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Fliegende Indikatoren

Schmetterlinge seien gute Indikatoren für bestimmte Lebensräume, sagt Josef Settele, der an einem Verbreitungsatlas für europäische Tagfalter mitgearbeitet hat. Das Werk diene als Datenbasis, die auch zeige, wie sich klimatische Veränderungen auf die Verbreitung bestimmter Arten auswirken.

Josef Settele im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Sechs Jahre lang haben sie gewartet, beobachtet und gezählt, wie viele Schmetterlinge und vor allem welche Arten in Europa noch von Blüte zu Blüte flattern. Was nach dem Privatvergnügen insektenbegeisterter Beobachter klingt, ist trotz des schönen Objektes die Grundlage für ernst zu nehmende Forschungsergebnisse, weil das Vorkommen beziehungsweise das Aussterben bestimmter Schmetterlingsarten ein Indikator für bestimmte Biotoptypen und Ökosysteme ist. Heute wird der Verbreitungsatlas für europäische Tagfalter vorgestellt, einer der mitarbeitenden Wissenschaftler ist Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Herr Settele, wie verteilen sich denn die Tagfalterarten in Europa?

    Josef Settele: Wir haben natürlich in ganz Europa Arten, die überall vorkommen, aber es gibt sehr viele Arten, die beschränkt sind auf Bereiche wie zum Beispiel den Alpenraum oder den mediterranen Raum oder auch Madeira und die kanadischen Inseln. Also es gibt durchaus eine ungleiche Verteilung, die Schwerpunkte hat im alpinen Bereich.

    Fecke: Welche Arten sind zurückgegangen erkennbar?

    Settele: Ja, ganz stark zurückgegangen sind Arten im Offenland, speziell Wiesen- und Weidenbewohner, aufgrund der Intensivierung der Nutzung und aufgrund der Aufgabe der Nutzung.

    Fecke: Jetzt ist herausgekommen, dass fast 200 Arten oder umgerechnet 41 Prozent auf höchstens einem Prozent der Fläche Europas vorkommen. Das müsste doch möglich sein, dieses eine Prozent gut zu schützen.

    Settele: Ja, für jede Art für sich gilt das natürlich schon, aber dieses eine Prozent ist verschiedene Arten, sind das verschiedene Flächen dann letztlich, und dann muss man schon wieder in großen Bereichen eigentlich sich engagieren, um einen Schutz zu erreichen.

    Fecke: Haben Sie festgestellt, dass sich die Verbreitungsmuster geändert haben?

    Settele: Ja, es gibt ganz gute Anhaltspunkte, dass sich einige Arten ausbreiten, so Richtung Norden gehen, speziell solche die, wie soll man sagen, wärmeempfindlich sind, so ein bisschen klimatisch auch beeinflusst, oder andere Arten, die nach oben gehen, sage ich mal, im Alpenbereich, oder wieder andere, die neu hinzukommen, die zum Beispiel aus dem Süden einwandern.

    Fecke: Können Sie Beispiele nennen?

    Settele: Ja, rückgehend sind Arten wie zum Beispiel diese Ameisen-Wiesenknopfbläulinge, das sind Tiere, die speziell auf Wiesen leben und sehr, wie soll man sagen, eher einen kühlen Anspruch haben, oder ausbreiten tun sich Arten, in Sachsen zum Beispiel der Segelfalter, der eben ein wärmeliebendes Tier ist.

    Fecke: Das heißt also, dieser Atlas ist auch ein Indikator für klimatische Bedingungen, die sich verändert haben?

    Settele: Es ist eine Datenbasis, mit der wir dann schauen können, wie sich die klimatischen Bedingungen auf die Falter auswirken, will heißen, wir gucken uns über den Atlas an, was sind die Ansprüche zurzeit dieser Arten, und wie würden sich dann die Verbreitungsmuster ändern, wenn sich die klimatischen Bedingungen verändern.

    Fecke: Die klimatischen Bedingungen sind ja der eine Grund, um in so einen Atlas zu schauen. Was sagt denn das überhaupt noch aus, wenn Schmetterlinge irgendwo vorkommen oder eben nicht mehr?

    Settele: Ja, Schmetterlinge haben eine ganz gute Indikatorfunktion dahin gehend, dass sie für ganz viele Lebensräume repräsentativ sind in ihrer Bestandsentwicklung, das heißt, wenn ich auf dem Offenland bin, Wiesen oder Ackerlandschaften, kann ich durch die Erfassung bestimmter Schmetterlinge feststellen, wie insgesamt die Diversität sich verändert.

    Fecke: Was kann denn jeder Einzelne tun? Reicht da die Brennnessel im Hausgarten oder gibt es noch andere Möglichkeiten?

    Settele: Ja, die Brennnessel im Hausgarten ist vermutlich jetzt nicht ganz so der Bringer, sage ich mal, da ja doch gerade so stickstofflebende Pflanzen auch nicht gefährdet sind, damit die Falter darauf auch nicht. Es gibt eher Möglichkeiten zum ... Im Garten kann man schon was machen, wenn man Wiesenflächen dort hat und nicht nur Rasenflächen, oder auch, wenn man sich dafür einsetzt, dass entsprechend in der Landschaft weniger Einsatz von Pestiziden zum Beispiel erfolgt.

    Fecke: Es gibt ja, wenn man das beobachtet, so Fluktuation, also es gibt manchmal sehr, sehr viele Tagpfauenaugen und manchmal wieder nicht. Ist das immer ein Zeichen dafür, dass die Art insgesamt zurückgegangen ist, oder sind das natürliche Schwankungen?

    Settele: Ja, das ist bei Insekten natürlich bekannt, dass die sehr stark schwanken, je nach Jahren, weil die Gegenspieler häufig sind oder weil die Bedingungen da günstig sind oder wieder ungünstig. Das heißt, wir müssen uns viele Trends und eben langfristige Datenreihen ansehen, um zu sehen, gibt es da wirklich einen Trend oder ist das nur eine Fluktuation, die ganz normal ist?

    Fecke: Vielen Dank für diese Erläuterungen, Josef Settele war das vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der unter anderem heute den Verbreitungsatlas für europäische Tagfalter vorstellt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.