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Flanieren statt im Stau stehen

Roms neuer Bürgermeister Ignazio Marino hat ein ehrgeiziges Ziel: eine generelle Verkehrsberuhigung der Innenstadt. Einen Teilerfolg kann er bereits verbuchen. Seit dem 2. August ist ein Teilabschnitt der weltberühmten Via dei Fori Imperiali für den Autoverkehr gesperrt.

Von Thomas Migge |
    Marschierende Soldaten, Gewehre im Anschlag und auf der Ehrentribüne der Duce. 1932 eröffnete Benito Mussolini die nagelneue Straße des Imperiums. Sie wurde schnurgerade vom Kolosseum aus bis zur Piazza Venezia errichtet. Dafür wurde ein ganzes Wohnviertel mit Palästen, Wohnhäusern und Kirchen einfach abgerissen. Rechts und links von der Prachtstraße ließ der Oberfaschist die grandiosen Ruinen der antiken Kaiserforen ausgraben. Mächtige Säulen und beeindruckendes Mauerwerk, alles wieder aufgerichtet: ein riesiges archäologisches Areal, das nahtlos bis zum Palatinhügel mit den Resten der Kaiservillen reicht.

    Wenn da nur nicht diese Straße wäre, die seit Kriegsende Via dei Fori Imperiali heißt. Sie ist rund um die Uhr stark befahren. Eine der wichtigsten, lautesten und am meisten stinkenden Verkehrsadern der italienischen Hauptstadt. Jedenfalls bis gestern, frohlockt Roms neuer Bürgermeister, der Sozialdemokrat Ignazio Marino. Er verkündete gleich nach seinem Wahlsieg Mitte Juni ein ehrgeiziges Projekt:

    "Ich will diese Straße, auf der, wir haben das nachzählen lassen, pro Stunde mehr als 1500 PKW rollen, in eine riesige Fußgängerzone umwandeln, wo man spazieren geht, Fahrrad fährt und ungestört die antiken Ruinen bestaunt. Ein Spaziergang in die Geschichte."

    Seit heute ist ein Teilabschnitt der Straße bereits für den Autoverkehr gesperrt. Hunderte von Fahrradfahrern nehmen symbolisch und klingelnd Besitz von dem ehemaligen innenstädtischen Highway. Während Fußgänger und Radfahrer über diese verkehrspolitische Initiative jubeln, der sich weitere im historischen Zentrum anschließen sollen, protestieren nicht wenige Bürger gegen das Mehr an Verkehr, dass die Schließung der Duce-Straße für sie bedeutet - denn schließlich muss der Verkehr ja umgeleitet werden. Das wirkt sich nachteilig auf die der Straße benachbarten Wohnviertel aus.

    Skepsis kommt auch von Roms Archäologen. Sie wollen viel mehr als nur die Umwandlung der Forenstraße in einen Fußgängerparkour, erklärt Lorenzo Parlati, Regionalpräsident der Umweltorganisation Legambiente und Archäologe:

    "Seit den 70er-Jahren kämpfen wir für das sogenannte Foren-Projekt, das heißt, für den Aufriss der Straße und die Schaffung des weltweit größten archäologischen Parks, der von hier aus, von der Foren-Straße über das Kolosseum, den Circus Maximus bis zur Via Appia Antica reicht."

    Roms Archäologen wollen vom neuen Bürgermeister, dass er auf jeden Fall erst einmal den Straßenabschnitt zwischen Piazza Venezia, also zwischen Kapitolshügel mit dem Rathaus und dem Kolosseum aufreißt. Dann endlich, argumentieren sie, könnten die unter dem Straßenasphalt liegenden Ruinen der Kaiserforen ausgegraben werden. Die Foren im Zentrum des ehemaligen Weltreichs wären dann endlich komplett. Auch für das Kolosseum wäre ein autofreier Park die Rettung, versichert die Archäologin Rosella Rea, Direktorin der riesigen Arena:
    "Schauen Sie sich doch nur an wie schwarz von Autoabgasen die Außenwände des Kolosseums geworden sind. Die Abgase zerstören den antiken Stein! Noch ist das Kolosseum eine Insel in einem Meer aus Verkehr. Das gilt seit viel zu langer Zeit für alle antiken Ruinen hier und auf dem Forum."

    Bürgermeister Marinos Ziel ist eine generelle Verkehrsberuhigung der römischen Innenstadt. Mit mehr Radwegen, Share-Space-Arealen, Auto-Maut etc. All das ist dringend nötig - doch wohin mit dem infernalischen Verkehr? Die Römer wollen auf ihre Privatwagen, von denen sich täglich circa eine Million durch die städtischen Straßen quetschen, nicht verzichten. Und so wird das Projekt vom ganz großen archäologischen Park, von den Kaiserforen bis zur Via Appia, ein schöner aber irrealer urbanistischer Traum bleiben.