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Flucht in die Privatisierung

Gleich zu Beginn der ICANN-Konferenz vergangene Woche in Kuala-Lumpur setzte Vinton Cerf, Vorstandsvorsitzender der Internet-Verwaltung, wesentliche Akzente. Die Internet Corporation For Assigned Names and Numbers - ICANN - müsse völlig vom Einfluss des US-amerikanischen Handelsministeriums befreit werden, so Cerf. Dies sei nur durch eine Privatisierung der Agentur zu erreichen. Doch ob die US-Administration dabei mitspielt, ist fraglich.

    Optimistisch verkündete ICANN-Chef Vinton Cerf zu Beginn der ICANN-Konferenz, die vom 19. bis 23. Juli im malaysischen Kuala Lumpur stattfand, es sei nur noch eine Frage von Monaten, bis die Internet-Verwaltung aus der Hoheit der US-Regierung losgelöst sei. Zumindest eine jener drei Bedingungen, die die Bush-Administration an den Weg von ICANN in die Unabhängigkeit geknüpft hatte, sei inzwischen erfüllt: nämlich die Schaffung eines internationalen Netzgremiums zusammengesetzt aus Regierungsvertretern aus Afrika, Asien, Australien, Amerika und Europa, wobei es noch einen Sondersitz für einen US-Vertreter geben wird. Die Umsetzung der beiden anderen Forderungen - die Schaffung einer UNO-tauglichen ICANN-Struktur sowie eine dauerhafte Systematik für den Internet-Namensraum mit einer Vereinfachung der Einführung bei der Zulassung so genannter Top-Level-Domains - lassen indes weiter auf sich warten. Nach Ansicht von Vinton Cerf solle zunächst die netzpolitische Diskussion in der UNO sowie der Internationalen Telekommunikations-Union ITU abgewartet werden, bevor ICANN sich auf eine endgültige neue Organisationsstruktur festlege. "Alle Überlegungen über die künftige Struktur von ICANN führen zu der Frage der politischen Linie. Das hat auch mit der Frage zu tun, wie in Sachen Internet-Verwaltung künftig mit Meinungsunterschieden und unterschiedlichen Positionen umgegangen wird. Egal wie die Internet-Verwaltung in Zukunft aussehen wird: Wir wollen ein unabhängiges Aufsichtsgremium. Die Restrukturierung ist ein Versuch, die unterschiedlichen Standpunkte für den weiteren politischen Prozess zu klären. Ich sehe dabei übrigens keinen Einfluss irgendwelcher technischer Fragen." Außerdem dürften neben diesen wichtigen politischen Aspekten aber auch rein technische Fragen nicht vernachlässigt werden.

    Auf der technischen Seite konnte der ICANN-Vorsitzende Positives vermelden. Denn in Kuala Lumpur wurden die ersten Internet-Adressen nach dem Standard der Version 6 des IP-Protokolls IPv6 offiziell eingetragen. Damit sind jetzt auch internationalisierte Domänen, die auch arabische oder chinesische Schriftzeichen zulassen, erstmals möglich, auch wenn sie derzeit noch nicht von der ICANN zugelassen werden. Ein jetzt eingesetztes Komitee soll die Einführung solcher internationalisierter Namensräume prüfen. "Es gibt ein großes Interesse, die Domänen auszuweiten und zu internationalisieren. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, solche Domänen für geschlossene Benutzergruppen zu schaffen. Die Debatte führte aber auch zu Fragen der Netznutzung und wie die Namensräume systematisch strukturiert werden können. Wenn ich eine Vorhersage machen soll: ICANN wird sich für die Ausweitung und damit für internationalisierte Domains entscheiden", meint Cerf. Allerdings hängt die ICANN hinter dem selbst gesteckten Zeitplan bei der systematischen Neuordnung im Internet erheblich zurück. Immerhin präsentierte der ICANN-Chef eine neue Gutachterstruktur. So wird zukünftig über die Zulassung neuer Top Level Domains nicht mehr in öffentlichen Mammutsitzungen des ICANN-Vorstandes entschieden, stattdessen prüfen neun Gutachter die Eingaben und geben schließlich eine Empfehlung darüber ab. Der ICANN-Vorstand seinerseits verpflichtet sich, diesen Empfehlungen zu folgen.

    Die von ICANN beauftragte Gutachterin Miriam Shapiro stellte in der malaysischen Metropole außerdem ein Positionspapier zu den neuen Verträgen mit den Betreibern von Domain Name Servern, in denen die Internetnummern den Namen der Domänen zugeordnet werden, vor. Demnach sollen die Verträge mit Namens-Registraren wesentlich einfacher werden. Gleichzeitig werden allerdings die Kosten steigen. Während die Registrare derzeit für jede bei ihnen geführte Domain pro Jahr 18 US-Cent zahlen, wird der Betrag zukünftig auf 25 US-Cent angehoben. Der erwartete Aufstand der Registrare auf solche Gebührenerhöhungen blieb indes zum Erstaunen der Beobachter aus. Grund hierfür seien vermutlich neue Zusatzdienste, die ICANN im Gegenzug offeriert habe.

    [Quelle: Peter Welchering]