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Flaute

Wer jetzt in den Semesterferien nicht gerade vor einer Hausarbeit sitzt oder ein Praktikum absolviert, der kümmert sich in der Regel darum, das eigene Konto aus den roten Zahlen zu holen oder für das kommende Semester schon mal ein finanzielles Polster anzulegen. Doch mit den Studentenjobs verhält es sich zurzeit wie mit der gesamten Situation auf dem Arbeitsmarkt: Es herrscht Flaute. "Die Studenten sind genauso arm dran wie die Arbeitslosen" heißt es aus der Studentenvermittlung der Arbeitsagentur in Berlin, "mehr als mau" bezeichnen die Vermittler der Arbeitsagentur Dresden die Lage und in München nennt man die derzeitigen Chancen auf einen Studentenjob schlichtweg "bescheiden". Trotzdem kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken - denn es gibt Studentenstädte, in denen es diese Semesterferien doch noch was zu Holen gibt.

Von Julia Tzschätzsch | 31.08.2004
    Morgens 10 Uhr in der Studentenvermittlung der Arbeitsagentur Dortmund. Im Warteraum tummeln sich bereits zahlreiche Studenten in der Hoffnung, hier noch einen Semesterferien-Job zu ergattern. Auch Harkam Bay studiert – sichtlich genervt - die spärlichen Stellenanzeigen an den Pinnwänden...

    Früher war's so, dass man schnell was bekommen hat, wenn ich mich irgendwo vorgestellt habe. Ich bin seit zwei Tagen eigentlich eher geschockt, kann man schon sagen, weil überall da wo ich mich vorstelle: Entweder hat man nichts oder es ist sehr schlecht bezahlt, verdammt schlecht, geht bei 5, 6 Euro los – ja, im Endeffekt sieht's so aus.

    Zu Beginn seiner Jobsuche hatte Harkam Bay auf Initiativbewerbungen gesetzt - ohne Erfolg. Die Studentenvermittlung der Arbeitsagentur Dortmund ist für ihn die letzte Anlaufstelle. Angebote für Messejobs und Raumpflegearbeiten gibt es eigentlich genug, aber weil er Maschinenbau studiert, sucht er mehr nach "etwas technischem"...

    ...und etwas längerfristigem, wo ich also halt zwei, drei Monate am Stück durcharbeiten kann, wo ich auch ein bisschen mehr verdiene als fünf, sechs Euro die Stunde und das ist eben sehr schlecht. Oftmals sind es geringfügige Stellen, befristete Stellen, die dann über zwei Wochen gehen, drei Wochen gehen oder zwei, drei Tage gehen und sehr schlecht bezahlt, das kann ich immer nur wieder sagen.

    Die Durchschnittgehälter für Studentenjobs variieren bundesweit. Während der Stundenlohn in Hamburg, München und Frankfurt am Main nach Angaben der jeweiligen Arbeitsagenturen mindestens zehn Euro beträgt, liegt er im Raum Hannover bei acht Euro. In Leipzig arbeitet man als Student für durchschnittlich fünf bis sieben, in Dresden für fünf bis sechs Euro in der Stunde – und hier ist die Vergütung sogar rückläufig. In vielen Fällen werden eigentliche Studentenjobs auch als Praktika getarnt, das kostet den Arbeitnehmer dann gar nichts mehr. Die Gehälter, das weiß Studentenvermittlerin Anja Janku von der Arbeitsagentur Dortmund, hängen aber auch von der Tätigkeit ab...

    Die Regel liegt eigentlich zwischen 8 und 10 Euro, es gibt aber auch Stellenangebote, die sind manchmal niedriger dotiert, wo wir dann den Firmen aber allerdings sagen: 'Das ist eigentlich nicht die Regel', müssen's dann aber leider mit anbieten. Es gibt aber auch Stellenangebote, die sind sehr hoch und gut dotiert, die liegen dann bei 12 Euro, 15 Euro – dann allerdings meistens für Leute wirklich mit Vorkenntnissen, mit einer Ausbildung oder wo halt Anforderungen an die Stelle gemacht werden.

    Jobangebote für Studenten sind seit rund vier Jahren bundesweit rückläufig. In München hat man im Jahr 2000 beispielsweise noch 27.000 Studenten jährlich vermitteln können – im vergangen Jahr waren es nur noch 17.000...

    Wir haben momentan rund 2600 Bewerber gemeldet, wobei wir sagen müssen, dass das nicht nur welche sind, die für die Semesterferien suchen, das sind halt auch Leute, die studienbegleitend suchen – also die kann ich jetzt leider nicht rausfiltern. Und aktuell Stellenangebote haben wir so im Schnitt zwischen 250 und 150...

    Das heißt in Dortmund kommen mehr als zehn Bewerber auf eine Stelle.
    Komplett aussichtslos ist die Lage aber nicht: Wer hartnäckig bleibt, also am Besten täglich persönlich bei der Arbeitsagentur auftaucht und nicht auf einen bestimmtem Tätigkeitsbereich pocht, hat noch gute Chancen. Und in Münster sieht es in punkto Studentenjobs seit einigen Wochen sogar richtig gut aus...

    Es riefen etliche Baubetriebe an, dann im Gartenlandschaftsbau hatten wir einige Nachfragen, dann hat jetzt ein großer Chemiebetrieb angerufen, die suchten sogar Studenten über die Semesterferien hinaus, und natürlich supergut bezahlt nach dem Chemietarif.

    Dass in Münster momentan viele Studenten mit einem Job in der Tasche die Arbeitsagentur verlassen, macht Vermittlerin Irene Backasch richtig stolz. Und es hat sich inzwischen rumgesprochen...

    Die rufen von Bielefeld, die rufen von Leipzig, von Dresden, von Trier, von überall aus an - weil es gibt ja auch viele, die außerhalb von Münster studieren, aber hier ihren Wohnsitz haben und wenn es dort auf dem Arbeitsmarkt schlecht ist, dann versucht man das natürlich in der Heimatstadt nech und im Moment kann ich nur sagen, sieht es wirklich ganz klasse aus.

    Vorausgesetzt wird bei vielen Stellenangeboten Praxiserfahrung, EDV-Kenntnisse, am Besten ein eigener PKW und: fließendes Deutsch. Eine Anforderung, an der ausländische Studenten oftmals scheitern.

    Studentenvermittlerin Anja Janku weiß aber, dass die besten Qualifikationen nichts nützen, wenn das Glück nicht mitspielt....

    Es gibt Leute, die kommen frühzeitig, die kommen 'n Monat vorher auf uns zu und haben am Ende der Semesterferien gar nicht gearbeitet, weil sie halt immer zum falschen Zeitpunkt hier waren und es gibt auch Leute, die kommen einfach irgendwann mal so spontan hier reingeschneit, mehr oder weniger noch die Einkaufstüte in der Hand: 'Ach, ich wollt mal gucken' und die haben wirklich am nächsten Tag 'n Job – es ist wirklich so ein bisschen wie Lotto.