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Flüchtlinge auf Lesbos
"Euphorie wird durch Hunger und Kälte zur Lethargie"

Auf der griechischen Insel Lesbos fehle es vor allem an Decken und Lebensmitteln, sagte der Kölner Arzt Khalil Kermani im DLF. Die griechische Regierung helfe wenig. Die meisten Flüchtlinge hätten ihre Reise nach Europa nicht begonnen, wenn sie gewusst hätten, was für Strapazen sie auf sich nehmen müssen, so Kermani weiter.

Khalil Kermani im Gespräch mit Christine Heuer |
    Flüchtlinge aus Afghanistan kommen in einem Schlauchboot am Strand der griechischen Insel Lesbos an.
    Flüchtlinge aus Afghanistan kommen am Strand der griechischen Insel Lesbos an. (afp / Soeren Bidstrup / Scanpix Denmark)
    "Die griechische Regierung reinigt die Küsten von Schlauchbooten und Plastikflaschen, trägt aber nicht zur Versorgung der Flüchtlinge bei", sagte Kermani. Im Gegenteil: Sie dulde, dass die Polizei die Flüchtlinge erniedrige und illegal in die Türkei bringe.
    Verschleppung von Flüchtlingen in die Türkei
    Kermani erzählte von Flüchtlingen, die von der Polizei in Lager verschleppt worden seien. "Ihre Kleidung wurde vernichtet und die Menschen wurden am nächsten Tag in der Türkei in der Wildnis abgesetzt. Ich weiß nicht, ob die offizielle Seite Griechenlands weiß, wie die Polizei mit Flüchtlingen umgeht", so der Bruder des Schriftstellers Navid Kermani. Zum Verhalten Griechenlands sagte er: Das Land habe "Probleme mit der eigenen Bevölkerung, die unter der wirtschaftlichen Situation leidet". Die Regierung habe offenbar Angst, mit einer aktiven Flüchtlingspolitik Wähler zu verlieren.
    Bewohner von Lesbos machen Geschäfte mit Flüchtlingen
    Täglich kommen 3.000 bis 5.000 Flüchtlinge auf der Insel an. Sie würden von freiwilligen Helfern, vorrangig jungen Menschen aus ganz Europa, versorgt. "Das ist wunderbar." Die eigentliche Bevölkerung von Lesbos aber halte sich zurück. "Viele machen ihre Geschäfte", sagte Kermani. Die Versorgung sei sehr notdürftig, in den größeren Camps gebe es keine Versorgung für die, die kein Geld haben. "Die Menschen reißen sich um eine Mahlzeit, die eine freiwillige Küche anbietet", beschrieb er die Lage vor Ort. Nahrung und Decken seien gegenwärtig am Nötigsten.
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