Harald Höppner hatte irgendwann die Nase voll. Im letzten Jahr war das. Als wieder mal Meldungen durch die Nachrichten gingen, dass Menschen im Mittelmeer ertrunken waren. Höppner steht hinten auf dem Deck seines abfahrbereiten Schiffes, der Sea-Watch, und reagiert fast unwirsch auf die Frage, warum er sich zum Handeln entschlossen hat.
"Weiß doch jeder, dass was gemacht werden muss! Sieht man doch jeden Tag im Fernsehen. Es gibt die Boote, die übers Mittelmeer kommen. Da sterben jeden Tag Menschen. Tausende jedes Jahr. Und es gibt keine richtige Lösung dafür. Und eine Lösung ist halt: ein Schiff zu nehmen und da hinzufahren."
Dabei hätte er sich noch vor einem halben Jahr nicht träumen lassen, selbst einmal ein Schiff zu kaufen. Er, die Landratte, die so gar keine Erfahrung hat von der Seefahrt. Aber Harald Höppner war die ganzen Diskussionen über das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer leid. Der Brandenburger wollte nicht mehr reden, sondern handeln. Und seine Frau war sofort einverstanden.
Rettungsinseln für 500 Menschen liegen unter Deck
"Das sind im Wesentlichen meine Frau, ich und noch jemand. Wo wir gesagt haben: Ok, wir haben in den letzten Jahren ein bisschen Geld gespart. Und das geben wir jetzt dafür aus! Fertig."
21 Meter lang ist Höppners alter Fischkutter, den er zusammen mit Unterstützern für seine Mission im Mittelmeer umgebaut hat. 200 Schwimmwesten, Rettungsinseln für 500 Menschen liegen unter Deck bereit. An Bord nehmen kann Höppners Crew nur ganz wenige Schiffbrüchige. Aber im Ernstfall kann die Sea-Watch per Funk Hilfe holen.
"Wir haben uns überlegt: Wenn wir da hinfahren und in eine Seenotsituation kommen - nicht von unserem Schiff, sondern von einem anderen - dann ist man nach dem Internationalen Seerecht dazu verpflichtet, Hilfeleistungen zu geben. Sonst macht man sich strafbar. Und da wir das nicht können, müssen wir halt welche ranrufen, die das können. Und das werden wir machen."
Höppners Idee sprach sich in seinem Freundeskreis schnell herum. Ein Bekannter stellte den Kontakt zu Tilmann Holsten her. Ein Mann, der sich auskennt mit Schiffen, der sofort wusste, welche Schiffstypen für Harald Höppners Rettungsidee in Frage kommen. Tilmann Holsten hat bei den Umbauten auf dem alten Fischkutter wochenlang mit angepackt:
"Wir haben auch immer wieder darüber diskutiert bei uns im Freundeskreis. Und auf den Schiffen, auf denen ich gefahren bin. Über diesen Missstand und ob man nicht irgendwie etwas… und so weiter. Und da hat er gleich offene Türen eingerannt. Es war nicht so, dass uns dieser Gedankengang fremd war."
Von Malta aus wollen sie an die libysche Küste
Gestern Abend war es dann soweit. Einen Tag früher als geplant legte die Sea-Watch in Hamburg-Harburg ab. Ziel: die Mittelmeer-Insel Malta. Von dort aus wird die Crew dann aufbrechen zur libyschen Küste, dorthin, wo die meisten Menschen ihre lebensgefährliche Überfahrt nach Europa beginnen. Dorthin, wo erst gestern fast 700 Menschen auf der Flucht nach Europa ertrunken sind. Mit wechselnden Teams wird der deutsche Kutter dort patrouillieren.
"Wir haben Ärzte, wir haben Notfall-Sanitäter, wir haben Anwälte, Kapitäne - alles, was man braucht, umso ein Schiff professionell zu betreiben. Aber ich muss dazu sagen: Alle, die hier mitarbeiten, die kommen aus freien Stücken. Das ist jetzt kein Rettungskreuzer und wir sind auch keine Rettungsorganisation, kein Verein. Wir sind keine Firma. Es ist eine Privat-Jacht. Und wir laden alle Leute ein, mit uns mitzukommen, denen es wichtig ist, diesen Menschen zu zeigen, dass wir bereit sind, ihnen zu helfen. Das hier, was wir machen, ist quasi ein Trostpflaster, es ist ein Anfang. Vielleicht ist es auch ein Hilferuf. Dass wir lieber sagen: Wir machen lieber das als gar nichts."
Heute Morgen erreichte die Sea-Watch die Deutsche Bucht, die Nordsee. Zurzeit liegt das Schiff für einen kurzen Zwischenstopp im Hafen von Helgoland. Dann, während in Luxemburg die Innen- und Außenminister der Europäischen Union noch über mögliche Hilfen für Flüchtlinge in Seenot diskutieren, geht es weiter ins Mittelmeer.