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Fliegen für die Wissenschaft

Mechanik. - Kaum etwas fasziniert den Menschen so sehr wie das Fliegen. Mittlerweile gibt es jede Menge technisch ausgefeilte Flugkörper. Aber an die Genauigkeit und Wendigkeit eines Vogels kommen sie bei weitem nicht heran. Forscher aus München haben jetzt den Flug des Falken ganz genau unter die Lupe genommen. Was sie beobachtet und berechnet haben, soll irgendwann die Grundlage für den Bau kleiner Flugobjekte sein.

Von Anne Kleinknecht |
    "Wenn der Falke einer Beute hinterherjagt, passiert das sehr schnell. Die Beute flüchtet vor so einem Jäger. Und der Vogel schießt hinterher und macht jede Kurve mit wie ein Gepard hinter einer Gazelle. Und die Möglichkeiten, solche Flugmanöver zu vollführen, sind besonders und wünschenswert für Flugzeuge so etwas irgendwann auch mal zu können."

    Alexander Friedl kommt gern ins Schwärmen, wenn er sein Forschungsobjekt beschreibt. Der Diplom-Ingenieur arbeitet am Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München. Er untersucht dort den Flügelschlag des Falken. Heute ist der Falkner Achim Schmidt mit dem Falkenweibchen Flo zu Besuch an der Universität. Schmidt soll den Vogel in einem Windkanal fliegen lassen, damit die Forscher den Flügelschlag mit Hilfe von Kameras beobachten können.

    "Schauen wir einmal, wie Flo jetzt drauf ist wenn sie wieder ins Loch fliegen soll. Grundsätzlich war sie jetzt heute früh schon ganz gut drauf. Jetzt haben wir wieder das schwarze Loch. Die zusätzliche Aufgabe für den Vogel."

    Damit sich der Falke an die Enge in dem 22 Meter langen Windkanal gewöhnt, setzt Schmidt ihn schon vor dem Versuch hinein. Die Forscher haben den Tunnel so ausgestattet, dass sie den Vogelflug später bis ins kleinste Detail verfolgen können. Alexander Friedl:

    "Jetzt sind wir in dem Bereich, in dem der Vogel dann auch fliegt. Da sieht man schon die Kameras ein bisschen versteckt, von unten schauen Sie durch Löcher im Windkanal. Und dann von oben durch Glasscheiben und auch von der Seite durch Glasscheiben."

    Ein großer Ventilator am Ende des Kanals saugt Luft aus der Umgebung an. Die Forscher können genau einstellen, mit welcher Geschwindigkeit sie durch den Windkanal strömt. Während des Versuchs fliegt der Vogel mit 60 bis 70 Kilometern pro Stunde durch die Röhre – bei Gegenwind etwas langsamer. Friedl:

    "Ein üblicher Versuchsablauf sieht so aus, dass zwei Personen im Windkanal stehen. Eine am hinteren Ende, eine am vorderen Ende. Und der Vogel am hinteren Ende des Kanals startbereit gemacht wird. Dann der Gegenwind eingeschaltet wird für den Vogel. Und dann das Futter, das Lockmittel für den Vogel, rausgeholt wird. Und dann der Vogel startet gegen den Wind und ganz automatisch an unseren Kameras vorbeifliegt."

    "Machen wir einen ganz normalen mit ein bisschen Gegenwind?"

    "Mit wenig Wind wenn wir starten."

    "Dann mache ich hier zu. Zwischen den Kameras. Ich sage dann gleich noch einmal wie es ausgeschaut hat von außen."

    "Alles klar, ganz leichter Wind."

    Sechs Hochgeschwindigkeitskameras zeichnen die Details des Vogelflugs auf. Sie können bis zu 6000 hoch aufgelöste Bilder pro Sekunde aufnehmen. Diese Informationen laufen in einem Computerprogramm zusammen. Das Programm erlaubt es den Forschern nachzuvollziehen, was beim Flug passiert. Friedl:

    "Ziel ist eigentlich, die Form des Flügels während des gesamten Fluges zu rekonstruieren. Wir wollen am Ende ein dreidimensionales Modell haben, das man sich am Computer anschauen kann als Standbild und als dreidimensionale Information. Dass man wirklich weiß: Wie ist der Flügel gebogen, wie dick ist er an jeder Stelle?"

    Alexander Friedl wird diese Informationen an die Technische Universität Braunschweig weitergeben. Dort simulieren Experten für Strömungsmechanik schon jetzt den Vogelflug am Computer. Sie wollen Friedls Daten nutzen, um den Flügelschlag ihres Computerfalken an den eines echten Falken anzupassen. Am Ende möchten Ingenieure mit Hilfe dieser Informationen kleine Flugobjekte bauen, die sich genau wie der Falke per Flügelschlag fortbewegen. Diese Mini-Flieger könnten zum Beispiel zur Verkehrsüberwachung eingesetzt werden oder Katastrophengebiete überfliegen, in die sich kein Mensch hineintraut.