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Fliegender Spürhund
Drohne soll vermisste Menschen finden

Hobbyfotografen oder -kunstflieger haben schon länger Spaß an Drohnen. Auch für militärische Missionen in unzugänglichem Gebiet kommen die Fluggeräte mit den vier Propellern zum Einsatz. Forscher an der Universität Zürich haben nun eine Software entwickelt, mit deren Hilfe Drohnen auch vermisste Personen auf Wanderwegen finden sollen.

Von Bernd Schlupeck | 23.05.2016
    Eine ferngesteuerte Drohne mit einer Kamera schwebt in der Luft.
    Drohnen sollen in Wäldern Menschen aufspüren. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Das ist eine Drohne. Hier unten ist die Kamera. Das ist das Gehirn, das die Daten verarbeitet - der stammt aus einem Samsung Galaxy S4. Und vier Propeller, ist ja ein Quadrocopter."
    Davide Scaramuzza muss ein wenig suchen, um sein Forschungsobjekt zu zeigen. Momentan sind die Drohnen des Robotikprofessors in Kisten verpackt. Die Räume der Gruppe "Robotics and Perception" an der Universität Zürich werden renoviert. Aber woran der Wissenschaftler arbeitet, ist ohnehin nicht sichtbar: eine Software mit dem die Drohne Wanderwege erkennt und ihnen selbstständig folgt. Künftig soll sie dadurch auf unbekanntem Terrain vermisste Personen aufspüren.
    "Ein Roboter, eine Drohne muss wissen, wo sie sich befindet, um vermisste Menschen zu finden. Bisher haben wir dafür GPS, Google Maps und Google Street View nutzen können. Aber in diesem Fall fliegt die Drohne unter den Baumkronen in dichten Wäldern. Dort gibt es kein GPS und ein Wanderpfad lässt sich aus der Luft nicht erkennen."
    Spezielle Software für Einsatz in Wäldern
    Das Problem: Wälder sind eine sehr komplexe Umgebung für eine Drohne. Und der Wissenschaftler will als Sensor nur die eingebaute Farbkamera nutzen. Lasersysteme wären zu teuer, energiehungrig und schwer. Um die Aufnahmen auszuwerten, hat Davide Scaramuzza deshalb eine spezielle Software geschrieben. Die basiert auf einem sogenannten "Deep Neural Network" – also einem tiefen neuronalem Netzwerk, das ähnlich einem menschlichen Gehirn lernt. Solche Netzwerke werden schon seit Längerem erforscht. Genutzt werden sie aktuell in Siri, Cortana und von Google um Sprache zu analysieren oder um Krebsgewebe auf medizinischen Aufnahmen zu erkennen.
    "Ein neuronales Netzwerk lernt was auffällige Eigenschaften von Wegen auf Bildern sind. Zum Beispiel erkennt es auf der ersten Verarbeitungsebene Konturen, Ecken und Punkte mit einem sehr hohen Kontrast. Auf den nächsten Ebenen verfeinert es diese Informationen."
    Das neuronale Netzwerk haben Kollegen an der Universität Lugano entwickelt. Es besteht aus 500.000 künstlichen Neuronen in 10 Ebenen. Das menschliche Sehsystem beherbergt Millionen von Neuronen und verarbeitet, das Gesehene in mindestens 20 Hirnarealen. Die Aufgabe für das neuronale Netzwerk der Drohne ist dieselbe: Auf jedem Ausschnitt eines Bildes den Weg erkennen und entscheiden, ob er geradeaus nach links oder rechts weitergeht. Für das Lernmaterial machten sich Davide Scaramuzza und sein Team auf in den Schweizer Alpen und wanderten sechs Kilometer auf Waldpfaden. Ausgerüstet mit Helmkameras schossen sie 20.000 Bilder. Mit der Kamera an der Stirnseite wurden gute Beispiele für Wege gesammelt. Zusätzliche Kameras, eine links und eine rechts am Helm, sammelten schlechte Beispiele. Das gesamte Material präsentierten sie dem Netzwerk, das dann innerhalb mehrerer Stunden lernte, Wege zu identifizieren.
    System muss jede Region neu kennenlernen
    "In 85 Prozent der Fälle hat unsere Software richtig erkannt, dass es sich um einen Wanderweg handelt und wie er orientiert ist. Menschen erkannten bei denselben Ausschnitten nur in 82 Prozent der Fälle einen Weg und die Richtung."
    Anschließend ließen die Robotik-Spezialisten die Drohnen auf unbekanntem Terrain fliegen. Dabei scannt die Drohne die Umgebung über ihr Kameraauge, und verarbeitet die Bilder mit dem eingebauten Smartphone-Prozessor. Weil sie vorher gelernt hat, was ein Weg ist, konnte sie dem unbekannten Pfad folgen. Der Forscher ist mit dem Ergebnis zufrieden. Bis eine Drohne mit der Such-Software oder ein ganzer Schwarm davon allerdings einfach losgeschickt werden können, gibt es noch einiges zu tun. Zum einen muss das System jede Region neu kennenlernen. Dazu kommt: die Drohne funktioniert sehr gut bei Tageslicht und niedrigen Geschwindigkeiten. Bei schummrigem Licht oder höheren Geschwindigkeiten verschwimmen die Bilder. Am wichtigsten für den Forscher ist aber:
    "Bis jetzt erkennt die Drohne zwar sicher den Weg und kann ihm folgen. Aber über eine Person auf dem Weg würde sie einfach hinwegfliegen. Der nächste Schritt wird also sein, eine Person zu identifizieren und dann die Rettungskräfte zu rufen."