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Fleece, Filz und Wolle

Wollkleidung ist für die Übergangszeit zwischen Frühling und Sommer gut geeignet. Wolle kann sich an wechselnde Witterungsbedingungen anpassen. Doch mit Fleece aus Polyester ist dem Naturmaterial in den vergangenen Jahren eine starke Konkurrenz erwachsen, während andererseits Filz eine Renaissance erlebt.

Von Sofia Mindel | 16.05.2008
    " Ich habe Unmengen Fleece im Kleiderschrank. Weil's so furchtbar praktisch ist und so warm und so pflegeleicht. Ich kann das problemlos in die Waschmaschine schmeißen, es ist schnell trocken, es ist schnell wieder verwendbar, von daher - wunderbar. "

    Matthias Herbst liegt mit seiner Vorliebe voll im Trend. Die mit dem englischen Wort "Fleece" bezeichneten Stoffe werden immer beliebter und verdrängen traditionelle Wollgewebe. Allerdings erlebt der teurere Filz in den letzten Jahren eine Art Comeback. Filzstoffe entstehen nicht durch Stricken oder Weben. Beim Filzen werden Wollfasern nebeneinander gelegt und mit feuchter Wärme, Seife und Druck so bearbeitet, dass sie sich ineinander verschlingen. Anita Köstler aus Neualbenreuth kurz vor der tschechischen Grenze beherrscht die alten Techniken des Filzens von Hand. Wichtig sei es, die Wollfasern sorgfältig zu legen, dachziegelartig und möglichst gleichmäßig:

    " So dass dann später, wenn man das Wasser auf die Wolle gibt, das Wasser die Wolle wirklich durchfeuchten kann und diese Schuppen, die ein Wollhaar hat, sich ganz leicht öffnen können. Und an den Schuppen, da hängen so Art Klettverschlüsse, durch die Reibung entsteht dann ein enges, dichtes Filzgelege. "

    Während Köstler den Filzstoff mit der Hand bearbeitet, zupfen bei industriellem Filz Hunderte von Nadeln die Lagen durcheinander, bis sie fest verhakt sind. Verwandt mit dem Filz ist der Loden - hier wird die Wolle allerdings vor dem Bearbeiten nicht gelegt, sondern gewebt. Das Herzstück der Lodenproduktion ist die Walke.

    Stundenlang knetet die Walke die gewebten Stoffe, bis diese von zwei Meter zwanzig Breite auf 1 Meter fünfzig gestaucht sind. 2.500 Meter Stoff webt die Tuchfabrik Mehler in Tirschenreuth in der Oberpfalz pro Tag. Für Lodentrachten, Uniformen oder Taschen. Ein Kleidungsstück aus Loden hat viele gute Eigenschaften, weiß Firmenchef Paulus Mehler: Es hält die Wärme gut am Körper, weist Wind und Wasser ab:

    " Das hängt zusammen mit seiner Struktur. Auch mit diesem Wollfett, dem Lanolin, was die Wollfaser umkleidet. Sollte aber trotzdem Feuchtigkeit auf dem Gewebe eindringen, dann kann 30 Prozent vom Stoffgewicht die Wollfaser aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. "

    Loden ist außerdem schmutzresistent. Was er nicht mag, ist viel Waschen, doch das ist gar nicht nötig: Auslüften genügt, fester Schmutz lässt sich abklopfen. Die Garne für den Loden produziert die Tuchfabrik in Brandenburg, die Wolle dafür kommt grob gesagt aus den südlichen Ländern der Welt, aus Australien und Neuseeland, Südafrika oder Argentinien. Doch ein Loden hat seinen Preis:

    " Es ist halt relativ aufwendig, so einen Faden zu machen. Und ein Loden braucht ja bis zu 25 Arbeitsgänge, bis er dann komplett fertig ist. Und die Wolle hat einen gewissen Preis, ist ja deutlich teurer wie Polyester. "

    Optisch und in der Handhabung sind sich Loden und Filz sehr ähnlich. Filz beult allerdings leicht aus, zum Beispiel am Ellenbogen. Einmal bügeln gleicht das wieder aus, meint Filzexpertin Köstler. Und sie rät außerdem: vor dem Kauf von Filzkleidung immer ausprobieren, ob es kratzt.

    Aus der Heimproduktion in einen weltweiten Vertrieb: die Christian Weichert GmbH in Ismaning bei München. Juniorchef Marco Weichert prüft mit fachkundigen Händen die Zusammensetzung der Fleece-Proben, die in Ordnern und an Kleiderstangen in seinem Büro verteilt sind. Fleece hat einen großen Vorteil gegenüber Wolle, sagt Weichert: Es lässt sich leicht waschen. Es ist vergleichsweise billig. Und vor allem für Sportler unverzichtbar:

    " Sobald man anfängt zu schwitzen, ist ganz klar die Wolle im Nachteil: Die Wolle würde das Wasser aufsaugen, würde schwer werden, würde sich schließen, die Atmung geht runter und fängt an zu müffeln. Während Polyester keine Veränderung bei Feuchtigkeit in seiner Struktur im Garn hat. Die Ware wird nicht schwerer und die Feuchtigkeit transportiert sich allein schon auch durch den Druckunterschied von innen, wo's wärmer ist, nach außen, wo's kühler ist. "

    Fleece entsteht aus weltweit produzierten Polyester-Fäden, also Ölderivaten. Mancher Fleece wird aus recycelbaren PET-Flaschen gewonnen. In der Optik ist das von frischem Polyester-Fleece nicht zu unterscheiden, allerdings deutlich teurer. Grundsätzlich warnt Weichert vor Billigprodukten, die schnell abgegriffen aussehen. Doch wie erkennt der Laie ein gutes Fleece?

    " Ich erkenne es auf jeden Fall optisch, indem ich ein sehr regelmäßiges Bild habe. Es empfiehlt sich, wenn man sich optisch nicht zu einer wirklichen Einschätzung traut, dass man wirklich mit dem Daumen ein bisschen über das Material rubbelt. Natürlich ganz vorsichtig, man soll das Teil im Handel ja nicht zerstören. Und ich denke, Sie würden dort sehr schnell zwischen einem guten und einem schlechten Material unterscheiden können: ob der Flor verlammt, verknubbelt, kleine Knötchen macht oder ob er einfach sich sehr sauber verhält. "

    Im Gegensatz zum Fleece ist die Wolle ein lebendiges Material: sie öffnet sich und atmet bei Wärme - bei Kälte dagegen schließt sie sich und wärmt selbst dann noch, wenn sie nass geworden ist. Deswegen Weicherts Fazit: Wolle für Freizeitkleidung, Fleece für den Sportbereich. Das Ideal ist eine Kombination aus beiden, die tatsächlich immer beliebter wird. Denn ein Wolle-Polyester-Gemisch vereint die Vorteile beider Materialien. Allerdings ist das für die Kunden dann wieder teurer.