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Flattr und Co

Wie kann man guten Journalismus im Internet finanzieren? Zum Beispiel mit dem Internet-Bezahldienst Flattr, der vor gut einem Jahr auf den Markt kam. Durch einen Klick leitet man eine Spende an den Autor weiter. Schöne Idee dachten damals viele Blogger.

Von Stefan Römermann | 30.07.2011
    Kleinvieh macht eben auch Mist: Zwar verdienen die Autoren in der Regel jedes Mal nur wenige Cent, wenn ein Leser auf den Flattr-Knopf unter einem ihrer Artikel klickt. Doch zumindest bei gut besuchten Internetseiten läppern sich die Beträge zusammen. Medienjournalist und BildBlog-Gründer Stefan Niggemeier verdient sich mit seinem eigenen Weblog immerhin ein kleines Zubrot.

    "Also bei mir im Blog, wenn ich fleißig bin, in einem Monat, kommen da so 300, 400 Euro zusammen. Wenn ich weniger mache, dann auch deutlich weniger."

    Bei vielen Tageszeitungen verdienen die Autoren erheblich weniger pro geschriebene Textzeile. Doch so einfach ist die Rechnung offenbar nicht. Denn besonders beliebt – und damit auch finanziell besonders lukrativ - sind nämlich gerade nicht die langen, und besonders aufwendig recherchierten Texte – sondern kurze Stücke, die die Meinung der Leser bestätigen. Die Flattr-Hitparade in Stefan Niggemeiers Blog führt jedenfalls ein kurzer Kommentar zu einem Foto von Stefanie zu Guttenberg an.

    "Meine Eigenleistung bei diesem Beitrag ist minimal. Aber mehrere Hundert Mal ist der glaube ich geflattrt worden, irgendwie zweihundert-irgendwas. Also da sieht man sehr deutlich, das Leute einfach aus so einer Zustimmung – haha, das war lustig, das hat mir gefallen! – dann auch klicken. So gesehen kann man sagen, es wird nicht unbedingt Qualität belohnt."

    Diese Erfahrung bestätigt auch Markus Beckedahl, der das besonders in der Internetszene einflussreiche Blog Netzpolitik.org betreibt: Am häufigsten wurden auch dort bei kurzen, witzigen Beiträgen geflattrt, also auf den Spendenbutton geklickt, erzählt Beckedahl.

    "Währenddessen dann halt lange Hintergrundberichte, oder in eine Ausschusssitzung im Bundestag gehen. Drei bis vier Stunden lang mitschreiben, das Ganze noch mal zusammenfassen, einen 30.000-Zeichen-Artikel online stellen, noch nie jemand interessiert hat. Weder bei den Abrufzahlen, noch bei den Kommentaren, noch bei den Flattrn."

    Bisher verdienen außerdem nur wenige Blogs überhaupt nennenswerte Beträge mit Flattr. Die meisten Blogger stecken sogar erheblich mehr Geld in das System, als sie selbst verdienen – und halten es dadurch am Leben. Mehr Geld auch für kleinere Blogs und Onlinemedien könnte aber nur zusammen kommen, wenn erheblich mehr Menschen Flattr benutzen würden. Doch das ist nicht in Sicht. Die Zahl der aktiven Mitglieder bei Flattr stagniert seit Monaten, genauso wie die Einnahmen der meisten Blogs. Mit den gleichen Problemen hat auch der Flattr-Konkurrent Kachingle zu kämpfen, der in Amerika etwas populärer ist – aber hier in Deutschland zurzeit praktisch keine Rolle spielt. Ob sich die Idee solcher sogenannten Mikrospendensysteme wie Flattr oder Kachingle wirklich durchsetzen kann, ist deshalb durchaus offen. Vielen Internetnutzern ist die Hürde, sich bei einem Bezahldienst wie Flattr erst einmal anzumelden aber offenbar immer noch zu hoch, glaubt Markus Beckedahl vom Blog Netzpolitik.org.

    "In der breiten Bevölkerung ist das Konzept überhaupt noch gar nicht angekommen. Und man hat so ein bisschen das Gefühl, dass halt so, naja, sehr intensive Internetnutzer, die auch in Blogs und Podcasts aktiv sind, das auch sehr rege nutzen. Aber - ja - unsere Eltern zum Beispiel absolut keine Zielgruppe dafür sind."

    Das bestätigen auch die Erfahrungen bei der "taz". Die Tageszeitung setzt seit rund einem Jahr auf ihrer Webseite Flattr-Buttons ein, um die Kosten für die Onlineauftritte zu refinanzieren. Monatlich kommen dabei etwa 1300 EUR Spenden über Flattr zusammen. Doch um professionellen Journalismus im Netz zu finanzieren, reicht das hinten und vorne nicht. Dabei sei die Spendenbereitschaft gerade bei den taz-Lesern grundsätzlich vorhanden, erklärt taz-Onlinechef Matthias Urbach.

    "Wir haben bemerkt, dass viele auch so ein bisschen gefremdelt haben mit Flattr. Es gibt einfach Leute, die nicht so internetaffin sind. Die nicht so jedem neuen technischen Trend hinterher laufen. Die finden, das ist irgendwie so ein Fremdkörper zwischen ihnen und der taz."

    Inzwischen hat die "taz" deshalb ein eigenes Spendensystem entwickelt. Mit einem Klick auf den "taz-zahl-ich"-Knopf können Leser relativ einfach Geld per Lastschrift, Überweisung, Kreditkarte oder Paypal an die Redaktion schicken. Und auch per Flattr kann man weiter spenden – vorerst jedenfalls.