Die Bühne im Münchener Prinzregententheater sieht aus, als befände man sich tief in den neunziger Jahren, als erwarte man eben William Forsythes "Ballett Frankfurt" zu einem Gastspiel. Und wenn dann hinter dem grauen glatten Aushang hervor die Tänzer des Bayerischen Staatsballetts mit energischem Gang die Spielfläche erobern, wird die Ähnlichkeit beinahe unheimlich: Spitzenschuhe, halbdurchsichtige schwarze Beintrikots und passende Trikots für die Frauen, graue T-Shirts und Schlabberhosen für die Männer, das ist eigentlich der Forsythelook. Dann bricht das Sound-Gewitter des Berliner Künstlers Carsten Nicolai über das Publikum herein, als wollten höhere Mächte die Zuschauer daran gemahnen, dass die Schönheiten des klassischen Tanzes im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht einfach so auf die Bühne kommen, ohne zugleich negiert zu werden. Darum knallt es, rauscht und fiept es aus den Boxen, als könnte man mit akustischen Monsterwellen alle Sentimentalitäten unterspülen. Herrlicher Gedanke.
Für eine halbe Stunde – denn länger dauert Richard Siegals Choreografie "Unitxt" nicht – macht man sich keine Gedanken, von wem die rasenden Tänze da vorne geschaffen wurden und welchem System die virtuosen unsentimentalen Aktionen der Gruppe geschuldet sind. Musik als Droge.
Endlich, denkt man zufrieden, hot shit, endlich kommt jemand mit street credibility aus dem Umfeld William Forsythes – Siegal war einer seiner charismatischsten Tänzer – und macht aus dem Zeug, das der in den neunziger Jahren nicht mehr benutzen wollte – das Material des Danse d'école, Spitzentanz und Hoch das Bein, etwas Neues. Sehr cool. Irgendwann ist das Stück soweit, dass es wie eine gigantische Stückmaschine läuft und läuft und alles, was sich ihm in den Weg stellt, verschlingt und als einen nie gesehenen Tanz wieder ausspuckt. Der Tanz als Industrie, Beine wie Kolben, Beats wie Fließbänder. Die Tänzer sehen wie Arbeiterführer darin aus, stolz, selbstbewusst und sehr, sehr gut. Das musste ja mal getan werden Jubel und Applaus für Richard Siegal und seine vollkommen nass geschwitzten fünf Männer und sieben Frauen wollten kein Ende finden. Nach der Pause folgte die fünfundvierzig-minütige Choreografie "Biped", die der 2009 verstorbene Jahrhundertchoreograf Merce Cunningham 1999 geschaffen hatte. Im Orchestergraben nahmen der britische Komponist Gavin Bryars und sein Ensemble Platz, um mit Computern, vorproduzierten Klängen und live eingespielten Instrumenten wie Geige, Cello, und Keyboard durch die akustischen Landschaften des Stücks zu lenken.
Fast setzt einen diese Musik in einen imaginären Hubschrauber, mit dem man Merce Cunninghams Tänze überfliegen und bei ihren Schönheiten verweilen kann. Und was für Tänze. Kommen Tänzer alleine auf die Bühne in einem der schillernden Kostüme von Suzanne Gallo, dann erwecken sie den Eindruck glücklicher Versenkung in eine reiche innere Welt – Einsamkeit, wie sie sein sollte. In den oft gedoppelten und gespiegelten Duetten aber versteht man, welche einsichtsvollen Formen Zweisamkeit im Tanz annehmen kann. Männer heben Frauen und tragen sie behutsam fort an einen Ort ihrer Wahl, der leider außerhalb der Bühne liegt. Männer schieben sich sanft im tiefen Plié hinter ihre Partnerinnen, als wollten sie sagen, hier bin ich, mit meiner Kraft, aber ohne zu manipulieren. Doch über diese berührenden Szenen geht Biped, was so viel wie Zweifüßer heißt – noch hinaus, indem es virtuelle Tänzer in Projektionen mit einbezieht, als wäre der Tanz nicht nur eine ideale Form der Kommunikation unter leiblich Anwesenden, sondern auch die Brücke in weitere Welten. Dass jetzt einige der klassischen und bahnbrechenden Werke Merce Cunninghams auf dem Spielplan deutscher Ballettkompanien in München und Düsseldorf stehen, ist nicht nur für das Publikum fantastisch, sondern wird Tanzgeschichte schreiben und kommende Generationen von Tänzern und Choreografen beeinflussen.
Für eine halbe Stunde – denn länger dauert Richard Siegals Choreografie "Unitxt" nicht – macht man sich keine Gedanken, von wem die rasenden Tänze da vorne geschaffen wurden und welchem System die virtuosen unsentimentalen Aktionen der Gruppe geschuldet sind. Musik als Droge.
Endlich, denkt man zufrieden, hot shit, endlich kommt jemand mit street credibility aus dem Umfeld William Forsythes – Siegal war einer seiner charismatischsten Tänzer – und macht aus dem Zeug, das der in den neunziger Jahren nicht mehr benutzen wollte – das Material des Danse d'école, Spitzentanz und Hoch das Bein, etwas Neues. Sehr cool. Irgendwann ist das Stück soweit, dass es wie eine gigantische Stückmaschine läuft und läuft und alles, was sich ihm in den Weg stellt, verschlingt und als einen nie gesehenen Tanz wieder ausspuckt. Der Tanz als Industrie, Beine wie Kolben, Beats wie Fließbänder. Die Tänzer sehen wie Arbeiterführer darin aus, stolz, selbstbewusst und sehr, sehr gut. Das musste ja mal getan werden Jubel und Applaus für Richard Siegal und seine vollkommen nass geschwitzten fünf Männer und sieben Frauen wollten kein Ende finden. Nach der Pause folgte die fünfundvierzig-minütige Choreografie "Biped", die der 2009 verstorbene Jahrhundertchoreograf Merce Cunningham 1999 geschaffen hatte. Im Orchestergraben nahmen der britische Komponist Gavin Bryars und sein Ensemble Platz, um mit Computern, vorproduzierten Klängen und live eingespielten Instrumenten wie Geige, Cello, und Keyboard durch die akustischen Landschaften des Stücks zu lenken.
Fast setzt einen diese Musik in einen imaginären Hubschrauber, mit dem man Merce Cunninghams Tänze überfliegen und bei ihren Schönheiten verweilen kann. Und was für Tänze. Kommen Tänzer alleine auf die Bühne in einem der schillernden Kostüme von Suzanne Gallo, dann erwecken sie den Eindruck glücklicher Versenkung in eine reiche innere Welt – Einsamkeit, wie sie sein sollte. In den oft gedoppelten und gespiegelten Duetten aber versteht man, welche einsichtsvollen Formen Zweisamkeit im Tanz annehmen kann. Männer heben Frauen und tragen sie behutsam fort an einen Ort ihrer Wahl, der leider außerhalb der Bühne liegt. Männer schieben sich sanft im tiefen Plié hinter ihre Partnerinnen, als wollten sie sagen, hier bin ich, mit meiner Kraft, aber ohne zu manipulieren. Doch über diese berührenden Szenen geht Biped, was so viel wie Zweifüßer heißt – noch hinaus, indem es virtuelle Tänzer in Projektionen mit einbezieht, als wäre der Tanz nicht nur eine ideale Form der Kommunikation unter leiblich Anwesenden, sondern auch die Brücke in weitere Welten. Dass jetzt einige der klassischen und bahnbrechenden Werke Merce Cunninghams auf dem Spielplan deutscher Ballettkompanien in München und Düsseldorf stehen, ist nicht nur für das Publikum fantastisch, sondern wird Tanzgeschichte schreiben und kommende Generationen von Tänzern und Choreografen beeinflussen.