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Fliegen mit der Kraft der Algen

Das kleine Flugzeug heißt DA42 New Generation und fliegt täglich auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung, die heute eröffnete. Angetrieben wird der Flieger mit Treibstoff aus Mikroalgen - laut EADS eine Weltpremiere.

    Theo Geers: Johannes Stuhlberger von EADS, wie viel Treibstoff verbraucht die Flugindustrie jährlich?

    Johannes Stuhlberger: Der Bedarf liegt in der Größenordnung bei 250 Millionen Tonnen Kerosin im Jahr, und leider ist der Biospritanteil im Moment noch relativ gering, sehr gering sogar. Aber das wollen wir ja ändern, und die EADS setzt ja auch alles daran und dementsprechend ja auch unsere Demonstratoren hier in Berlin, um das in Gang zu bekommen.

    Geers: Was heißt sehr gering, kann man das in Prozent ausdrücken?

    Stuhlberger: Ja, kleinste einstellige Bereiche.

    Geers: Also ein, zwei Prozent?

    Stuhlberger: Ach, noch nicht einmal.

    Geers: Noch nicht einmal. Warum macht sich denn EADS Airbus Gedanken über die Treibstoffe der Zukunft, Herr Stuhlberger? Ist das jetzt letztlich langfristig sogar eine Überlebensfrage für ein Unternehmen wie EADS?

    Stuhlberger: Ja, Überlebensfrage, ich würde es nur nicht so krass formulieren, aber tatsächlich ist die Luftfahrt so aufgestellt, dass wir auf absehbare Zeit auf Verbrennung nicht verzichten können. Das heißt, wir brauchen einen energiereichen Treibstoff – Wasserstoff wurde untersucht, der ist relativ unhandlich –, also haben wir den Bedarf an energiereichen Treibstoffen, die sind meistens kohlenstoffbasiert und erzeugen damit CO2. Und wenn wir unsere CO2-Bilanz signifikant verändern wollen, können wir Treibstoffe sparen, das machen wir sowieso und setzen alles dran, aber die zweite Möglichkeit ist eben, über Biotreibstoffe den CO2-Haushalt massiv zu verbessern.

    Geers: Auf welche Quelle bei den Biotreibstoffen setzen Sie denn bei EADS und warum setzen Sie auf diese Quelle?

    Stuhlberger: Also, wir setzen in der Hauptsache auf Treibstoffe, die zum Beispiel jetzt algenbasiert sind. Algen deshalb, weil sie nicht in Konkurrenz treten mit Lebensmittel erzeugenden Flächen oder Anbauflächen und Ähnlichem, und letztendlich können wir sie überall anbauen und sie sind gegenüber der zweitbesten Lösung, zum Beispiel Palmöl, um mindestens Faktor fünf, wenn nicht sogar Faktor zehn ertragreicher.

    Geers: Wie groß wäre denn die CO2-Ersparnis, wenn man diesen Treibstoff auf Algenbasis einsetzen würde im Vergleich zu konventionellem Kerosin, was aus Erdöl hergestellt wird?

    Stuhlberger: Also finale Zahlen kann ich Ihnen dazu im Moment noch gar nicht geben. Wir untersuchen das gerade und stellen da Bilanzen an. Wir haben eine signifikante Verbesserung gegenüber heute und hoffen also schon auch auf Werte, die größer 50 Prozent CO2-Ersparnis liegen in dem Bereich. Das liegt eben an dem Recycling von CO2, weil sich die Algen sehr stark aus dem CO2 natürlich ernähren.

    Geers: Nun gibt es erste Fluggesellschaften, die haben bereits Tests gemacht mit Biotreibstoffen wie Virgin oder Qatar Airways, auch die Lufthansa hat vor drei Wochen angekündigt, dass sie in den kommenden zwei Jahren regelmäßig Biotreibstoff im Flugbetrieb einsetzen will, aber das sind – so schön das klingt – erst immer nur Tests. Wann wird denn der Biotreibstoff im regulären Flugbetrieb eingesetzt und welchen Anteil erwarten Sie denn im Vergleich zu heute, wenn Sie vorhin davon sprachen, dass der Anteil jetzt eher im ganz niedrigen Ein-Prozent-Bereich sich bewegt?

    Stuhlberger: Also es gibt viele Zielsetzungen. Also die Qatar hat sich eine starke Zielsetzung gemacht mit mindestens zehn Prozent Biofuel in 2017. Dann gibt es Länder, die sich zum Ziel gesetzt haben, ihren Treibstoffbedarf zu erheblichem Anteil aus Biotreibstoffen zu rekrutieren.

    Geers: Auch die EU will das ja machen ...

    Stuhlberger: Aber selbstverständlich.

    Geers: ..., beispielsweise am Mittwoch wird ja EU-Energiekommissar Oettinger in Brüssel seine Pläne vorstellen, wie er, wie die EU im Jahre 2020, glaube ich, zehn Prozent des ...

    Stuhlberger: Richtig.

    Geers: ... Treibstoffs im Verkehrssektor aus Biotreibstoffen herstellen will, nicht?

    Stuhlberger: Exakt. Also wir wollen den Anteil natürlich so schnell wie möglich nach oben treiben, und deshalb haben wir ja auch hier auf der ILA einen Demonstrator, der nachweist, dass man bis zu 100 Prozent Biotreibstoff mühelos in einem Fluggerät verwenden kann.

    Geers: Nun ist es ja so, Herr Stuhlberger, dass die Beimischung oder der Einsatz von Biotreibstoffen, dass sich das auch rechnen muss für die Fluggesellschaften, und derzeit kostet ein Barrel Rohöl so um die 70 Dollar. Ab welchem Preisniveau sind denn solche alternativen Treibstoffe konkurrenzfähig und können Sie zu den Kosten überhaupt produziert werden?

    Stuhlberger: Also es gibt Gesellschaften und Forschungsinstitute, die sagen, ab einem Barrelpreis von 90 bis 100 Dollar wäre das schon tragfähig. Wir untersuchen das derzeit und sind natürlich interessiert dran, das so schnell wie möglich zu einem Einsatz bringen zu können. Aber das sollte so mal ein erster Hinweis sein, in welche Richtung es gehen kann. Aber Sie haben recht, im Moment ist das natürlich schon auch aufgrund der Mengen, die wir hier produzieren, und der Technologie, die natürlich da jetzt gerade in den Anfängen steht, noch erheblich viel teurer als normales Petroleum.