Dienstag, 23. April 2024

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Rally-Fahrerin Annett Fischer
"Die Rally-Dakar ist wie eine Schnitzeljagd"

Tausende Kilometer durch Steppe, Wüsten und Gebirge müssen die Teilnehmer bei der Rally-Dakar absolvieren. Mit dabei ist auch Fahrerin Annett Fischer. Ein Gespräch über die besondere Rolle von Beifahrerinnen, Konzentrationstricks und die schwierige Suche nach Sponsoren.

Annett Fischer im Gespräch mit Maximilian Rieger | 02.01.2022
Das Foto zeigt ein Fahrzeug bei der Rallye Dakar im Januar 2021 in Saudi-Arabien.
Das Foto zeigt ein Fahrzeug bei der Rallye Dakar im Januar 2021 in Saudi-Arabien. (imago)
Sie ist eine der bekanntesten Rallys der Welt: Die Rally-Dakar. Seit den 70er-Jahren müssen tausende Kilometer durch schwieriges Gelände zurückgelegt werden. Die Herausforderung ist geblieben, auch wenn die Dakar schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr die senegalesische Stadt anfährt, die ihr den Namen gegeben hat – wegen Terrorgefahr in der Gegend.
Nach mehreren Jahren in Südamerika ist seit 2020 Saudi-Arabien die neue Heimat."Keiner hat sich vorstellen können, wie eine komplette Dakar, die früher durch verschiedene Länder gegangen ist, in einem Land ausrichten kann", erzählt Rally-Fahrerin Annett Fischer.
"Wow-Momente" bei der Fahrt durch die Landschaft
Aber die Landschaft in Saudi-Arabien habe alle überrascht. Es gebe Steppenlandschaften, wo es kilometerweit nur Kamelgras gibt. Es gebe kleine und große Sanddünen. Und gebe Abschnitte, wo Felsen "wie Pilze aus dem Boden wachsen". Das habe bei ihr öfter einen "Wow-Moment" ausgelöst.
Fischer ist zum vierten Mal bei einer Rally-Dakar mit dabei. Nach ihrem Debüt als Fahrerin war die vergangenen zwei Jahre als Beifahrerin mit dabei. Erfahrungen, die ihr jetzt helfen, die Landschaft besser zu lesen. "Die meisten denken, wir fahren mit einem normalen GPS. Aber das kann man sich nicht so vorstellen, wie in einem normalen Straßenauto", erklärt Fischer.

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Vielmehr gehe es darum, anhand von Kompasskursen bestimmte Punkte im Gelände zu erreichen. "Die sind ein bisschen wie beim Geocaching versteckt. Und manchmal fährt man auch einfach eine halbe Stunde im Kreis, weil man so einen Punkt nicht findet. Das ist wirklich so ein bisschen wie eine Schnitzeljagd."
Rolle der Beifahrerin "unterschätzt"
Ohne eine gute Beifahrerin sei dies nicht schaffen. "Die Rolle finde ich vollkommen unterschätzt", sagt Fischer, die in diesem Jahr von Annie Seel unterstützt wird. Es komme bei der Dakar nämlich nicht nur auf das fahrerische Können an, sondern auch auf die Fähigkeiten, zu navigieren oder das Auto unterwegs zu reparieren.
Und die Beifahrerin ist auch wichtig, damit die Konzentration während der stundenlangen Etappen hochzuhalten. "Jeden Tag 800 Kilometer zu fahren, ist einfach wahnsinnig lang", so die 36-Jährige. "Man kann sich das vorstellen, wie als wenn man von Berlin nach München durch Wald und Steppe und über Stock und Stein fährt. Und das zwölf Tage hintereinander."
Kaum Nachwuchsförderung – egal ob für Männer oder Frauen
Dass sie diese Strapazen als Fahrerin auf sich nimmt, ist eher durch Zufall entstanden. Eigentlich arbeitet Fischer in der medizinischen Abteilung des Teams X-Raid und fuhr nur Amateurrennen. 2019 fragt sie aber Andrea Peterhansel, die Frau des mehrfachen Sieger Stephane Peterhansel, ob sie nicht mit ihr eine Dakar fahren wolle.
Eine spezielle Förderung für den Nachwuchs gebe es nicht, egal ob Mann oder Frau. Insgesamt sei der Rallysport was die Gleichberechtigung angehe relativ weit vorne, auch wenn bei der Dakar die Männer immer noch deutlich überwiegen.
Aber auch wenn es eine eigene Frauenwertung gibt, fahre sie direkt gegen die Männer. Und seit der Einführung der Extreme E, einer Rallyserie mit Fahrzeugen mit Elektrobetrieb, bei denen die Teams gemischt sein müssen, würden immer mehr Frauen in den Rallysport drängen.
"Als Frau ist es eher komplizierter"
Trotzdem gibt es weiter Nachteile für die Fahrerinnen. "Wir haben sehr, sehr stark damit zu kämpfen, Sponsoren zu finden", erzählt Fischer. "Es ist als Frau nicht einfacher. Im Gegenteil, ich denke, es ist eher komplizierter."
Hauptproblem sei, dass Motorsport überwiegend von Männern geguckt werde und die Sponsoren dementsprechende Produkte promoten wollen. "Und welches Männer-Produkt soll man jetzt bei einer Frau promoten?"
An der Stelle könne sie die Sponsoren durchaus verstehen. "Auf der anderen Seite denke ich, dass es ja möglich ist, dass nicht nur Männer Bier trinken, sondern auch Frauen. Warum also nicht mal in die Richtung gehen?"