Haupt und waren fortan gute christliche Abendländer.
Und die SPD hat sich sehr schwer damit getan. Und ich denke, es war nach wie vor ein großer Fehler, dann die PDS/SED entstehen zu lassen und die PDS und jetzt die Linkspartei, vor allen Dingen in den neuen Bundesländern. Sie wird die strategische Frage "Wie hältst du es mit denen" nicht loswerden. Und sie wird das entscheiden müssen und auch durchexerzieren müssen. Das einzige erfolgreiche Modell, wo die SPD die Linkspartei erfolgreich eingebunden hat und die Linkspartei sich bei den letzten Wahlen fast halbiert hat, war Berlin.
Und vermutlich wäre mein Rat - aber ich glaube nicht, dass es meine Aufgabe ist, da Ratschläge zu erteilen - aber es wird kein Weg daran vorbei führen, diese strategische Debatte zu führen und zu entscheiden. Und man braucht ja auch keine Angst mehr zu haben vor 'Rote-Socken-Kampagnen' oder Ähnliches. Alle Umfragen zeigen: Das ist Vergangenheit.
Adler: Wenn die SPD so ein schwacher Partner ist und Sie doch nicht zum ersten Mal lobende Worte für Helmut Kohl gefunden haben, wäre es nicht auch eine Option für die Grünen, mit der Union zusammen zu gehen?
Fischer: Also, das Lob für Helmut Kohl war gerade ein machtpolitisch-ironisches. Und das einzige, was ich an Helmut Kohl immer gelobt habe, war seine Europapolitik. Aber das war kein Grund, mit ihm zusammenzugehen, sondern das hat uns nicht davon abgehalten, und mich auch nicht, alles zu tun, um ihm als Bundeskanzler die Mehrheit zu nehmen und damit eine andere Koalition zu ermöglichen.
Nein, ich bin Rot-Grüner. In Hamburg regiert die Grüne Partei mit der CDU. In einem Fünf-Parteien-Parlament werden andere Konstellationen notwendig sein. Das war einer der Gründe, nicht der Hauptgrund, der einer der Gründe, warum ich aufhören wollte. Ich bin Rot-Grüner und ich bin zu alt, um mich da nochmals zu ändern. Es wird nicht einfach werden mit der Union auf Landesebene. Das hat Hamburg gezeigt. Das müsste dann jetzt die strategische Debatte in der Partei zeigen, in welche Richtung sie geht. Aber das ist nicht mehr meine Aufgabe. Und meine Haltung dazu ist klar: Für mich galt Rot-Grün, und das sehe ich auf absehbare Zeit nicht, dass das eine echte Machtperspektive ist.
Adler: Kommen wir noch mal auf den Bundestagswahlkampf zurück. Wenn wir den Blick über den Teich sozusagen wagen, war ja eines festzustellen, dass gerade die Nichtwähler derartig mobilisiert werden konnten durch den Wahlkampf von Barack Obama:
Fischer: Jetzt machen Sie schon wieder den Vergleich Deutschland-USA, der völlig in die Irre führt, weil bei uns eine Wahlbeteiligung auf Bundesebene von 60 Prozent eine Katastrophe wäre. Jetzt machen Sie schon wieder den Fehler vieler Korrespondenten, Deutschland, das Sie vielleicht mit Kalifornien vergleichen könnten, mit diesen USA zu vergleichen. Das ist ein Kontinent mit ich weiß nicht wie vielen Zeitzonen, wo Sie…
Adler: Ich muss jetzt trotzdem mal den Gedanken zu Ende führen, denn vielleicht ist das gar nicht so abwegig, das jetzt angesprochen zu haben: Die Nichtwähler. Wenn wir uns anschauen, wenn Menschen begeistert werden sollen von Politik, so dass sie wieder zur Wahl gehen, so braucht es…
Fischer: Sie können Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen bekommen selbst mit langweiligen Spitzenfiguren.
Adler: …und wenn wir einen interessanten Wahlkampf bekommen, in dem Leute tatsächlich mit Spannung den Debatten folgen und so weiter, braucht es dann ein attraktiveres Führungspersonal in der Politik?
Fischer: Nein. Nein, weil Sie bei Bundestagswahlen immer im Bereich bei 70-80 Prozent liegen. Und das hängt nicht nur sozusagen vom Charisma des Personals ab, sondern auch von den Themen, um die es geht. Die Wahl etwa um die Ostverträge. Da war eine hohe Mobilisierung. Die war da, das war mit den Händen zu greifen. Auch die Wahlen, an denen ich aktiv teilgenommen habe bei Bundestagswahlen, hatten immer einen höheren Mobilisierungseffekt, weil die Menschen nicht dumm sind. Sie wissen, da geht es um sehr viel. Da geht es um die Zukunft der eigenen Kinder, da geht es um den Wohlstand, um die innere und äußere Sicherheit. Da ist eine wesentlich höhere Mobilisierungsrate als etwa auf Landesebene.
Auf Länderebene liegt das einfach drunter, auf kommunaler Ebene teilweise noch mehr darunter. Das glaube ich lieg nicht an der Frage von Personen. Wenn es dann noch spannende Personen gibt, die zuzuspitzen in der Lage sind, die also nochmals Mobilisierungseffekte bringen, aber wenn das im Zwei-bis-Drei-Prozent-Bereich liegt, ist das viel.
Adler: Das Personal der Bundesregierung muss jetzt etwas tun, nämlich schon in der nächsten Woche zur neuen zukünftigen Administration zu gehen, Kontakte aufzunehmen und sich sicherlich darüber auszutauschen, was das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA beziehungsweise Europa als nächstes bestimmen wird, was man da verändern, vielleicht auch nachjustieren kann. Welche Fragen würden Sie - Sie haben gesagt, Sie sind raus aus der Politik, wollen auch nicht mehr rein, aber Sie beobachten ja, sind ein Amerika-Kenner nach Ihrem Aufenthalt spätestens in den USA ein Jahr lang - welche Fragen halten Sie für so vordringlich, dass Sie sagen, da muss man wirklich als allererstes auf die Kollegen zugehen?
Fischer: Ich denke, das liegt offen auf dem Tisch. Vielleicht wird sich die Kanzlerin jetzt fragen, ob es nicht doch etwas kleinkariert war, Obama den Auftritt am Brandenburger Tor zu untersagen. Das Argument, man könne da nicht Wahlkampf machen, ist natürlich absurd. Schröder und Fischer haben dort Wahlkampf gemacht im Jahre 2002 mit einer richtig guten Abschlusskundgebung.
Aber es wird keine Rolle mehr spielen. Es wird um die Finanzkrise gehen, um die Frage der internationalen Regulierung und Überwachung. Es wird um viele Regionalkrisen gehen, ohne jeden Zweifel um den Nahen und Mittleren Osten, das Verhältnis zu Russland. Obama wird auf der einen Seite, denke ich, unter all diesen Gesichtspunkten eine Politik des Dialogs, des Zuhörens, des miteinander Redens, miteinander Entscheidens verfolgen. Aber dann wird er auch das miteinander Umsetzen verlangen. Und das wird in Afghanistan die Bundesregierung noch vor einige Probleme stellen. Man wird sich rausreden können, das können sie innenpolitisch im Wahljahr nicht machen. Aber spätestens nach den nächsten Bundestagswahlen gibt es dann keine Ausflüchte mehr.
Ich finde, wir haben da eine Chance vertan, 2006, als die Kanadier im Süden Afghanistans unter Druck gerieten, als Petersberg-Garantiemacht - wir sitzen hier ja auf dem Petersberg bei Bonn bei diesem Interview - als Petersberg-Garantiemacht. Dort wurde die afghanische Nachkriegsordnung verhandelt im Winter 2001. Wir haben eine Chance versäumt, hier einen Neuanfang zu organisieren. Hätte die Bundesregierung damals gesagt, wir sind bereit, unsere nationalen Vorbehalte zu überdenken und auch Soldaten in den Süden zu schicken, wenn es notwendig ist, wenn wir eine politische Erfolgsstrategie im Bündnis vereinbaren. Und wenn alles auf den Tisch kommt, auch die amerikanische Strategie, die ich für dringend überprüfungsbedürftig halte, allerdings auch unsere.
Adler: Was müsste Deutschland anders machen Ihrer Meinung nach in Afghanistan, vielleicht auch in Bezug auf Pakistan?
Fischer: Deutschland allein nichts. Das Bündnis. Ich denke, dass gerade eine gemeinsame Strategie, die Pakistan und Afghanistan betrifft, dringend notwendig ist. Auch die Einbindung Chinas und Indiens ist heute unverzichtbar.
Adler: Herr Fischer, Sie haben hier im Interview der Woche vom Deutschlandfunk mehrmals auf Ihr Alter abgehoben. Nun sind Sie gerade mal 60. John McCain, wir erinnern uns, ist 72. Ziehen Sie sich nicht ein bisschen zu früh auf Ihr Alter zurück und enthalten Ihre außenpolitische, innenpolitische und überhaupt politische Erfahrung Ihrer Partei vor?
Fischer: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meiner Partei etwas vorenthalte. Im Gegenteil, das ist eine individuelle Entscheidung. Und diese individuelle Entscheidung habe ich mehrfach begründet. Ich bin gewiss zu jung, um aufzuhören, aber zu alt, um nochmals ein neues Projekt anzufangen. Für mich war Rot-Grün nie nur eine Koalition, es war ein Projekt. Ein neues Projekt zu beginnen, dazu bin ich mit 60 schon zu alt, nicht nur, was die Lebensperspektive betrifft, sondern auch die Energie, die man in sich trägt. Und nur in der Politik zu bleiben, weil einem nichts Besseres mehr einfällt, das ist nicht meine Sache.
Adler: Jedenfalls Dankeschön für Ihre Energie für dieses Interview. Besten Dank, Herr Fischer.
Joschka Fischer: Versöhnung wäre für mich persönlich der falsche Begriff, aber es ist eine große Hoffnung in Erfüllung gegangen. Es waren furchtbare acht Jahre unter Georg W. Bush. Ich gehörte zu denen damals mit dem Bundeskanzler, die recht früh den Irrweg im Irak abgelehnt haben. Wir haben viel Kritik auch hier im Inland dafür bekommen, aber wir waren überzeugt, das Richtige zu tun.
Es hat sich gezeigt, dass es acht verlorene Jahre waren, dass das Ansehen der USA beschädigt ist, die USA in einen unnötigen Krieg verwickelt sind, dass insgesamt das Standing der USA nach acht Jahren sehr viel schlechter ist als im Jahr 2000, als Georg W. Bush die Führung übernahm. Und am Schlimmsten von allem: Es hat ein Führungsvakuum gegeben, die führende Rolle der USA in der Welt ist durch keine andere Macht zu ersetzen.
Und jetzt haben wir eine Situation, dass die Amerikaner endlich - sage ich - eine Entscheidung getroffen haben, zurückzukehren in ihre traditionelle Rolle. Es wird nicht einfach für Barack Obama, dem gewählten Präsidenten, aber es ist möglich. Er kann es schaffen. Ich glaube, er wird ein starker Präsident werden.
Adler: Sie sagen, Versöhnung nicht. Wie sieht's mit der Beschreibung "Genugtuung" aus, sozusagen als deutsche Regierung, doch als eine der ersten - ja, quasi schon auch auf Konfrontation zu gehen mit Washington - so nach dem Motto…
Fischer: Nein, ich hätte mir gewünscht, es wäre anders gekommen. Schadenfreude kommt da bei mir überhaupt nicht auf, weil der Schaden viel zu groß ist. Ich hätte mir gewünscht, Bush hätte mehr Einsehen gehabt. Und selbst, nachdem der Krieg stattgefunden hat im Irak, haben wir ja versucht, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, sie zu überzeugen, dass mehr auf "UN-Grundlage" dann zu managen und die UN viel stärker hineinzuziehen. Das alles galt als "altes Denken", das wollte man nicht mehr.
Adler: Nun halten die Amerikaner sich zugute, und ja auch zu Recht, dass sie sehr wandlungsfähig sind. Steht jetzt eigentlich zu befürchten, dass das Pendel nun vermehrt oder sogar extrem in einer ganz anderen Richtung ausschlagen könnte?
Fischer: Also dass das Pendel sich jetzt wieder nach links bewegt - nach einem extremen rechten Ausschlag - ja. Dass Obama es zulassen wird, dass es extrem ausschlägt oder auch die demokratische Führung: Nein. Dazu sind die Erfahrungen der Clinton-Ära, auch die Fehler, die dort gemacht wurden, noch zu frisch.
Die Akteure der Clinton-Jahre sind noch da. Aber dass in den USA etwa die negative Überhöhung des Marktes, Entfesselung der Marktkräfte, wieder ausbalanciert werden wird, dass Regulierungen kein Schimpfwort mehr sind, dass die Frage eines ideologisch überhöhten Individualismus - jeder ist seines Glückes Schmied, und wenn Du eben nicht hochkommst, dann hast du Pech gehabt. Das wird sich festmachen an der Gesundheitsvorsorge, an der Gesundheitsversicherung, dass es gemeinsame Aufgaben gibt wie etwa den Klimaschutz. Und dass Barack Obama und die demokratische Partei genau in dem Punkt - den großen Wachstumsimpuls - vermutlich suchen werden in einer ökologischen Erneuerung der USA und dass man da relativ schnell Erfolge erzielen kann angesichts dessen, wie weit sie zurück sind - verglichen mit uns -, all das muss man in Rechnung stellen.
Aber das ist keine scharfe Linksverschiebung oder eine jetzt - wenn man so will - linke Kopie der ideologischen Blindheit der Bush-Jahre. Das wird es nicht geben.
Adler: Sie haben es gerade angesprochen, wir werden wahrscheinlich in dem neuen Regierungsteam von Barack Obama einige altbekannte Namen auch wiedertreffen, Namen, die Sie ja auch persönlich kennen - Madeleine Albright, in welcher Funktion auch immer, auch andere Berater aus der Clinton-Administration. Haben Sie das Gefühl, dass Sie möglicherweise doch ein paar Jahre zu früh aus der Politik ausgeschieden sind?
Fischer: Überhaupt nicht. Ein wichtiger Punkt ist - in dem Punkt war ich immer für Obama und nicht für Hillary: Einer der beiden Gründe für mich war, dass ich Obamas Charisma viel zugetraut habe, und ich hab den Vorwahlkampf noch in den USA erlebt in dem Jahr, in dem ich mit meiner Familie in Princeton, New Jersey lebte. Und das Zweite war: Ich war der Meinung als Angehöriger der Clinton-Generation - bei uns heißt das 68er, in den USA sind es die Baby-Boomer: Es ist Zeit für einen Generationenwechsel. Und das Alter fordert seinen Tribut, und das kann man auch ganz offen eingestehen. Das ist das Leben, und da sollte man meines Erachtens klug genug sein, beizeiten diesen Entwicklungen Raum zu geben, auch persönlich.
Adler: Nun wird ja natürlich nach dem furiosen Wahlkampf in den USA die Bundestagswahl auch automatisch damit verglichen, und das kann natürlich nur zu einer Enttäuschung führen, das wissen Sie, das wissen unsere Hörer.
Natürlich wird das nicht zu einer derartigen Mobilisierung führen. Ist ein Grund unter anderem dafür, dass eine solche Politikbegeisterung nicht ausbricht, möglicherweise auch, dass die Konflikte in Deutschland nicht so eklatant sind, dass die Lager nicht so tief gespalten sind, auch wenn wir zwischendurch ja glauben, dass sie tief gespalten sind.
Fischer: Nein, das sind sie so jedenfalls nicht. Das war vergleichbar - wenn Sie so wollen - mit 70er Jahren: Ostverträge, diese harte Konfrontation, die es in den USA zwischen rechts und links gibt, wo ja fast Feindschaft existiert. Das kann man in der Bundesrepublik 2008/2009 nun zwischen den politischen Lagern Gott sei Dank nicht feststellen. Insofern, als jemand, der die früheren Zeiten noch erlebt hat, kann ich nur sagen: Das muss man sich nicht wünschen, dass dieses zurückkehrt.
Zweitens: Ob die Themen weniger wichtig sind allerdings, das wage ich zu bezweifeln. Aus meiner Sicht wird die anrollende Wirtschaftskrise hier unterschätzt. Ich gehöre zu denen, die von der Performance der Bundesregierung und namentlich der Bundeskanzlerin in der Krisenbewältigung überhaupt nicht überzeugt sind. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun. In einer solchen Krise guckt alles auf die Nummer eins, und wenn die Nummer eins über die Schultern schaut, dann ist das nicht gut. Sondern da bedarf es eines festen Blicks nach vorne, einer starken Hand - und des Eindrucks zumindest, den sie vermitteln muss, dass sie weiß, in welche Richtung es gehen soll bei der Krisenbewältigung. Und ich persönlich war davon eher enttäuscht…
Adler: Was genau haben Sie vermisst?
Fischer: Ich habe vermisst, dass zum Beispiel die europäische Führungsaufgabe, die alle Europäer von Deutschland erwartet haben, nicht wahrgenommen wurde. Ich glaube, dass dieses Konjunkturprogramm jetzt ebenfalls zugeschneidert ist auf die übliche Dimension von Wachstumseinbruch und nicht auf das, was an realwirtschaftlichem Tsunami auf uns zurollt. Wenn Sie sich die Einbrüche in der Automobilindustrie und bei den Automobilzulieferern anschauen, und zwar nicht nur bei uns, sondern global, wenn Sie sich die anderen Wachstumseinbrüche anschauen, dann kann ich nur sagen: Das wird die Bundestagswahlen beeinflussen, ohne jeden Zweifel.
Und was wir haben, ist eben, dass sich - wenn Sie so wollen - diese Situation auf alle anderen Parteien auch überträgt. Es ist ja nicht so, dass man sagen kann: Die SPD überzeugt oder die Grünen überzeugen. All das, aus meiner Sicht - des Bürgers Fischer - ist nicht der Fall. So kommen dann Dinge wie Hessen und andere - wir werden ja auch in Ostdeutschland Wahlen haben und im Saarland drei oder vier Wochen vor den Bundestagswahlen, das heißt, der politische Kalender kann auch noch entsprechend Auswirkungen haben, die heute schwer vorherzusagen sind.
Der Einbruch der CSU - ist er zu Ende oder geht er weiter? Ich vermute eher, er wird weitergehen, die große Messlatte, die Europawahl im kommenden Frühjahr. Wenn die CSU aus dem Europaparlament rausfällt, was durchaus möglich ist, dann wird das wiederum auf die Machtbasis der Kanzlerin erodierende Folgen haben. Umgekehrt hat die SPD ihre Probleme, FDP und Grüne haben es versäumt, eine alternative Mitte aufzubauen, um so glaubhaft einen Wahlkampf gegen die große Koalition und für deren Ablösung zu machen.
Adler: Sie haben den Koalitionspartner SPD angesprochen. Peer Steinbrück, der Finanzminister, hat für sein Krisenmanagement relativ viel Applaus bekommen. Wen man nicht gehört hat in der ganzen Zeit war Ihr Nachfolger im Amt, den Kanzlerkandidaten der SPD Frank Walter Steinmeier. Welche Figur macht er? Ist er Ihnen zu leise?
Fischer: Na, auch bei Peer Steinbrück - er redet viel und muss dann die Dinge wieder zurücknehmen. Ich meine, sein Auftritt im Bundestag, wo er verkündet hat: "Die Finanzkrise ist nicht unser Problem" - ich weiß nicht, ob das klug war, also zumindest hat das nicht der Realität entsprochen. Ich möchte hier jetzt keinen Rundumschlag der Kritik machen, sondern ich beziehe mich nur auf die Unterschiede. Und Frank Walter Steinmeier als Außenminister stand hier nicht im Zentrum. Das war die Aufgabe des Finanzministers - und ich kenne das, eine schwierige Situation. Wenn ein Parteifreund dann hier die Hauptaufgabe hat, dann muss man sich auch zurückhalten. Ich habe das selber erlebt in Umweltfragen.
Adler: Frank Walter Steinmeier war nicht die Hauptfigur in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Fall Hessen, der in der zurückliegenden Woche ja wirklich für ein Donnerwetter gesorgt hat, ist er ebenfalls schweigsam geblieben. Als SPD-Kanzlerkandidat hätte er etwas sagen müssen. Finden Sie nicht?
Fischer: Also, das finde ich jetzt eine völlige Ablenkungsdiskussion. Die Frage ist: Wie war es möglich, dass Frau Ypsilanti den Karren zum zweiten Mal - eine fast schon serielle Täterschaft - gegen die Wand gefahren hat, und diesmal endgültig. Und das ist schon eine besondere Kunst.
Das erste Mal war zu Beginn, wo sie nicht abwarten konnte, anstatt die Dinge reifen zu lassen. Es war völlig klar, dass Roland Koch nach einem Einbruch von elf Prozent bei den Landtagswahlen nicht im Amt bleiben konnte. Sie hatte ganz offensichtlich ihre Abgeordneten nicht im Griff. Und jetzt war sie nicht in der Lage, ihre SPD zusammenzuhalten. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Parteiführung hätte da nicht viel machen können in Berlin, das halte ich jetzt für eine Nachbetrachtung, die mit der Realität wenig zu tun hat. Der entscheidende Fehler war offensichtlich, dass Frau Ypsilanti nicht in der Lage war, die internen Verhandlungen in der SPD-Fraktion, vor allen Dingen mit dem rechten Flügel und dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Walter so zu gestalten, dass die eingebunden waren. Das ist etwas, was ich ehrlich gesagt nicht verstehe. Das ist das Einmaleins der Koalitionsbildung und der parteiinternen Koalitionsbildung. Sie müssen ja immer Bündnisse schmieden in der demokratischen Politik - immer, und Bündnisse machen, auch und gerade mit Ihren Gegnern und mit denen, die Sie mitnehmen müssen, weil es nicht anders geht, die Sie nicht übergehen können und übergehen dürfen, weil Sie sonst ein Scheitern riskieren.
Und ganz offensichtlich sind hier Fehler gemacht worden, die einfach nicht zu verstehen sind. Nur, das wird weitgehende Konsequenzen haben. Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird das ja nicht nur die SPD treffen, sondern ich glaube generell die linke Seite des demokratischen Spektrums. Wie wollen die ihre Wähler wieder an die Wahlurne bekommen, mit welcher Perspektive, mit welcher Wahlaussage? Ich glaube, es wird alles richtig reinhauen, nicht nur bei der SPD, ich fürchte auch bei uns. Obwohl da niemand zu kritisieren ist bei uns.
Adler: Sie sagen, bei den Grünen gibt es nicht viel zu kritisieren. Man könnte, natürlich nicht an allererster Stelle bei der Ursachenforschung, aber irgendwann auch mal die Frage stellen, hat Tarek Al-Wazir vielleicht die Koalitionsverhandlung ein bisschen übertrieben, indem er alle Ziele durchgeboxt hat, so dass eben so jemand wie Jürgen Walter, der stellvertretende SPD-Landeschef, dann überhaupt nicht mehr mitgehen konnte?
Fischer: Nein. Jede Seite sagt natürlich: "Ach, was war ich toll" bei Koalitionsverhandlungen. Koalitionsverträge sind Kompromisse. Und insofern war völlig klar, Schwerpunkt bei den Grünen war, was die Ressortzuschnitte betraf, das Umwelt- und Energieministerium. Und schon das nicht klar vorher anzuvisieren seitens der sozialdemokratischen Landesvorsitzenden und nicht zu wissen, dass sie dann ihren Scheer wird drangeben zu müssen, weil wiederum ein starkes Wirtschaftsministerium für die SPD-Rechten gebraucht wird, das ist das Hessen-Einmaleins. Also, das ist überhaupt nichts Neues.
Die Grünen haben in der Flughafenfrage natürlich sehr schmerzhafte Kompromisse gemacht. Das abzustreiten entspräche nicht der Realität. Insofern war das eine SPD-interne Frage, die relativ einfach zu lösen gewesen wäre, meine ich. Es war ja früher ähnlich. Wir hatten immer das Problem eines rechten Flügels der Rot-Grünen. Ich wollte eine Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linksparteien - das gab es früher alles auch. Nur ist man da anders damit umgegangen.
Adler: Der Grüne Joschka Fischer im Interview der Woche. Herr Fischer, Sie haben auf die Vergangenheit abgezielt. Hessen ist ein besonderes, ich würde auch sagen, raues Pflaster. Die Töne, die man jetzt in dieser Woche gehört hat in der Auseinandersetzung, dass da von hinterlistigen Schweinen die Rede war - ist das mehr, als man selbst im rauen Hessen gewohnt ist?
Fischer: Na ja, was die SPD jetzt erlebt hat ist mehr, als man eigentlich in Hessen gewöhnt ist. Und dass da emotionale Äußerungen…
Adler: Auch, wie mit den Abweichlern umgegangen worden ist?
Fischer: Ist ja auch die Frage, warum die Abweichler sich erst im allerletzten Augenblick geoutet haben. Da saß der Oberabweichler mit am Verhandlungstisch die ganze Zeit. Also, unter erwachsenen Leuten wäre es eigentlich eine billige Forderung zu sagen, dass er recht früh zu seiner Vorsitzenden gegangen wäre und gesagt hätte: Hör zu, das wird nichts.
Adler: Noch mal zum rauen Ton.
Fischer: Es war eine starke, emotionale Auseinandersetzung in der SPD. Es ist kein rauer Ton im Landtag oder so gewesen, sondern innerhalb der SPD. Und da ist die Enttäuschung natürlich riesig, was ich auch verstehen kann.
Landesparteitage haben stattgefunden, Abgeordnete haben sich dafür eingesetzt, und die Mehrheit zählt nichts durch eine sehr kleine Minderheit, die sich verweigern, was vermutlich gar nicht so eine große Aufregung gemacht hätte, wenn sie nicht bis zum allerletzten Augenblick gewartet hätten. Das ist der entscheidende Punkt.
Also, das Ganze halte ich für atypisch. Und insofern können Sie daraus nicht auf den Umgangston in Hessen zurück schließen. Also, wenn analoge Vorgänge in anderen Ländern stattgefunden hätten, hätten Sie ähnliche Worte oder noch drastischere gehört.
Adler: Sie waren ja der erste grüne Umweltminister in Deutschland, eben in Hessen. Auf den nächsten grünen Umweltminister wird man in Hessen vermutlich ein bisschen länger warten müssen. Ist der Zug für Tarek Al-Wazir oder überhaupt für die Grünen in einer Regierungsbeteiligung jetzt eigentlich nur noch denkbar und machbar, wenn sie sich für Jamaika entscheiden, und werden sie es tun? Was denken Sie?
Fischer: Das weiß ich nicht, und da halte ich mich auch völlig raus. Ich sage es Ihnen offen. Mich sorgen eher die Nebeneffekte, die Folgen dieses Desasters von Frau Ypsilanti im Falle von Neuwahlen. Und da werden unsere Leute sich schon einige Gedanken machen müssen. Und das wird nicht auf Hessen begrenzt bleiben. Wenn man sich den Bundestagswahlkalender anschaut, und die gesamte Situation auf die Möglichkeit, dass die realwirtschaftliche Krise 2009 voll durchschlägt oder die hohe Wahrscheinlichkeit sogar, das alles kann für meine Partei zu einer sehr unbequemen Situation führen. Aber ich nehme an, die Parteiführungen in Land und Bund wissen das und arbeiten daran.
Adler: Nun gibt es ja auch die andere Lesart, die ja sagt, das war jetzt ein Ende. Eines mit Schrecken, aber es war ein Ende. Das Thema Linkspartei, das Zusammengehen der SPD mit der Linkspartei ist damit doch vielleicht nicht ein für allemal erledigt, wenn wir an die Landtagswahl in Thüringen denken beziehungsweise an das Saarland, aber für den Bund scheint es unwahrscheinlicher geworden zu sein. Das heißt, doch irgendein positiver Nebeneffekt aus Hessen?
Fischer: Nein. Ich teile das überhaupt nicht. Die SPD schleppt diese strategische Frage eigentlich seit der deutschen Einheit mit sich her. Kohl, da verdient er große Bewunderung, hat das ja damals als Vorsitzender der CDU schlicht gelöst. Die Blockparteien waren, genau so wie die SED, Teil des kommunistischen Herrschaftsregimes, also die Ost-CDU und die Bauernpartei. Und da hieß es ganz einfach 'Geld abliefern', und dann bekamen sie ein Aschekreuz auf das Haupt und waren fortan gute christliche Abendländer.
Und die SPD hat sich sehr schwer damit getan. Und ich denke, es war nach wie vor ein großer Fehler, dann die PDS/SED entstehen zu lassen und die PDS und jetzt die Linkspartei, vor allen Dingen in den neuen Bundesländern. Sie wird die strategische Frage "Wie hältst du es mit denen" nicht loswerden. Und sie wird das entscheiden müssen und auch durchexerzieren müssen. Das einzige erfolgreiche Modell, wo die SPD die Linkspartei erfolgreich eingebunden hat und die Linkspartei sich bei den letzten Wahlen fast halbiert hat, war Berlin.
Und vermutlich wäre mein Rat - aber ich glaube nicht, dass es meine Aufgabe ist, da Ratschläge zu erteilen - aber es wird kein Weg daran vorbei führen, diese strategische Debatte zu führen und zu entscheiden. Und man braucht ja auch keine Angst mehr zu haben vor 'Rote-Socken-Kampagnen' oder Ähnliches. Alle Umfragen zeigen: Das ist Vergangenheit.
Adler: Wenn die SPD so ein schwacher Partner ist und Sie doch nicht zum ersten Mal lobende Worte für Helmut Kohl gefunden haben, wäre es nicht auch eine Option für die Grünen, mit der Union zusammen zu gehen?
Fischer: Also, das Lob für Helmut Kohl war gerade ein machtpolitisch-ironisches. Und das einzige, was ich an Helmut Kohl immer gelobt habe, war seine Europapolitik. Aber das war kein Grund, mit ihm zusammenzugehen, sondern das hat uns nicht davon abgehalten, und mich auch nicht, alles zu tun, um ihm als Bundeskanzler die Mehrheit zu nehmen und damit eine andere Koalition zu ermöglichen.
Nein, ich bin Rot-Grüner. In Hamburg regiert die Grüne Partei mit der CDU. In einem Fünf-Parteien-Parlament werden andere Konstellationen notwendig sein. Das war einer der Gründe, nicht der Hauptgrund, der einer der Gründe, warum ich aufhören wollte. Ich bin Rot-Grüner und ich bin zu alt, um mich da nochmals zu ändern. Es wird nicht einfach werden mit der Union auf Landesebene. Das hat Hamburg gezeigt. Das müsste dann jetzt die strategische Debatte in der Partei zeigen, in welche Richtung sie geht. Aber das ist nicht mehr meine Aufgabe. Und meine Haltung dazu ist klar: Für mich galt Rot-Grün, und das sehe ich auf absehbare Zeit nicht, dass das eine echte Machtperspektive ist.
Adler: Kommen wir noch mal auf den Bundestagswahlkampf zurück. Wenn wir den Blick über den Teich sozusagen wagen, war ja eines festzustellen, dass gerade die Nichtwähler derartig mobilisiert werden konnten durch den Wahlkampf von Barack Obama:
Fischer: Jetzt machen Sie schon wieder den Vergleich Deutschland-USA, der völlig in die Irre führt, weil bei uns eine Wahlbeteiligung auf Bundesebene von 60 Prozent eine Katastrophe wäre. Jetzt machen Sie schon wieder den Fehler vieler Korrespondenten, Deutschland, das Sie vielleicht mit Kalifornien vergleichen könnten, mit diesen USA zu vergleichen. Das ist ein Kontinent mit ich weiß nicht wie vielen Zeitzonen, wo Sie…
Adler: Ich muss jetzt trotzdem mal den Gedanken zu Ende führen, denn vielleicht ist das gar nicht so abwegig, das jetzt angesprochen zu haben: Die Nichtwähler. Wenn wir uns anschauen, wenn Menschen begeistert werden sollen von Politik, so dass sie wieder zur Wahl gehen, so braucht es…
Fischer: Sie können Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen bekommen selbst mit langweiligen Spitzenfiguren.
Adler: …und wenn wir einen interessanten Wahlkampf bekommen, in dem Leute tatsächlich mit Spannung den Debatten folgen und so weiter, braucht es dann ein attraktiveres Führungspersonal in der Politik?
Fischer: Nein. Nein, weil Sie bei Bundestagswahlen immer im Bereich bei 70-80 Prozent liegen. Und das hängt nicht nur sozusagen vom Charisma des Personals ab, sondern auch von den Themen, um die es geht. Die Wahl etwa um die Ostverträge. Da war eine hohe Mobilisierung. Die war da, das war mit den Händen zu greifen. Auch die Wahlen, an denen ich aktiv teilgenommen habe bei Bundestagswahlen, hatten immer einen höheren Mobilisierungseffekt, weil die Menschen nicht dumm sind. Sie wissen, da geht es um sehr viel. Da geht es um die Zukunft der eigenen Kinder, da geht es um den Wohlstand, um die innere und äußere Sicherheit. Da ist eine wesentlich höhere Mobilisierungsrate als etwa auf Landesebene.
Auf Länderebene liegt das einfach drunter, auf kommunaler Ebene teilweise noch mehr darunter. Das glaube ich lieg nicht an der Frage von Personen. Wenn es dann noch spannende Personen gibt, die zuzuspitzen in der Lage sind, die also nochmals Mobilisierungseffekte bringen, aber wenn das im Zwei-bis-Drei-Prozent-Bereich liegt, ist das viel.
Adler: Das Personal der Bundesregierung muss jetzt etwas tun, nämlich schon in der nächsten Woche zur neuen zukünftigen Administration zu gehen, Kontakte aufzunehmen und sich sicherlich darüber auszutauschen, was das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA beziehungsweise Europa als nächstes bestimmen wird, was man da verändern, vielleicht auch nachjustieren kann. Welche Fragen würden Sie - Sie haben gesagt, Sie sind raus aus der Politik, wollen auch nicht mehr rein, aber Sie beobachten ja, sind ein Amerika-Kenner nach Ihrem Aufenthalt spätestens in den USA ein Jahr lang - welche Fragen halten Sie für so vordringlich, dass Sie sagen, da muss man wirklich als allererstes auf die Kollegen zugehen?
Fischer: Ich denke, das liegt offen auf dem Tisch. Vielleicht wird sich die Kanzlerin jetzt fragen, ob es nicht doch etwas kleinkariert war, Obama den Auftritt am Brandenburger Tor zu untersagen. Das Argument, man könne da nicht Wahlkampf machen, ist natürlich absurd. Schröder und Fischer haben dort Wahlkampf gemacht im Jahre 2002 mit einer richtig guten Abschlusskundgebung.
Aber es wird keine Rolle mehr spielen. Es wird um die Finanzkrise gehen, um die Frage der internationalen Regulierung und Überwachung. Es wird um viele Regionalkrisen gehen, ohne jeden Zweifel um den Nahen und Mittleren Osten, das Verhältnis zu Russland. Obama wird auf der einen Seite, denke ich, unter all diesen Gesichtspunkten eine Politik des Dialogs, des Zuhörens, des miteinander Redens, miteinander Entscheidens verfolgen. Aber dann wird er auch das miteinander Umsetzen verlangen. Und das wird in Afghanistan die Bundesregierung noch vor einige Probleme stellen. Man wird sich rausreden können, das können sie innenpolitisch im Wahljahr nicht machen. Aber spätestens nach den nächsten Bundestagswahlen gibt es dann keine Ausflüchte mehr.
Ich finde, wir haben da eine Chance vertan, 2006, als die Kanadier im Süden Afghanistans unter Druck gerieten, als Petersberg-Garantiemacht - wir sitzen hier ja auf dem Petersberg bei Bonn bei diesem Interview - als Petersberg-Garantiemacht. Dort wurde die afghanische Nachkriegsordnung verhandelt im Winter 2001. Wir haben eine Chance versäumt, hier einen Neuanfang zu organisieren. Hätte die Bundesregierung damals gesagt, wir sind bereit, unsere nationalen Vorbehalte zu überdenken und auch Soldaten in den Süden zu schicken, wenn es notwendig ist, wenn wir eine politische Erfolgsstrategie im Bündnis vereinbaren. Und wenn alles auf den Tisch kommt, auch die amerikanische Strategie, die ich für dringend überprüfungsbedürftig halte, allerdings auch unsere.
Adler: Was müsste Deutschland anders machen Ihrer Meinung nach in Afghanistan, vielleicht auch in Bezug auf Pakistan?
Fischer: Deutschland allein nichts. Das Bündnis. Ich denke, dass gerade eine gemeinsame Strategie, die Pakistan und Afghanistan betrifft, dringend notwendig ist. Auch die Einbindung Chinas und Indiens ist heute unverzichtbar.
Adler: Herr Fischer, Sie haben hier im Interview der Woche vom Deutschlandfunk mehrmals auf Ihr Alter abgehoben. Nun sind Sie gerade mal 60. John McCain, wir erinnern uns, ist 72. Ziehen Sie sich nicht ein bisschen zu früh auf Ihr Alter zurück und enthalten Ihre außenpolitische, innenpolitische und überhaupt politische Erfahrung Ihrer Partei vor?
Fischer: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meiner Partei etwas vorenthalte. Im Gegenteil, das ist eine individuelle Entscheidung. Und diese individuelle Entscheidung habe ich mehrfach begründet. Ich bin gewiss zu jung, um aufzuhören, aber zu alt, um nochmals ein neues Projekt anzufangen. Für mich war Rot-Grün nie nur eine Koalition, es war ein Projekt. Ein neues Projekt zu beginnen, dazu bin ich mit 60 schon zu alt, nicht nur, was die Lebensperspektive betrifft, sondern auch die Energie, die man in sich trägt. Und nur in der Politik zu bleiben, weil einem nichts Besseres mehr einfällt, das ist nicht meine Sache.
Adler: Jedenfalls Dankeschön für Ihre Energie für dieses Interview. Besten Dank, Herr Fischer.