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"Flimmern auf dem Eisernen Vorhang"

Das Programm der "Grenzkinos" war im Osten umstritten, aber für die Kinobesitzer im Westen galt: "Kritik ist an der Kasse", und die stimmte. Eine Ausstellung in Berlin erinnert jetzt an das Phänomen der Kinos, die Bewohner aus Ostberlin und der Ostzone in die Säle lockte.

Von Verena Kemna |
    Auf dem Fußboden der Galerie Zero in Berlin-Kreuzberg klebt ein metergroßer begehbarer Berliner Stadtplan. Mit roter Farbe ist die Sektorengrenze markiert, eine gezackte Linie führt mitten durch das Berlin der 50iger Jahre. An den Wänden hängen historische Filmplakate, Kopien von Zeitungsartikeln, Programmzettel etwa aus dem Aladin am Potsdamer Platz. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto sind zwei ältere Frauen zu erkennen, die vor den Eingangstüren eines Kinos warten. Angekündigt ist ein Walt Disney Film: "Wunder der Prärie". Welche Aufgabe die Grenzkinos hatten, welche Filme die Ostberliner in die Westberliner Kinos entlang der Sektorengrenze gelockt haben, all das erschließt sich dem Besucher nur mühsam. Wer genau nachliest, erfährt mehr. Im Juli 1950 bekommen die Grenzkinos entlang der Sektorengrenze einen politischen Auftrag: Ostberliner sollen in ausgewählten Kinos für wenig Geld Unterhaltungsfilme ansehen.

    Das Projekt "Flimmern auf dem Eisernen Vorhang" besteht aus der Ausstellung, aus Filmen und einer eigens aufbereiteten Webseite. Im Rahmen der Veranstaltungen 50 Jahre Mauerbau wurde das Projekt mit etwa 40.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds gefördert. Verantwortlich, Andreas Döhler. Er hat mit Zeitzeugen gesprochen und historische Dokumente gesammelt.

    "Filme, die sehr beliebt waren, die dann auch den politischen Auftrag erfüllt haben, waren zum Beispiel, der Dritte Mann, mit Sicherheit Ninotschka von Ernst Lubitsch, war ein Klassiker in den Grenzkinos. Es ist auch eine Geschichte, wo man im Nachhinein sagen muss, das Programm in den Grenzkinos war besser als es zur damaligen Zeit beurteilt worden ist."

    Etwa zehn Filme haben die Ausstellung in der kleinen Galerie begleitet. Ob nun Filme wie "Der Teufel spielte Balalaika", "Im Westen nichts Neues" oder "Sie tanzte nur einen Sommer", typisch sind für die Programme der Grenzkinos? Fest steht, der DEFA Film aus dem Jahr 1956 "Eine Berliner Romanze" ist so etwas wie ein Gegenstück. Uschi, die in einem HO Laden am Alexanderplatz in Berlin Ost arbeitet, verliebt sich in den arbeitslosen Hans aus Westberlin. Uschi ist die erste Hauptrolle der DEFA-Schauspielerin Annekathrin Bürger. Sie erzählt, wie normal es in den 50iger Jahren war, zwischen Ost und West hin und her zu pendeln, erzählt die DEFA-Schauspielerin Annekathrin Bürger.

    "Ich trug damals so ne Amikutte, die hatte ich mir in einem US-Laden gekauft und ich weiß noch, dass ein alter Genosse sagte, du trägst die Uniform vom Klassenfeind, hatte er ja nicht unrecht, ich hatte aber hier oben einen roten Stern dran."

    Es sind solche Gespräche mit Zeitzeugen, die die Ausstellung und das Filmprogramm bereichern. Auch der Ostberliner Drehbuchautor und Schriftsteller Wolfgang Kohlhaase, heute achtzig Jahre alt, folgt einer Einladung der Ausstellungsmacher. Kohlhaase, berühmt für Solo Sunny, Die Stille nach dem Schuss und Sommer vorm Balkon, schreibt 1955 eines seiner ersten Drehbücher für den DEFA Film, eine Berliner Romanze.

    "Es ist eine Liebesgeschichte, der Junge ist aus dem Westen, das Mädchen ist aus dem Osten und der Junge bringt die Verführungen des Westens, ist aber eigentlich ein armer Hund und am Ende endet die Geschichte im Osten, eigentlich genau das Gegenteil von dem, was in der Regel passierte."
    Solche Filme, auch wenn sie nicht für das typische Grenzkino stehen, vermitteln spannende Eindrücke aus der Zeit des Kalten Krieges. Zusammen mit den Informationen auf der entsprechenden Webseite der Berliner Grenzkinos ergeben sich Einblicke in ein weitgehend unbekanntes Kapitel Berliner Geschichte. Mit dem Mauerbau am 13. August 1961 verloren die Grenzkinos ihr Publikum. Aus den Gebäuden wurden Spielhallen, Supermärkte, Abrissflächen.