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Fleischatlas 2014
Hunger auf Fleisch ungebrochen

Die weltweite Nachfrage nach Fleisch steigt weiterhin an. Die Folge dieser Entwicklung sei eine drastische Zunahme der intensivierten Agrarwirtschaft und der Massentierhaltung - mit nicht tiergerechten Haltungsformen, warnt die Heinrich Böll Stiftung.

Von Dieter Nürnberger | 09.01.2014
    Die weltweite Nachfrage nach Fleisch und somit auch der Konsum steigen weiterhin an. Allerdings ist auch festzustellen, dass in einzelnen Industrieländern, Europa und die USA, der Konsum nur noch langsam wächst oder sogar etwas rückläufig ist. Auf der anderen Seite gibt es ein großes Wachstum in den Schwellenländern und beispielsweise geht es auch in Afrika nach oben, aber langsamer und von einem deutlich geringeren Sockel aus.
    Die Prognose für den weltweiten Pro-Kopf-Fleischverbrauch 2013 liegt bei 43 Kilogramm - auffällig sind aber die regionalen Unterschiede, sagt Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich Böll Stiftung:
    "In Deutschland konsumieren wir knapp 60 Kilogramm pro Kopf. Es ist schön, dass der Verbrauch hier um rund zwei Kilo pro Kopf zurückgegangen ist. Ein US-Bürger konsumiert mehr als 75 Kilogramm und im Durchschnitt konsumieren die Afrikaner unter 20 Kilogramm pro Kopf und Jahr."
    Industrieländer dominieren den Fleischmarkt
    Die heute vorgestellten Zahlen im Fleischatlas stammen aus offiziellen Statistiken, etwa von der Welternährungsorganisation. Veröffentlicht werden die Daten, um Zusammenhänge aufzuzeigen - was bedeutet die Fleischproduktion etwa für die Umwelt, für die Gesundheit, aber auch beispielsweise für politische und gesellschaftliche Strukturen. Aufgrund der Zahlen wird deutlich, dass der internationale Fleischhandel allein den vergangenen zehn Jahren um 40 Prozent gewachsen ist, dominiert wird er Markt immer noch von den großen Industrieländern - und ganz vorn mit dabei ist auch Deutschland. Barbara Unmüßig sieht dies kritisch:
    "Ich nenne das, was in Deutschland bei über 700 Millionen Tieren jährlich stattfindet Dumpingschlachten. Und das zu desaströsen Arbeitsbedingungen. Es gibt dänische Firmen, die mit Tausenden von Tieren nach Deutschland kommen, um hier zu schlachten. Es kann nicht sein, dass Deutschland weiterhin als agrarpolitisches Ziel formuliert, dass wir die Fleischexporte in alle Welt ausbauen wollen."
    Die Folge dieser Entwicklung sei eine drastische Zunahme der intensivierten Agrarwirtschaft, der Massentierhaltung - mit in der Regel, so die Heinrich Böll Stiftung - unappetitlichen, nicht tiergerechten Haltungsformen. Hier gab es in der Vergangenheit ja auch stets Vorwürfe gegen die Praxis der Massenschweinehaltung in den USA beispielsweise.
    Tier, Mensch und Umwelt leiden
    Das alles habe negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz gehört ebenso zu den Herausgebern des Fleischatlas. Kritik gibt es am Einsatz von Antibiotika und Hormonen in der Tierhaltung, oder auch an zunehmenden Boden- und Gewässerproblemen durch Nitrate. Reinhild Benning, die Agrarexpertin des BUND:
    "Auch Deutschland wird die Ziele der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinie, die vorgibt, dass bis zum Jahr 2105 die Gewässer in einen guten Zustand zu bringen sind, eindeutig verfehlen. Weil auch die Tierhaltung wird immer industrialisierter."
    Nicht zuletzt auch noch ein Blick auf die Futtermittelproduktion für die Fleischwirtschaft: 70 Prozent der weltweiten Agrarflächen werden inzwischen von der Tierfütterung beansprucht, so der Bericht. Die Folge sei Verdrängung oder auch eine Konkurrenzsituation zwischen Futter- und der direkten Lebensmittelproduktion. Barbara Unmüßig von der Heinrich Böll Stiftung:
    "Weltweit landen 57 Prozent der Gerste-, Mais- und Hirseernte im Trog. In der EU sind es allein 45 Prozent der Weizenernte. Auch hier zum Vergleich: In Afrika dient - und ich sage noch - die Getreideernte zu 80 Prozent der Ernährung der Menschen."