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Fischmehl in der Aquakultur

Auch Fische haben Stress - vor allem diejenigen, die Zeit ihres Lebens in großen Fischzuchtanlagen verbringen. Gestressten Fischen ist eines gemeinsam: Sie eignen sich nicht mehr dazu, am Ende ihres Daseins auf dem Teller eines Feinschmeckers zu landen.

von Thomas Wagner |
    Fische können Zwergformen, Kümmerformen ausbilden, die dann auch eine sehr schlechte Qualität habe. Stichwort: Verfettung - sehr starke. Ungünstige Proportionen, Ausschlachtung, Bauchhöhlenfett, Filetfett überhöht.

    Weil solche Missbildungen nicht gerade Appetit aufs Fischgericht an Aschermittwoch machen, hat Dr. Helmut Wedekind vom Institut für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow genau untersucht, welche Stressfaktoren zu solch unerwünschten Ergebnissen führen.

    Bei Forellen ist es so, dass wir hohe Sauerstofffwerte gewährleisten müssen, dass die Durchlaufrate der Teiche eine Abfuhr der Exkremente gewährleisten muss und dass wir natürlich in einem Temperaturbereich arbeiten - das ist bei den wechselwarmen Tieren besonders wichtig-, der den physiologischen , also den optimalen Bedürfnissen entspricht.

    Stimmt in einer Fischzuchtanlage nur einer dieser Faktoren nicht, kommt es zu Stress unter den Fischen und zu den aufgezeigten Missbildungen. Überraschenderweise spielt, so Helmut Wedekind, ein Faktor keine Rolle:

    Man diskutiert viel in der Öffentlichkeit auch die Besatzdichte. Dies ist aber direkt überhaupt nicht von Bedeutung. Bedeutsam ist die Wasserqualität.

    Will heißen: Wenn viele hundert, viele Tausend Fische auf relativ engem Raum in einem Zuchtteich miteinander leben müssen, stellt dies , so die Forschungsergebnisse aus Potsdam, eben gerade keinen Stressfaktor da - im Gegensatz beispielsweise zur Käfighaltung bei den Hühnern. Erklärung: Fische treten in der Natur sehr häufig als Schwärme auf und sind von daher das Zusammenleben im engen Nebeneinander gewöhnt.

    Ausschlaggebend für die Qualität dessen, was auf dem Teller landet, ist damit tatsächlich zu einem großen Anteil die Wasserqualität. Die in Zuchtanlagen zu verbessern, ist das Ziel von Alexander Brinker, Mitarbeiter der baden-württembergischen Fischereiforschungsstelle in Langenargen. Seine Überlegung: : Die Wasserqualität in solchen Zuchtbecken wird ganz entscheidend vom Kot beeinträchtigt, den die Fische ausscheiden. Am besten ließe sich der Fischkot mechanisch ausfiltrieren. Das ist insofern schwierig, als dass sich der Fischkot in der Regel vollständig im Wasser löst. Aber, so Alexander Brinker:

    Mein Ansatz ist, dass ich gesagt hab': O.K, der Kot der Fische an sich, der könnte verantwortlich sein für die Partikelgröße, die im Wasser vorliegt. Und die Idee ist einfach: Wenn er fest ist, der Kot, dass er dann schweiriger kaputt geht, wenn er durch Wasserturbulenzen verwirbelt wird.

    Das heißt: Je fester der Kot, desto einfacher könnte er mechanisch ausfiltriert werden. Dieses Ziel vor Augen, entwickelte Brinker einen Futtermittelzusatz, einen sogenannten "Binder":

    Binder sind so Stoffe, mit denen man es zum Beispiel beim Joghurt auch schafft, dass er nicht so flüssig ist, dass er einfach fester wird, dass er seine Konsistenz hat, die er anstrebt. Gewonnen wird er aus Braunalgen. Damit verändert sich in Relation zur eingesetzten Menge auch die Festigkeit des Stoffes.

    Und damit auch die Festigkeit des Fischkotes. Die Fischereiforschungsstelle am Bodensee hat es ausprobiert - mit Erfolg:

    Bis zu 200 Prozent können wir dann die Viskosität erhöhen. Ich denke, das kennt jeder von Motorölen. Und desto höher die Viskosität, desto zähflüssiger wird das Material. Das ist eine Art Klebrigkeit, und das hält die Partikel zusammen, man hat dann größere Partikel.

    Partikel, die dann mühelos ausfiltiriert werden können. Ergebnis: Die durch den Fischkot verursachte Umweltbelastung geht zurück, das Teichwasser wird durch das Wegfallend es Stressfaktors Fischkot reiner, die Qualität dessen, was auf den Tisch kommt, gewinnt dabei ganz ungemein. Das Problem dabei: Derzeit hat sich das Verfahren nur im Laborversuch bewährt. In den kommenden Wochen ist ein Großversuch in einer Zuchtanlage geplant. Erst danach soll das neuentwickelte Bindemittel fürs Fischfutter tatsächlich im Handel erhältlich sein.