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Floorball - eine Sportart will nach oben

"Floorball" ist den meisten Sportinteressierten wahrscheinlich kein Begriff. Es ist eine Variante des Hallenhockeys und stammt aus Schweden. In Deutschland ist die Wachstumsrate in den letzten Jahren rasant angestiegen, fast 9.000 Sportler spielen mittlerweile Floorball. In Weißenfels in Sachsen Anhalt hat der deutsche Floorball-Verband gerade eine U19-Weltmeisterschaft ausgetragen.

Von Peer Vorderwülbecke |
    1800 begeisterte Zuschauer verwandelten die Weißenfelser Stadthalle in einen Hexenkessel. Eine Stimmung, wie man sie in deutschen Sporthallen sonst nur bei Handball- oder Basketballspielen erlebt. Aber hier wird Floorball gespielt, eine Sportart; die auf den ersten Blick aussieht wie Eishockey ohne Eis. Fünf Feldspieler und ein Torwart, eine Spielfläche so groß wie beim Handball, alledings mit Toren fast im Eishockey-Format. Floorball ist schnell, der 23 Gramm schwere Plastikball kann bis zu 200 Stundenkilometer erreichen. Und es ist torreich: 5:4 führten die deutschen U19 Junioren gegen Ungarn, kurz vor Schluss kassierten sie den Ausgleich und in der Verlängerung haben die Deutschen die Partie noch verloren. Damit war auch der mögliche Aufstieg vertan in die A-Gruppe der acht weltbesten Teams.

    Die sportliche Enttäuschung war natürlich auch bei Verbandspräsident Professor Oliver Stoll groß. Aber der Lehrstuhlinhaber an der Universität Halle sieht diese U19-WM in einer größeren Perspektive:

    "Wir haben im Schnitt zweieinhalbtausend Zuschauer in beiden Hallen pro Tag gehabt, damit sind wir dann leicht im Schnitt bei 13 bis 14 000 Zuschauern für das ganze Turnier. Das ist schon eine Initialzündung. Wir sind hier in Deutschland mit dieser U19-WM den nächsten Schritt gegangen."

    Ein Schritt in Richtung Etablierung dieser jungen Sportart. Allerdings darf man den Erfolg der U19-WM in Sachsen-Anhalt nicht Verallgemeinern. Denn Weißenfels ist - wenn man das sagen darf - das Bayern München des Foorballs. Der örtliche UHC ist Serienmeister in der Bundesliga, rekrutiert immer wieder Spieler aus den führenden Unihockey-Nationen wie Schweden oder der Schweiz. Bei Spitzenspielen in der Bundesliga kommen hier bis zu tausend Zuschauer. In der 40-tausend Einwohner Stadt ganz im Süden Sachsen-Anhalts gibt es also fast so etwas wie eine Floorball-Tradition.

    Deutschlandweit betrachtet ist Floorball immer noch eine regionale Sportart mit dem Schwerpunkt in Mitteldeutschland. Fünf der acht Bundesligisten kommen aus dieser Gegend. Dafür gibt es Gründe, erklärt Verbandspräsident Oliver Stoll:

    "Das hat mit der Vergangenheit zu tun. Der Sport ist in den 70er Jahren entstanden, als hier noch DDR war in Mitteldeutschland sind sehr viele Lehrer nach Skandinavien gefahren und haben die Sportart dort kennen gelernt. Die haben den Sport dann mitgebracht und hier in den Schulen eingeführt. Das hat dann relativ schnell und rasant Akzeptanz gefunden."

    Und diese große Akzeptanz hat dann kurz nach der Wende zur Gründung des Deutschen Floorball-Verbandes geführt. Vor zwei Jahren hat der junge Verband dann beim DOSB angeklopft und offiziell das Interesse an einem Beitritt formuliert. Dafür benötigt eine Sportart mindestens 10.000 registrierte Mitglieder und acht Landesverbände.

    Derzeit gibt es sieben Floorball-Landesverbände mit 9000 Mitgliedern. Tendenz schnell steigend. Ein bisschen nervös wird deshalb der deutsche Hockeybund. Zwar hat die traditionsreiche Sportart deutschlandweit derzeit 70 000 Mitglieder, aber in Sachsen-Anhalt hat sich die Situation bereits umgekehrt: Floorball hat dort doppelt so viele Mitglieder wie der Hockeyverband.

    International ist Deutschland trotzdem noch ein Floorball-Entwicklungsland. Die deutsche Herren-Nationalmannschaft liegt sportlich weit hinter den Top-Nationen wie Finnland, Tschechien oder Schweden. Aber gerade die internationale Entwicklung stimmt den Floorball-Präsidenten Stoll optimistisch.

    "In Schweden gibt es 200.000 lizensierte Spieler, das muss man sich mal vorstellen. Wenn man sich die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland anschaut, dann sieht man, was hier für ein potential liegt."

    Ein durchaus werbewirksames Rechenbeispiel, demnach könnte die Zahl der Floorball-Spieler von derzeit knapp 10.000 auf über eine Million ansteigen.

    Die Realität sieht aber derzeit noch ganz anders aus. Der Sport müht sich auch außerhalb seiner Kernregion Strukturen zu schaffen und Mitglieder zu gewinnen. Im Moment läuft alles auf ehrenamtlicher Basis, die Spieler der Bundesligisten sind komplette Amateure und auch bei so einer Großveranstaltung wie in Weißenfels läuft alles nur so gut, weil knapp 300 eherenamtliche Helfer im Einsatz sind. Einer von ihnen ist der 20-jährige Tobias Melde. Der Student aus der Nähe von Bremen spielt selber Floorball und ist mit Lilienthal gerade in die erste Liga aufgestiegen. Ein Abenteuer dem er mit gemischten Gefühlen entgegensieht:

    "Lust ist natürlich immer da, neue Gegner zu haben, aber man muss natürlich die ganzen Rahmenbedingungen in der Region noch schaffen, damit man genügend Zuschauerresonanz kriegt und auch die finanziellen Strukturen stimmen, damit man als Spieler nicht zu sehr zu seiner eigenen Sportart beisteuern muss."

    Beim Bundesliga-Aufsteiger geht es also nicht ums Geld verdienen, sondern darum, nicht zu viel draufzulegen. Trainiert wird zweimal die Woche, die Übungseinheiten werden in Eigenregie gestaltet, einen Trainer gibt es nicht. Viele Clubs schrecken vor den langen Fahrtwegen in der Bundesliga zurück, denn die Mehrzahl der Vereine liegt eben in Sachsen Anhalt und in Sachsen.

    Der Sport muss also flächendeckend weiter wachsen. Davon ist Floorball-Verbandspräsident Oliver Stoll überzeugt, denn die Sportart hat eine breite Basis, besonders in den Schulen. Der Grund: Floorball ist einfach:

    "Einen Stock in die Hand, einen Ball vor sich und dann braucht man ein bis zwei Stunden und dann kann man in ein Spiel einsteigen, was sehr viel Spaß macht."

    Die Regeln sind leicht verständlich, man kann in der Halle oder auf jedem Parkplatz spielen und dazu ist der Sport noch sehr fair, hat also ein geringes Verletzungsrisiko. Derzeit sind 75 Prozent der Floorball-Mitglieder unter 18 Jahre alt. Damit hoffen die Floorball-Macher auch für die Werbewirtschaft interessant zu werden. Für die U19-WM in Weißenfels haben die Sponsoren 170.000 Euro gezahlt. Die höchste Summe, die bislang in Deutschland für ein Floorball-Event eingeworben worden ist.