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Fixer Funk

Mobilfunk.- Eine neue Generation von Mobilfunknetzen steht vor der Tür und verspricht zehnfach höhere Datenraten bis zu 100 Megabit pro Sekunde. Forschern des Fraunhofer-Instituts Heinrich Hertz in Berlin ist ein gewaltiger Sprung hin zu diesem Ziel gelungen.

Von Wolfgang Noelke | 11.07.2009
    Auf den Dächern des Berliner Heinrich Hertz- Instituts und den Dächern der Gebäude der Technischen Universität Berlin arbeiten Mobilfunkfeststationen nach dem zurzeit modernsten Algorithmus. Hier wird der Effekt ausgenutzt, der sich besonders an den Rändern herkömmlicher Funkzellen als besonders störend erweist: Interferenzen, die sich nicht nur bei Funkwellen bilden, sondern auch bei akustischer Ausbreitung. Ein Glöckchen klingt in einem reflektionsarmen Raum auch im Lautsprecher sauber: Auf dem Monitor ist dieser Klang als Wellenform sichtbar. Lege ich dieselbe Aufnahme in eine zweite Tonspur, geschieht beim Anhören gar nichts. Sobald ich aber diese zweite Spur nur um einen Bruchteil verschiebe, neutralisieren sich in regelmäßigen Abständen die Wellenlinien. Genau an den Stellen, an denen der Wellenberg in der anderen Spur auf ein Wellental trifft, ist auch akustisch nichts mehr zu hören:

    Phasenverkehrt angeschlossene Lautsprecher einer Stereoanlage sind zusammen nur halb so laut. Schlimmer wirkt sich eine Phasenüberlagerung im Funkverkehr aus. Auch wenn man gleichzeitig in zwei nebeneinander stehende Sender spricht, werden am Empfänger nur die Störungen lauter:

    "”Um zu demonstrieren, wie sich eine Interferenz auswirkt, schalte ich jetzt ein zweites Funkgerät auf derselben Frequenz hinzu – und schon ist die Verbindung gestört. Jetzt schalte ich das zweite Funkgerät wieder ab – und die Verbindung ist wieder sauber.”"

    Würden die Signale beider Sender phasengleich beim Empfänger eintreffen – also jeweils die Spitzen der Wellenberge und Wellentäler parallel, wäre das Signal ungestört. Dafür müssten sich aber beide Sender mit dem Empfänger synchronisieren. Diese Synchronisation gelingt inzwischen dem Team von Dr. Volker Jungnickel im Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Die Satellitenfrequenzen des Global Positioning Systems sind übrigens Taktgeber aller irdischen Basisstationen:

    "”Die strahlen wirklich auf derselben Trägerwelle aus, diese Basisstationen, mit Frequenzunterschieden, die im Bereich weniger Hertz liegen und nutzen damit auch das gleiche Spektrum. Signale breiten sich dann zu den Terminals aus, sprechen dort munter ineinander über und wir haben dann diesen Basisstationen Referenzsignale aufgeprägt, so als würden wir die rot, grün oder blau anmalen. Am Empfänger können wir das 'Farbgemisch' dann detektieren, wie sich diese Basisstation dann genau überlagern wird. Diese Information übertragen wir dann zurück an die Basisstation.”"

    Anhand der Laufzeit der, von den jeweiligen Terminals zurückgesendeten Signale, errechnen die Basisstationen deren genauen Standort und optimieren jetzt ihrerseits wieder die individuellen Nutzsignale: Jede Sendestation ist in der Lage, die Wellentäler und Wellenberge des Nutzsignals minimal zu verschieben, so dass am Zielpunkt auch mehrere Sender wirken, wie die gemeinsame, synchrone 'Stimme' eines elektronischen Chors:

    "”Die Signale breiten sich in einer realen Umgebung aus. Wir nennen das Mehrwegeausbreitung. Es gibt Reflektionen an Gebäuden, an einem Kran, an einem Berg. Je nachdem, bei welcher Frequenz wir uns gerade befinden, überlagern sich diese Wellen auch konstruktiv und destruktiv. Wir können diese konstruktive und destruktive Überlagerung der Wellen durch dieses gemeinsame Verarbeitungsverfahren so beeinflussen, dass es frequenzabhängig gesteuert werden kann. Dass heißt, wir können über eine Bandbreite von 20 Megahertz eine Nullstelle im Raum platzieren. Von einem bestimmten Signal, das wir von einer anderen Zelle abstrahlen möchten, wird in der Zelle, in der wir uns gerade befinden nichts mehr empfangen, an dem Ort des Terminals.”"

    Das ist gleichzeitig die ideale Vorarussetzung, auf derselben Frequenz ungestört mit unterschiedlichen Terminals zu kommunizieren. Ohne Interferenzen bietet 'Coordinated Multipoint Transmission' eine homogene Verbindungsqualität, auch an den Rändern der Funkzellen und somit auch eine Erweiterung des künftigen Mobilfunkstandards LTE, Long Term Evolution:

    "”Der Vorgänger dieser Technik, über die wir gerade reden, das LTE- System, 2011, 2012 wird das ausgerollt über das gesamte Land und diese koordinierten Multipunkt Techniken... 2015, 2020 würde ich das sehen. Durch diese Verfahren wird gerade an dem früheren sogenannten Zellrand, also dort, wo sich die Signale zweier basisstationen am stärksten überlagern, wird es möglich, deutlich bessere Verhältnisse zu schaffen. Dort, wo heute noch Gespräche abreißen, dort werden wir deutlich bessere Übertragungsverhältisse bekommen”"