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Flüchtlinge
Raus aus der Warteschleife

Die meisten Flüchtlinge in Deutschland müssen lange warten, bis ihre Identität geprüft wird und sie einen Asylantrag stellen können. Das Saarland hat allerdings ein System entwickelt, mit dem es schneller geht. Viele reisen nun mit Bussen dorthin, um sich registrieren zu lassen.

Von Tonia Koch | 09.08.2016
    Ein Flüchtling schaut in Eisenhüttenstadt aus dem Fenster einer Erstaufnahmestelle.
    Flüchtlinge in Deutschland müssen oft lange warten, bis sie sich registrieren lassen können (pa/dpa/Pleul)
    "Guten Morgen."
    Ein Übersetzer begrüßt 40 syrische Flüchtlinge; Erwachsene und Kinder. Ein Bus hat sie früh am Morgen in den Umlandgemeinden von Ludwigshafen eingesammelt und ins 130 Kilometer entfernte Lebach im Saarland gebracht. Hier soll Ihnen endlich die Gelegenheit gegeben werden, ihr Verfahren auf Anerkennung als Flüchtling in Gang zu setzen.
    "Ich habe kein Papier noch nicht, ich möchte Interview machen. Ich weiß nicht warum, ich bin hier zehn Monate und kein Interview."
    So wie Ali Ezeddin geht es allen hier, sie warten darauf, dass sie ihr Interview führen dürfen. Mit Interview umschreiben die Flüchtlinge die notwendige Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es ist die Voraussetzung dafür, dass ihr Fall geprüft und ihr Status als Flüchtling festgestellt wird. Auch Kodeyba Al Amin, der in Syrien Journalismus studiert hat, wartet seit Monaten.
    "Nicht interviewt, anything, immer nur bleiben, bleiben, bleiben.”
    Monatelanges Warten
    Kodeyba ist auch nicht klar, dass er bislang gar keinen Asylantrag gestellt hat, nachdem er von den Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz bereits vor Monaten registriert worden ist, erläutert Dolmetscher Armin Deiri.
    "Er sagt, ich bin mir nicht bewusst, dass ich noch keinen Antrag gestellt habe. Ich bin seit neun Monaten in Deutschland, habe mich in Trier registrieren lassen von der Erstaufnahmeeinrichtung und dass es einen Unterschied gibt zwischen Land und Bund gibt, war mir noch nicht klar."
    Immerhin konnte Kodeyba Al Amin die Wartezeit nutzen, weil er als Syrer eine gute Bleibeperspektive hat, rutschte er wenigstens in einen Sprachkurs, den die Bundesagentur für Arbeit ihm angeboten hatte.
    "Ich habe A1 gemacht und fange jetzt mit A2 an."
    Das sei prima, aber nicht das, was sie wollten, sagt er.
    "Wir alle möchten Arbeit."
    Alle wollen Arbeit
    Heute wird er diesem Ziel ein Stück näher kommen, erläutert Georg Blatt, der Leiter des Ankunftszentrums in Lebach.
    "All diese Maßnahmen, die in den Arbeitsmarkt führen, das ist ein langwieriger Prozess, der soll ja möglichst frühzeitig gestartet werden. Und dazu ist die Entscheidung im Asylverfahren ein ganz wesentlicher Punkt, weil dann erst die Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitgeber eröffnet werden."
    Einzeln werden die Flüchtlinge aufgerufen, jeder bekommt einen Dolmetscher an die Seite gestellt, dann wird die Identität geprüft, Fingerabdrücke genommen. Dann heißt es eine weitere Stunde warten, bis die Anhörung stattfindet. In dieser für Kodeyba Al Amin so wichtigen Angelegenheit will der Journalist keine Beobachter und auch keine Presse dabei haben, erklärt Dolmetscher Armin Deiri:
    "Er bevorzugt, ohne Presse die Anhörung zu machen." - "Entschuldigung."
    Eine ältere Dame, die ihren Namen nicht nennen möchte, nimmt mich schließlich mit zur Anhörung. Rolf Waschbusch stellt Fragen zur Identität, zur Schul- und Berufsausbildung und zur Fluchtroute.
    "Verfügen Sie über Personalpapiere, einen Pass zum Beispiel, Passersatz oder einen Personalausweis?"
    Prüfung der Papiere
    Sie kann alle Papiere vorlegen. Sie ist staatenlose Palästinenserin. Ihr gesamtes Leben hat sie in einem Flüchtlingslager bei Aleppo verbracht, die Uno hat ihre Papiere ausgestellt.
    "Wann sind Sie in Deutschland eingereist?"
    "25. Oktober 2015"
    Nesrine Chaaban die Dolmetscherin, muss jedes Wort der gelernten Kindergärtnerin übersetzen. Nach zehn Monaten in Deutschland kann sie sich noch immer nicht verständigen, ganz sicher weiß sie nur eines, erläutert Nesrine Chaaban.
    "Sie will hier bleiben in Deutschland. Das ist das, was wir immer hören."
    Ihrer Anerkennung als Flüchtling dürfte nun nichts mehr im Wege stehen, so Georg Blatt.
    "Das geht nach einer längeren Wartezeit jetzt doch sehr zügig. Diese Verfahren geben wir zur Entscheidung an sogenannte Entscheidungszentren weiter; Sondereinrichtungen, die das Bundesamt geschaffen hat, um jetzt diese Rückstände zeitnah abbauen zu können."
    Das Warten soll ein Ende haben
    Bereits an Ostern seien die Altfälle im Saarland vollständig abgearbeitet gewesen, sagt Georg Blatt. Das Ziel sei es nun, dass die Nachbarschaftshilfe für Rheinland-Pfalz mit dazu beiträgt, dass bis zum Ende des Jahres 100.000 Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive in Deutschland endlich aus der Warteschleife herauskommen.