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Fliegende Spürnasen

Technologie.- Quadrokopter sind ferngelenkte Hubschrauber mit vier Rotoren. Weil die Flugroboter sehr stabil in der Luft liegen und zudem leichte Lasten tragen können, werden sie nun auch für die Feuerwehr interessant. Im Projekt Airshield sollen die Miniflieger Giftstoffe in der Luft aufspüren.

Von Ralf Krauter | 15.03.2010
    Wenn bei einem Großbrand im Industriegebiet schwarzer Qualm in den Himmel steigt, sind Feuerwehrleute besonders gefordert. Sie müssen nicht nur die Flammen bekämpfen, sondern auch herausfinden, welche Toxine die Rauchwolke enthält und über welche Wohngebiete sie ziehen wird. Ein schwieriger Job, bei dem die Einsatzkräfte bislang allein auf Messwerte am Boden zurückgreifen können.

    "Das Problem, was die Feuerwehr derzeit hat, ist einfach, dass sie sehr schlecht Prognosen machen kann. Also, in welche Richtung geht so eine Gaswolke, wenn sie denn auftritt? Wo kommen Schadstoffe dann zu Boden? Wo werden dann Personen gefährdet?"

    Der Ingenieur Kai Daniel vom Institut für Kommunikationsnetze der Technischen Universität Dortmund will den Einsatzkräften künftig mit Luftunterstützung unter die Arme greifen. Ein intelligenter Schwarm fliegender Roboter, die riechen, was in der Luft liegt – das ist die Vision des Projektes Airshield, das der Ingenieur leitet.

    "Der Feuerwehrmann würde hergehen, würde die Flugroboter aufstellen, würde die einmal in die Luft bringen, die würden dort erste Messungen machen. Oder er würde ein erstes Zielgebiet mit dem Auge erfassen, würde die dort dann in solch eine Schadstoffwolke hineinlenken – und vor dort aus könnte er sich dann daneben setzen und den Autopiloten einschalten und die Gaswolke würde dann automatisch von diesem Schwarm erkundet werden und würde Messdaten liefern, ohne dass irgendein Eingriff notwendig ist."

    Auf einem Monitor in der Führungsstelle entstünde so eine 3D-Karte der Giftwolke samt Ausbreitungsprognose. Noch ist das Zukunftsmusik, aber wohl nicht mehr lange. Quadrokopter, wie die der deutschen Firma Microdrones, die Projektpartner ist, machen's möglich. Im Labor der TU Dortmund stehen gleich drei der Flugplattformen: Kreuzförmige Kohlefasergerüste, groß wie eine Kuchenplatte, mit GPS, Radar und Ultraschallsensoren und vier Armen, an denen die Rotoren hängen.

    Das Abfluggewicht beträgt ein Kilo, die maximale Nutzlast 200 Gramm. Genug für ein Ensemble acht fingergroßer Gassensoren, die bis zu 200 Substanzen registrieren – darunter die typischen Verbrennungsprodukte CO2 und Schwefeldioxid. Kai Daniels Kollege Björn Dusza steckt einen Akku in eins der Fluggeräte, nimmt eine programmierbare Fernsteuerung in die Hand und gibt vorsichtig Gas.

    "Also wenn man die Fernbedienung loslässt, bleibt der Flugroboter einfach da in der Luft stehen, wo er gerade ist. Durch diese GPS-Position-Hold-Funktion merkt sie, wenn der Wind sie abtreibt. Dann wird automatisch gegengesteuert, um die Position zu halten. Ist also sehr einfach zu fliegen. Rauf runter, rechts links. Sehr intuitiv."

    Um ähnlich intuitiv bis zu zehn Quadrokopter steuern zu können, wollen die Forscher den Fluggeräten intelligentes Schwarmverhalten beibringen. Die über W-Lan vernetzten Roboter sollen im autonomen Formationsflug kilometergroße Areale absuchen. Für den Kontakt zur Bodenstation sorgt WiMax, ein Mobilfunk-Standard der vierten Generation, erklärt Kai Daniel.

    "Wenn die Konnektivität abbricht, bleibt die Flugplattform erstmal stehen. Sie macht gar nichts. Und dann tritt irgendwann natürlich der Fall ein, dass der Akku zu Ende geht, die Energie nicht mehr ausreicht. Dann wird ein automatischer Landevorgang initiiert."

    Eineinhalb Jahre haben die Airshield-Forscher noch Zeit herauszufinden, ob all das auch in der Praxis funktioniert und Feuerwehrleute die Luftunterstützung wirklich hilfreich finden. Was sie nicht so gerne sagen: Natürlich ließe sich der Roboterschwarm auch mit Kameras bestücken. Im aktuellen EU-Forschungsprojekt Indect werden Quadrokopter entwickelt, die Personen identifizieren und auf der Straße verfolgen können. In Frankreich und Italien wurden fliegende Augen bereits zur Überwachung sozialer Brennpunkte eingesetzt. Nicht nur für Rauchwolken gilt dann: Big Brother is watching you. Möglichem Missbrauch – etwa durch Privatschnüffler, die im Auftrag gehörnter Ehemänner deren Frauen ausspähen – müsse deshalb Einhalt geboten werden, betont der Sicherheitsforscher Professor Stefan Strohschneider von der Uni Jena.

    "Das ist ein ganz großes Problem. Und ich denke, dass da nicht nur die Politik, sondern auch wir Wissenschaftler in der Tat sehr deutlich aufgefordert sind, auf entsprechende Missbrauchsmöglichkeiten hinzuweisen. Und darauf zu drängen: Das sind Dinge, die müssen einfach verboten werden."

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    ... schnell abgehoben und ... (Ralf Krauter)
    Quadrokopter - Sicherheitsforschung - Fliegende Spürnasen
    ... kann von oben allerlei Messungen durchführen. (Ralf Krauter)