
Zwei Männer eines Sicherheitsdienstes drängen eine Menschentraube Flüchtlinge hinter ein rot-weißes Absperrband. Hier darf niemand aus der Reihe tanzen. Dichtgedrängt warten nun circa 200 Menschen in einer Hälfte eines beheizten weißen Zeltes. Draußen schüttet es. Alle tragen ein graues Kunststoffarmband, das sich nur noch entfernen lässt, wenn man es durchschneidet:
"Ansonsten gehen die nicht ab und da können sie schwimmen und duschen und das hält," sagt ein Mitarbeiter der Berliner Erstaufnahmestelle in Moabit. Das Armband ist Teil eines neuen Konzepts zur Registrierung der Flüchtlinge. Alle Neuankömmlinge bekommen jetzt dieses Armband, darauf steht ein Code und aus diesem Code wird ein fester Termin, an dem der Asylantrag bearbeitet wird. Das geschieht jetzt in einem ehemaligen Bankgebäude in der Wilmersdorfer Bundesallee. Aber die vorgesehen 1.000 Fälle pro Tag schaffen die Mitarbeiter dort noch lange nicht. Gleich am ersten Tag bearbeitet zu werden ist für einen Flüchtling also eher Glücksache:
"Wenn die Bundesallee sagt, wir sind voll, dann wird ihm gesagt, warte dort, wir haben Busse für dich. Diese Busse bringen dich in eine Unterkunft. In dieser Unterkunft bist du registriert. Verlasse diese Unterkunft nicht und wir bringen dich, sobald die Bundesallee wieder Kapazitäten hat, mit dem Bus dorthin. Du musst also nicht wieder hierher und du musst nicht in diesen Drängelgittern stehen und schon gar nicht in der Kälte."
"Was hier abläuft, ist einfach nur unfassbar"
Dennoch hoffen alle hier, durch einen Platz weit vorne am Absperrband ein bisschen schneller dranzukommen. Wer Glück hat und vielleicht aus Syrien stammt und somit als einfacher Fall gilt, kann dann in der Bundesallee nicht nur seinen Asylantrag stellen, sondern wird gleich weitergeleitet zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zur Ausländerbehörde und schließlich zur Agentur für Arbeit. Alle arbeiten dort unter einem Dach. Auch Anträge von Menschen aus dem Westbalkan, die in über 90 Prozent der Fälle nicht anerkannt werden, sollen dort an nur einem Tag bearbeitet werden. Für die 200 Menschen hinter dem rot-weißen Flatterband wird das heute aber wohl nichts mehr:
"Das ist die Warteschleife für die Bearbeiteten, von denen wir definitiv wissen, sie werden heute nicht in die Bundesallee kommen. Die warten hier und werden dann nach vorne geführt und fahren dann mit dem nächsten Bus, der da schon in Wartestellung steht mit zum Hüttenweg."
Zum Hüttenweg in die nächste große Sporthalle, die in Berlin als Sammelunterkunft auserkoren wurde. Ob sie dort wirklich warten oder am nächsten Tag doch wiederkommen, weiß bis jetzt niemand so genau. Bisher gibt es circa 5.000 Menschen, die sich bereits ein oder mehrmals haben registrieren lassen, von denen es bereits Teilakten gibt und die nun nach und nach doch noch in der Moabiter Erstaufnahmestelle abgearbeitet werden sollen. Für diese Menschen gibt es kein beheiztes Zelt. Auch für sie soll es jetzt Armbänder mit festen Termine geben, aber im Schlamm, Regen und Wind vor dem Gebäude stehen immer noch Viele und hoffen, dass ihre Wartenummer irgendwann auf der digitalen Anzeigetafel erscheint. Mittendrin ein Polizist, der hier freiwillig hilft und der seinen Namen lieber nicht sagen will:
"Ich würde mal rein privat sagen, hier läuft so viel schief. Die letzten Tage, als die hier die Babys auf dem Dreck gewickelt haben und die Leute da im Dreck stehen. Man sagt ja, Deutschland ist eins der reichsten Länder, wieso kann man hier keine Heizung organisieren, warum kann man hier keine Bohlen hinmachen, wo die Leute ordentlich stehen, wieso kann man hier keinen Regenschutz hinbauen. Was hier draußen abläuft, das ist einfach nur unfassbar."
Noch hat der Winter in Berlin nicht begonnen
Ehrenamtliche Helfer haben eine Kleiderausgabe organisiert und versuchen die Menschen wenigstens mit warmen Sachen zu versorgen. Die Flüchtlinge reißen sich um Decken, Handschuhe und Mützen und feste Schuhe:
"I want to have this shoes. I don´t have shoes, 42 fit me. Is too cold, outside is too cold."
"Die Flüchtlinge kommen hier mit Badelatschen, wenn sie Glück haben. Die Leute frieren, denen ist nass. Wir brauchen Regencapes, wir haben gestern aus Mülltüten selbst welche gebastelt, weil wir keine mehr hatten. Wir haben Angst, dass der Schnee kommt und haben uns jetzt erst mal darauf konzentriert, die Leute warm zu halten, die Schwangeren reinzuholen, die aufzuwärmen. Gestern hatten wir einen hier, der hat vier Wochen auf der Straße geschlafen, den haben wir kaum warm gekriegt. Aber wir tun unser Bestes."
Ob das reichen wird, wenn es noch kälter wird? Ob das neue Berliner Konzept so schnell so gut funktioniert, dass niemand mehr draußen warten oder sogar übernachten muss? Noch hat der Winter in Berlin gar nicht richtig begonnen.