Denis Scheck: Solchen Klischees ist schwer zu entrinnen. Stehen Sie denn in den USA im Ruf, Republikaner zu sein?
Crichton: Hoffentlich nicht. Vor Jahren hat mir ein Journalist aus England einmal gesagt, man wisse ja, wie es um meine politischen Ansichten stünde. Moment mal, fragte ich, wie sehen meine politischen Ansichten denn nach dem, was Sie gehört haben, aus? Reaktionär! lautete seine Antwort. Schon komisch. Aber wahr ist, dass in der Vergangenheit meine Bücher mehr Freunde im rechten als im linken Lager gefunden haben.
Scheck: Zu Ihren schärfsten Kritikern zählen die Feministinnen. Könnten Sie sich vorstellen, je einen Roman ausschließlich über weibliche Hauptfiguren zu schreiben?
Crichton: Kaum.
Scheck: Warum nicht?
Crichton: Weil es mich nicht überzeugt, wenn andere Autoren das versuchen. Ich bin der Meinung, dass wir in gewisser Weise Gefangene unserer Körper und unserer Erfahrungen sind. Ich glaube, aus Sicht einer Frau zu schreiben wäre sehr schwer und würde vermutlich auf eine Verfälschung hinauslaufen.
Scheck: Aber ist der Roman nicht im Gegenteil gerade erfunden worden, um in die Haut von jemandem anderen zu schlüpfen, um die Welt aus anderen Augen zu sehen?
Crichton: Stimmt. Vielleicht will ich ja nur sagen, dass ich so nicht schreiben kann.
Scheck: "Welt in Angst" heißt Ihr jüngstes Buch, Michael Crichton. Es geht um die Klimaerwärmung, und Sie zitieren darin Montaigne mit der Bemerkung, dass wir just davon am meisten überzeugt sind, wovon wir am wenigsten wissen. Was hat Sie an diesem Thema fasziniert?
Crichton: Ich bin zufällig auf diesen Stoff gestoßen. Ich las einen kurzen Artikel in einer Fachzeitschrift, der mir sehr verwirrend vorkam. Ich las ihn mehrmals, bis ich schließlich zu dem Schluss kam, dass der Autor etwas sagen wollte, was er nicht sagen durfte: nämlich dass ihn die Beweise für die Erwärmung der Erdatmosphäre nicht überzeugten. Mein erster Gedanke war: das ist doch lächerlich. Irgendwann, als ich ein Buch gerade abgeschlossen und das nächste noch nicht angefangen hatte, überlegte ich mir, schau dir doch einfach mal die Daten an. Ich gebe zu, dass ich da relativ simpel gestrickt bin: Wenn wir uns Sorgen um eine mögliche Erderwärmung machen, dann lasst uns einen Blick in die Aufzeichnungen der Durchschnittstemperaturen werfen. Also habe ich mir das angesehen - die Informationen stehen im Netz, ich möchte jeden auffordern, sich selbst davon ein Bild zu machen -, und war ziemlich überrascht.
Scheck: Während der letzten 140 Jahre ist tatsächlich eine globale Erwärmung feststellbar, aber diese fällt weit geringer aus, als man denken sollte.
Crichton: Erstens das, und wenn man sich zweitens die Langzeitaufzeichnungen anschaut, entweder weltweit oder von einzelnen Wetterstationen, dann stellt man fest, dass das, was jetzt geschieht, kein noch nie da gewesenes Ereignis ist, auf das wir sofort reagieren müssten, um eine Katastrophe zu verhindern. Dafür gibt es keinerlei Hinweise. Schließlich stieß ich noch auf etwas anderes, das mich stutzig machte - nämlich dass man sich in den 70er Jahren große Sorgen über eine Abkühlung des Erdklimas machten. Damals übertrumpften sich viele hochrenommierte Wissenschaftler in grimmigen Vorhersagen über die Konsequenzen - bis hin zu der Behauptung, dass die Auswirkungen dieses angeblich seit tausend Jahren nicht mehr beobachteten Phänomens schlimmer als die eines Atomkriegs sein würden. Die Wirklichkeit sah aber so aus, dass es einige Jahre später warm wurde, und nun machen wir uns Sorgen über die Erwärmung. Dies allein wäre für mich noch kein Grund, Entwarnung zu geben, aber wenn man sich dann noch die Temperaturaufzeichnungen ansieht und feststellt, dass der Trend entweder nach oben oder nach unten zeigt und sich dies alles in Zeiträumen von wenigstens Jahrzehnten abspielt, wo es eben wärmer oder kälter wird, dann kam ich zu dem Schluss, dass es keinen Anlass gibt, deswegen nun jetzt in Panik zu verfallen.
Scheck: Sie möchten also nicht, dass die USA die Klimaprotokolle von Kyoto ratifiziert?
Crichton: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum ich das Kyoto-Protokoll für keinen guten Ansatz zur Lösung des Problems der Klimaveränderungen halte. Erstens gab es schon Ende der 90er Jahre, also noch ehe das Protokoll aufgesetzt und von einigen Staaten ratifiziert wurde, Debatten unter Klimaforschern, dass selbst unter der Voraussetzung, dass die USA mitmachen, das Kyoto-Protokoll lediglich zu einer Reduzierung des Temperaturanstiegs um vier Hundertstel Grad im Jahre 2100 führt. Vier Hundertstel Grad sind fast nicht mehr messbar. Die Frage ist also, warum soll man einen Vertrag schließen, der selbst nach Angaben der Klimaforscher nahezu wirkungslos bleibt? Das andere Problem dreht sich um den Ausschluss der Entwicklungsländer, gegen den die USA in den 90er Einspruch erhob.
Scheck: Nun behandeln Sie diese wissenschaftlichen Ideen ja in Form eines Romans, und zwar eines Thrillers. Eine Ihrer Hauptfiguren, Professor Kenner, ist eine Art Superman - er ist Jurist und Geologe, sieht blendend aus und ist natürlich topfit. Was reizt Sie an so einem Helden?
Crichton: Ursprünglich wollte ich eine Art Serial-Thriller schreiben - als Kind bin ich jeden Samstag ins Kino gegangen, und da lief vor dem Hauptfilm immer so ein Serial - Captain Marvel oder Flash Gorden -, an dessen Ende der Held von Flammen umzingelt war oder sich in sonst einer auswegslosen Cliffhanger-Situation befand, die sich in der Woche darauf natürlich als halb so schlimm erwies. Diese Idee eines Cliffhangers, der sich dann als weit weniger dramatisch herausstellt, hat mir gefallen, denn das hatte ja viel mit meinem Thema zu tun. Als ich aber mit dem ersten Entwurf fertig war, merkte ich, dass die meisten Leser mit diesen Bezügen nichts anfangen konnten, einfach weil sie viel zu jung waren, um diese Serials je im Kino gesehen zu haben. Also habe ich diese Passagen entfernt, und was übrig blieb, waren Figuren wie Kenner, der tatsächlich eine Art Superman ist.
Scheck: Das war also Ihr Versuch, dem ganzen eine ironische Note zu verleihen?
Crichton: Ich mochte die Idee, dass die Struktur der Handlung erstens auf etwas anderes verweisen und zweitens mit diesen sich ständig ankündigenden, aber nie Wirklichkeit werdenden Katastrophen spielen würde. Es wäre eine schöne Anspielung gewesen, aber leider ist das einfach zu alt.
Scheck: Kennt die amerikanische Gesellschaft denn nur das Heute? Geht es in der Literatur denn nicht gerade darum, die Geschichte des Alltags zu bewahren?
Crichton: Schon, aber wenn ich einen Roman mit vielen Anspielungen auf Wilkie Collins und "Der Monddiamant" schriebe, dann würden die meisten Leser die nicht kapieren. An die Stelle des früher geteilten Wissens jedenfalls der amerikanischen Gesellschaft etwa über die griechische Mythologie ist heute die Kenntnis alter Fernsehserien getreten. Nehmen Sie nur mal einen Film wie "Pulp Fiction", in dem es von Anspielungen auf alte Fernsehserien nur so wimmelt. Deshalb ist es schwer, noch andere Referenzen in einem Roman unterzubringen.
Scheck: Geht vom Fernsehen die größte Umweltverschmutzung aus?
Crichton: Ja, ich finde schon. Wenn die großen amerikanischen Umweltschutzorganisationen gründlich forschen würden, müssten sie die Einschränkung des Fernsehkonsums aus gesundheitspolitischen Gründen fordern.
Scheck: Sie haben ja selbst Fernsehen gemacht - zum Beispiel die berühmte Serie "Emergency Room", die ja recht unterhaltsam war. Wie viele Menschen sind durch das in der Serie verbreitete medizinische Halbwissen gestorben?
Crichton: Hoffentlich keiner. Aber vielleicht sind viele gestorben, weil sie sich jahraus jahrein diese Serie angeguckt haben statt Sport zu treiben.
Scheck: Man hat sie aufgrund Ihrer unheimlichen Fähigkeit zur technischen Prophetie mit Jules Verne verglichen. In ihrem Roman geht es um einen Tsunami, und wir alle haben nun die Bilder des realen Tsunami Ende Dezember mit seinen tragischen Folgen vor Augen. Welche Gedanken, welche Gefühle löst dieses Zusammentreffen von Fiktion und Wirklichkeit in Ihnen aus?
Crichton: Es war wirklich verblüffend, mir verschlug es buchstäblich die Sprache. Ich machte zu dieser Zeit Urlaub in Hawaii, wo ich seit langem ein Haus besitze. Dort sind Tsunamis eine sehr reale Bedrohung, mein Haus wurde schon zweimal von einem Tsunami verwüstet. Nun aber die Bilder im Fernsehen zu sehen, quasi als Illustration dessen, worüber ich gerade geschrieben hatte, war nicht nur bestürzend, sondern gespenstisch.
Scheck: Ihr Roman heißt "Welt in Angst." Wovor hat der Schriftsteller Michael Crichton am meisten Angst?
Crichton: Mir machen Situationen Angst, in denen Organisationen der Gesellschaft großem Druck ausgesetzt sind, die Unwahrheit zu sagen. Zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften war dies stets ein Vorzeichen für schreckliche Folgen in der Zukunft. Wenn immer man bestimmte Dinge nicht aussprechen darf - weil sie als politisch oder gesellschaftlich inkorrekt gelten - löst das großes Unbehagen in mir aus.
Scheck: Sie sind ein amerikanischer Schriftsteller. Die USA befinden sich zur Zeit im Krieg. Welche Haltung haben Sie zu diesem Krieg?
Crichton: Wie wahrscheinlich die meisten Amerikaner glaube ich, dass der Einmarsch in den Irak eine gute Idee war, es aber eine schlechte Idee ist, jetzt im Irak zu bleiben. Einige Militärexperten haben eine sehr langfristige Analyse vorgelegt, die ich in einigen Punkten durchaus überzeugend finde. Der Hauptgedanke lautet, dass sowohl die Kriegsführung wie auch die Friedenssicherung zunächst rein militärisch definiert werden müssen. Zum Beispiel scheint die Zahl der Kriege von etwa 35 zu jedem beliebigen Zeitpunkt des 20. Jahrhunderts auf durchschnittlich 19 in den 90er Jahren gesunken zu sein. Und die Militärs glauben, dass dies am Golfkrieg lag, der an viele kleine Länder die Botschaft aussandte: wenn ihr einen Eroberungskrieg führt, werden euch die Großmächste die eroberten Territorien wieder wegnehmen. Dass sich dadurch die Zahl der Kriege fast halbierte, wurde viel zu wenig diskutiert. Wir können uns über die Folgen unseres Handelns nie ganz sicher sein. Gewiss ist es beunruhigend, sein Land in den Krieg ziehen zu sehen, umso mehr, als dieses Land dafür nicht die Unterstützung der Weltgemeinschaft besitzt. Fest steht, dass wir einen sehr aggressiven Präsidenten haben.
Crichton: Letzte Frage: als was möchte der Schriftsteller Michael Crichton in Erinnerung bleiben?
Crichton: Als Rationalist.
Crichton: Hoffentlich nicht. Vor Jahren hat mir ein Journalist aus England einmal gesagt, man wisse ja, wie es um meine politischen Ansichten stünde. Moment mal, fragte ich, wie sehen meine politischen Ansichten denn nach dem, was Sie gehört haben, aus? Reaktionär! lautete seine Antwort. Schon komisch. Aber wahr ist, dass in der Vergangenheit meine Bücher mehr Freunde im rechten als im linken Lager gefunden haben.
Scheck: Zu Ihren schärfsten Kritikern zählen die Feministinnen. Könnten Sie sich vorstellen, je einen Roman ausschließlich über weibliche Hauptfiguren zu schreiben?
Crichton: Kaum.
Scheck: Warum nicht?
Crichton: Weil es mich nicht überzeugt, wenn andere Autoren das versuchen. Ich bin der Meinung, dass wir in gewisser Weise Gefangene unserer Körper und unserer Erfahrungen sind. Ich glaube, aus Sicht einer Frau zu schreiben wäre sehr schwer und würde vermutlich auf eine Verfälschung hinauslaufen.
Scheck: Aber ist der Roman nicht im Gegenteil gerade erfunden worden, um in die Haut von jemandem anderen zu schlüpfen, um die Welt aus anderen Augen zu sehen?
Crichton: Stimmt. Vielleicht will ich ja nur sagen, dass ich so nicht schreiben kann.
Scheck: "Welt in Angst" heißt Ihr jüngstes Buch, Michael Crichton. Es geht um die Klimaerwärmung, und Sie zitieren darin Montaigne mit der Bemerkung, dass wir just davon am meisten überzeugt sind, wovon wir am wenigsten wissen. Was hat Sie an diesem Thema fasziniert?
Crichton: Ich bin zufällig auf diesen Stoff gestoßen. Ich las einen kurzen Artikel in einer Fachzeitschrift, der mir sehr verwirrend vorkam. Ich las ihn mehrmals, bis ich schließlich zu dem Schluss kam, dass der Autor etwas sagen wollte, was er nicht sagen durfte: nämlich dass ihn die Beweise für die Erwärmung der Erdatmosphäre nicht überzeugten. Mein erster Gedanke war: das ist doch lächerlich. Irgendwann, als ich ein Buch gerade abgeschlossen und das nächste noch nicht angefangen hatte, überlegte ich mir, schau dir doch einfach mal die Daten an. Ich gebe zu, dass ich da relativ simpel gestrickt bin: Wenn wir uns Sorgen um eine mögliche Erderwärmung machen, dann lasst uns einen Blick in die Aufzeichnungen der Durchschnittstemperaturen werfen. Also habe ich mir das angesehen - die Informationen stehen im Netz, ich möchte jeden auffordern, sich selbst davon ein Bild zu machen -, und war ziemlich überrascht.
Scheck: Während der letzten 140 Jahre ist tatsächlich eine globale Erwärmung feststellbar, aber diese fällt weit geringer aus, als man denken sollte.
Crichton: Erstens das, und wenn man sich zweitens die Langzeitaufzeichnungen anschaut, entweder weltweit oder von einzelnen Wetterstationen, dann stellt man fest, dass das, was jetzt geschieht, kein noch nie da gewesenes Ereignis ist, auf das wir sofort reagieren müssten, um eine Katastrophe zu verhindern. Dafür gibt es keinerlei Hinweise. Schließlich stieß ich noch auf etwas anderes, das mich stutzig machte - nämlich dass man sich in den 70er Jahren große Sorgen über eine Abkühlung des Erdklimas machten. Damals übertrumpften sich viele hochrenommierte Wissenschaftler in grimmigen Vorhersagen über die Konsequenzen - bis hin zu der Behauptung, dass die Auswirkungen dieses angeblich seit tausend Jahren nicht mehr beobachteten Phänomens schlimmer als die eines Atomkriegs sein würden. Die Wirklichkeit sah aber so aus, dass es einige Jahre später warm wurde, und nun machen wir uns Sorgen über die Erwärmung. Dies allein wäre für mich noch kein Grund, Entwarnung zu geben, aber wenn man sich dann noch die Temperaturaufzeichnungen ansieht und feststellt, dass der Trend entweder nach oben oder nach unten zeigt und sich dies alles in Zeiträumen von wenigstens Jahrzehnten abspielt, wo es eben wärmer oder kälter wird, dann kam ich zu dem Schluss, dass es keinen Anlass gibt, deswegen nun jetzt in Panik zu verfallen.
Scheck: Sie möchten also nicht, dass die USA die Klimaprotokolle von Kyoto ratifiziert?
Crichton: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum ich das Kyoto-Protokoll für keinen guten Ansatz zur Lösung des Problems der Klimaveränderungen halte. Erstens gab es schon Ende der 90er Jahre, also noch ehe das Protokoll aufgesetzt und von einigen Staaten ratifiziert wurde, Debatten unter Klimaforschern, dass selbst unter der Voraussetzung, dass die USA mitmachen, das Kyoto-Protokoll lediglich zu einer Reduzierung des Temperaturanstiegs um vier Hundertstel Grad im Jahre 2100 führt. Vier Hundertstel Grad sind fast nicht mehr messbar. Die Frage ist also, warum soll man einen Vertrag schließen, der selbst nach Angaben der Klimaforscher nahezu wirkungslos bleibt? Das andere Problem dreht sich um den Ausschluss der Entwicklungsländer, gegen den die USA in den 90er Einspruch erhob.
Scheck: Nun behandeln Sie diese wissenschaftlichen Ideen ja in Form eines Romans, und zwar eines Thrillers. Eine Ihrer Hauptfiguren, Professor Kenner, ist eine Art Superman - er ist Jurist und Geologe, sieht blendend aus und ist natürlich topfit. Was reizt Sie an so einem Helden?
Crichton: Ursprünglich wollte ich eine Art Serial-Thriller schreiben - als Kind bin ich jeden Samstag ins Kino gegangen, und da lief vor dem Hauptfilm immer so ein Serial - Captain Marvel oder Flash Gorden -, an dessen Ende der Held von Flammen umzingelt war oder sich in sonst einer auswegslosen Cliffhanger-Situation befand, die sich in der Woche darauf natürlich als halb so schlimm erwies. Diese Idee eines Cliffhangers, der sich dann als weit weniger dramatisch herausstellt, hat mir gefallen, denn das hatte ja viel mit meinem Thema zu tun. Als ich aber mit dem ersten Entwurf fertig war, merkte ich, dass die meisten Leser mit diesen Bezügen nichts anfangen konnten, einfach weil sie viel zu jung waren, um diese Serials je im Kino gesehen zu haben. Also habe ich diese Passagen entfernt, und was übrig blieb, waren Figuren wie Kenner, der tatsächlich eine Art Superman ist.
Scheck: Das war also Ihr Versuch, dem ganzen eine ironische Note zu verleihen?
Crichton: Ich mochte die Idee, dass die Struktur der Handlung erstens auf etwas anderes verweisen und zweitens mit diesen sich ständig ankündigenden, aber nie Wirklichkeit werdenden Katastrophen spielen würde. Es wäre eine schöne Anspielung gewesen, aber leider ist das einfach zu alt.
Scheck: Kennt die amerikanische Gesellschaft denn nur das Heute? Geht es in der Literatur denn nicht gerade darum, die Geschichte des Alltags zu bewahren?
Crichton: Schon, aber wenn ich einen Roman mit vielen Anspielungen auf Wilkie Collins und "Der Monddiamant" schriebe, dann würden die meisten Leser die nicht kapieren. An die Stelle des früher geteilten Wissens jedenfalls der amerikanischen Gesellschaft etwa über die griechische Mythologie ist heute die Kenntnis alter Fernsehserien getreten. Nehmen Sie nur mal einen Film wie "Pulp Fiction", in dem es von Anspielungen auf alte Fernsehserien nur so wimmelt. Deshalb ist es schwer, noch andere Referenzen in einem Roman unterzubringen.
Scheck: Geht vom Fernsehen die größte Umweltverschmutzung aus?
Crichton: Ja, ich finde schon. Wenn die großen amerikanischen Umweltschutzorganisationen gründlich forschen würden, müssten sie die Einschränkung des Fernsehkonsums aus gesundheitspolitischen Gründen fordern.
Scheck: Sie haben ja selbst Fernsehen gemacht - zum Beispiel die berühmte Serie "Emergency Room", die ja recht unterhaltsam war. Wie viele Menschen sind durch das in der Serie verbreitete medizinische Halbwissen gestorben?
Crichton: Hoffentlich keiner. Aber vielleicht sind viele gestorben, weil sie sich jahraus jahrein diese Serie angeguckt haben statt Sport zu treiben.
Scheck: Man hat sie aufgrund Ihrer unheimlichen Fähigkeit zur technischen Prophetie mit Jules Verne verglichen. In ihrem Roman geht es um einen Tsunami, und wir alle haben nun die Bilder des realen Tsunami Ende Dezember mit seinen tragischen Folgen vor Augen. Welche Gedanken, welche Gefühle löst dieses Zusammentreffen von Fiktion und Wirklichkeit in Ihnen aus?
Crichton: Es war wirklich verblüffend, mir verschlug es buchstäblich die Sprache. Ich machte zu dieser Zeit Urlaub in Hawaii, wo ich seit langem ein Haus besitze. Dort sind Tsunamis eine sehr reale Bedrohung, mein Haus wurde schon zweimal von einem Tsunami verwüstet. Nun aber die Bilder im Fernsehen zu sehen, quasi als Illustration dessen, worüber ich gerade geschrieben hatte, war nicht nur bestürzend, sondern gespenstisch.
Scheck: Ihr Roman heißt "Welt in Angst." Wovor hat der Schriftsteller Michael Crichton am meisten Angst?
Crichton: Mir machen Situationen Angst, in denen Organisationen der Gesellschaft großem Druck ausgesetzt sind, die Unwahrheit zu sagen. Zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften war dies stets ein Vorzeichen für schreckliche Folgen in der Zukunft. Wenn immer man bestimmte Dinge nicht aussprechen darf - weil sie als politisch oder gesellschaftlich inkorrekt gelten - löst das großes Unbehagen in mir aus.
Scheck: Sie sind ein amerikanischer Schriftsteller. Die USA befinden sich zur Zeit im Krieg. Welche Haltung haben Sie zu diesem Krieg?
Crichton: Wie wahrscheinlich die meisten Amerikaner glaube ich, dass der Einmarsch in den Irak eine gute Idee war, es aber eine schlechte Idee ist, jetzt im Irak zu bleiben. Einige Militärexperten haben eine sehr langfristige Analyse vorgelegt, die ich in einigen Punkten durchaus überzeugend finde. Der Hauptgedanke lautet, dass sowohl die Kriegsführung wie auch die Friedenssicherung zunächst rein militärisch definiert werden müssen. Zum Beispiel scheint die Zahl der Kriege von etwa 35 zu jedem beliebigen Zeitpunkt des 20. Jahrhunderts auf durchschnittlich 19 in den 90er Jahren gesunken zu sein. Und die Militärs glauben, dass dies am Golfkrieg lag, der an viele kleine Länder die Botschaft aussandte: wenn ihr einen Eroberungskrieg führt, werden euch die Großmächste die eroberten Territorien wieder wegnehmen. Dass sich dadurch die Zahl der Kriege fast halbierte, wurde viel zu wenig diskutiert. Wir können uns über die Folgen unseres Handelns nie ganz sicher sein. Gewiss ist es beunruhigend, sein Land in den Krieg ziehen zu sehen, umso mehr, als dieses Land dafür nicht die Unterstützung der Weltgemeinschaft besitzt. Fest steht, dass wir einen sehr aggressiven Präsidenten haben.
Crichton: Letzte Frage: als was möchte der Schriftsteller Michael Crichton in Erinnerung bleiben?
Crichton: Als Rationalist.