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Fischer und Forscher in einem Boot

Um das Problem der Überfischung in den Griff zu bekommen, legt die EU-Kommission seit Jahrzehnten Fangquoten fest. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass verschiedene Ökosysteme unterschiedlich auf den Fischfang reagieren. Manche Forscher plädieren deshalb dafür, dass die Fischerei über einen sogenannten Ökosystem-basierten Ansatz reguliert werden soll, wie er in Australien längst Alltag ist. Auf einer Konferenz, die anlässlich des European Maritime Day Göteborg stattfand, haben australische Forscher von ihren Erfahrungen berichtet.

Von Christine Westerhaus | 23.05.2012
    Wenn es darum geht, die illegale Fischerei zu bekämpfen, greift Keith Sainsbury im Notfall auch zu radikalen Maßnahmen. Der Forscher von der Tasmanien Universität in Australien ließ illegale Fischtrawler in Flammen aufgehen, damit einheimische Bestände geschont werden.

    "Wir haben gesehen, dass die illegale Fischerei ein ernstes Problem für die Bestände ist und dass wir hart dagegen vorgehen müssen. Also haben wir uns nach legalen Möglichkeiten erkundigt, wie wir die illegalen Trawler loswerden können. Nachdem die Besatzung von Bord war, durften wir die Schiffe verbrennen - was wir gemacht haben. Und wir durften sie versenken, was wir auch gemacht haben. Wir haben also eine Menge künstliche Riffe produziert."

    Nicht alle Maßnahmen, mit denen Keith Sainsbury und sein Kollege Anthony Smith die australische Fischerei revolutioniert haben, sind jedoch so radikal wie diese. Im Gegenteil: Die Wissenschaftler setzen auf Zusammenarbeit mit Fischern und den Behörden, um Forschungsergebnisse schneller in das Fischereimanagement einfließen lassen zu können. Dazu haben die Forscher Modelle entwickelt, mit denen sie die Folgen der Fischerei für das gesamte Ökosystem besser abschätzen können. So verhindern sie, dass einzelne Bestände durch selektive Fangmethoden zu stark dezimiert werden. Anthony Smith:

    "Es gibt neben der Fischerei noch viele andere Faktoren, die ein Ökosystem beeinflussen. Klimaveränderungen oder die Versauerung der Meere zum Beispiel. Wir entwickeln deshalb Methoden, mit denen wir die Auswirkungen dieser Faktoren auf die Fischarten besser abschätzen können. Dabei untersuchen wir auch, welche Auswirkungen es hat, wenn wir einzelne Arten befischen, die Teil der marinen Nahrungskette sind."

    Wird zum Beispiel eine Fischart von vielen anderen Spezies im gleichen Ökosystem gefressen, müssen die Fangquoten daran angepasst werden. Das Gleiche gilt für Umweltstress: Machen Klimaveränderungen einem Ökosystem zu schaffen, sollte der Druck durch die Fischerei reduziert werden. Diese Maßnahmen sind Teil eines sogenannten Ökosystem-basierten Ansatzes, mit dem die Wissenschaftler die Folgen der Fischerei gleichmäßiger auf alle Mitglieder einer marinen Lebensgemeinschaft verteilen. Außerdem passen die Forscher ihre Modelle kontinuierlich an Veränderungen in den einzelnen Ökosystemen an. Der Erfolg gibt dem Forscherduo recht: Den australischen Fischbeständen geht es deutlich besser als den europäischen:

    "Mein Kollege Keith und ich wurden schon oft gebeten, unsere Erfahrungen in die Diskussionen über die Reform der europäischen Fischereipolitik einzubringen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass wir die Fischbestände in Australien partnerschaftlich verwalten. Es gibt sehr viel Austausch zwischen Fischern, Forschern und Umweltschutzorganisationen. Und diese Informationen setzen wir direkt in unseren Fischfangstrategien um."

    Die Fischereipolitik der Europäischen Union wird zentral aus Brüssel gesteuert. Kritiker bemängeln, dass dabei kurzfristige wirtschaftliche Interessen einzelner Länder eine wichtigere Rolle spielen als ein langfristiger Schutz der Fischbestände. Zudem spielen wissenschaftliche Erkenntnisse nur eine untergeordnete Rolle. Das soll sich jedoch im Zuge der Reformen ändern, die 2013 in Kraft treten sollen. Anthony Smith sieht die EU-Fischereikommission damit auf einem guten Weg:

    "Die Reformen gehen in die richtige Richtung. Es ist wichtig, die politischen Entscheidungen enger an wissenschaftliche Erkenntnisse zu koppeln. Auf Forschungsebene gibt es in Europa enorme Möglichkeiten, Fischbestände nach einem Ökosystem-basierten Ansatz zu verwalten. Die Herausforderung wird allerdings sein, Forschung und Politik zusammen zu bringen."