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Fischereipolitik und Klimawandel

Der Internationale Rat für Meeresforschung sammelt umfassendes Wissen über die unterschiedlichen Ökosysteme des Meeres – vor allem im Nord-Atlantik und in der Nord- und Ostsee. Mit den Erkenntnissen schließt der Rat dann einerseits Wissenslücken – andererseits berät er Regierungen und internationale Organisationen bei allen Aktivitäten, die das Meer betreffen.

Von Claudia van Laak | 24.09.2009
    Der Streifenbarbe wird es zu warm - sie zieht in die Nordsee. Gingen den dortigen Fischern im Jahr 1985 gerade einmal zehn Tonnen Streifenbarben ins Netz, waren es 20 Jahre später bereits 70 Mal so viel. Immer mehr tropische Fische ziehen durch den Suezkanal oder die Meerenge von Gibraltar und lassen sich dauerhaft im Mittelmeer nieder - so der Seidenhai oder die Senegal-Seezunge. Die Wanderung von Arten ist der sichtbarste Ausdruck des Klimawandels. Gerd Hubold, Generalsekretär des Internationalen Rates für Meeresforschung:

    "Da wir vor 10.000 Jahren eine Eiszeit hatten, seither also gigantische Klimaschwankungen hatten, die meisten Arten aber älter sind als die letzte Eiszeit, haben diese Arten in unseren Gebieten schon große Klimaschwankungen erlebt, sodass es eine begründete Hoffnung gibt, dass die Arten selbst nicht stark betroffen sein werden. Aber ihre Verbreitung zum Beispiel, ihre relative Häufigkeit, das alles wird sich ändern, das trifft die Menschen, die davon leben, Fische zu fischen. Die Fische, die heute häufig sind, können morgen sehr selten sein."

    Unklar sind die Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Ökosysteme - doch die Meeresbiologen beurteilen die Wanderung der Arten als Folge des Klimawandels nicht per se negativ. Ein größeres Problem sehen die Forscher in der Übersäuerung der Meere. Christopher Zimmermann vom Institut für Ostseefischerei:

    "Die Übersäuerung wird verursacht durch den hohen CO2-Pegel in der Atmosphäre, viel direkter als die Erwärmung, das führt im Zweifel dazu, dass die schalenbildenden Organismen im Meer keine Schalen bilden können, weil die sich wieder auflösen."

    Der Internationale Rat für Meeresforschung ist nicht nur ein wissenschaftliches Gremium, er hat innerhalb der EU eine große politische Bedeutung - gibt er doch jährlich Empfehlungen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände innerhalb der Europäischen Union ab. Die Meeresbiologen beobachten insgesamt 110 Fischbestände und empfehlen Fangquoten, manchmal sogar einen generellen Stopp der Fischerei. Christopher Zimmermann will nicht von einer generellen Überfischung der Bestände sprechen - so sei der Dorsch in der östlichen Ostsee bereits totgesagt worden, der Bestand habe sich aber wieder erholt. Ein großes Problem sei dagegen der Kabeljau in der Nordsee.

    "Leider stellen wir fest, dass die Fischerei sofort viel zu hoch wird, und dann eine große Menge dieser gefangenen Fische noch zu klein ist, um legal angelandet zu werden. Das heißt, sie gehen über Bord, sind in der Regel tot und gehen dem Bestand verloren, so kann man selbst hoffnungsvolle Nachwuchsjahrgänge innerhalb kürzester Zeit wieder vernichten. Und das ist genau die Befürchtung bei diesem Bestand."

    Schon lange weisen Meeresforscher und Umweltschutzorganisationen auf das noch ungelöste Problem des Beifangs hin - also unerwünschte oder zu kleine Fische bzw. Meerestiere, die ungenutzt über Bord geworfen werden und in den meisten Fällen verenden. So sterben nach Angaben von Greenpeace für ein Kilogramm Seezunge sechs Kilogramm andere Lebewesen. Dieser Beifang muss auf die Fischereiquoten angerechnet werden, sagt Christopher Zimmermann vom Institut für Ostseefischerei.

    "Bisher ist es eben so, dass die EU-Regularien den Fischer zwingen, Fänge, die nicht große genug sind, oder für die der Fischer keine Quote mehr hat, über Bord zu werfen. Das kann man überhaupt niemandem erklären. Das heißt, diese Fänge werden bei der Quote nicht angerechnet und gehen dem Bestand trotzdem verloren. Wir haben im Moment ein Anlandemanagement. Wir haben eine Beschränkung der Anlandemengen, aber nicht der Fangmengen, was natürlich völlig sinnlos ist. So kann man Bestände nicht schützen."

    Die entsprechenden EU-Regeln müssen schnell geändert werden - das ist der Wunsch des Internationalen Rates für Meeresforschung.