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Flüchtlingscontainer-Dorf in Berlin
Wenig Platz, kaum Privatsphäre

Das größte der Berliner Containerdörfer am ehemaligen Flughafen Tempelhof soll Platz für etwa 1.000 Geflüchtete bieten. Vier Bewohner teilen sich dort künftig 45 Quadratmeter. Ein Besuch am Tag der offenen Tür zeigt, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben.

Von Verena Kemna | 04.12.2017
    Fast 900 Container stehen am 01.12.2017 auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
    In das Containerdorf auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, den sogenannten Tempohomes, ziehen Anfang Dezember die ersten Flüchtlinge ein (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    In langen Reihen stehen 900 gleichförmige Wohncontainer vor einer imposanten denkmalgeschützten Kulisse. Am Horizont im grauen Winterhimmel ist das Gebäude mit dem historischen Schriftzug "Flughafen Berlin-Tempelhof" weithin sichtbar.
    Matthias Nowak von der Tamaja Berlin GmbH, ist zuständig für den Betrieb im neuen Containerdorf. Er zeigt auf den welligen gerissenen Asphalt. Alles hier steht unter Denkmalschutz, erklärt er den Besuchern am Tag der offenen Tür.
    "Der Verwaltungskomplex hat ein blaues Dach, die Gemeinschaftscontainer sind mit einem gelben Dach ausgezeichnet, der Kindergarten mit einem grünen Dach und der Schulbereich mit einem roten Dach. Also wie drei große Gemeinschaftsräume, Frauenraum, Jugendraum oder ähnliche Geschichten."
    Zeitlich begrenztes Projekt für 17 Millionen Euro
    Nur über Holzbrücken erschließt sich das weitläufige Gelände. Es gibt einen Spielplatz, ein Basketballfeld, Bäume, die in Pflanzkästen stehen. Sämtliche Leitungen verlaufen oberirdisch, die beheizbaren Abwasserleitungen schlängeln sich von Container zu Container.
    Ein Riesenaufwand für 17 Millionen Euro. Dazu kommt, dass die mobilen Wohneinheiten gerade einmal zwei Jahre bleiben dürfen. Grund ist der Volksentscheid zum Erhalt des Tempelhofer Feldes. Demnach darf dort nichts dauerhaft verändert werden.
    Die mobilen Container sind ein notwendiger Kompromiss der rot-rot-grünen Berliner Koalition meint Angelika Schöttler, die zuständige SPD-Bezirksbürgermeisterin. Auch sie ist an diesem Tag der offenen Tür dabei.
    "Alternativ wäre gewesen die Leute bleiben noch diese Zeit in den Hangars. Ich glaube, das will wirklich gar keiner, oder wir bringen sie sehr teuer in Hotels unter und das will auch keiner. Insofern war das die richtige Entscheidung. Obwohl es auf jeden Fall komisch klingt, für so eine kurze Zeit."
    Über die menschenunwürdigen Zustände im Hangar ohne jede Privatsphäre möchte sie nicht sprechen. Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler ist froh, dass die letzten 150 Bewohner aus den Hangars nun als erste umziehen.
    "Sie können selbst bestimmen wann das Licht ausgemacht wird, wann es Mittagessen gibt und was im Topf drin ist."
    "Man hört alles durch die Türen durch"
    Integrationslotsen, Flüchtlinge, Ehrenamtliche und Anwohner, sie alle haben sich unter die Besucher gemischt. Vier Bewohner teilen sich künftig 45 Quadratmeter Privatsphäre. Gedränge im Schaucontainer. Neonröhren, zwei Betten nebeneinander, Tisch und Regal. Ziemlich eng, meint der 15-jährige Valentin Tietze.
    "Wenig Platz hier, man hat halt alles drin, Privatsphäre nicht unbedingt, ich denke, man hört alles durch die Türen durch."
    Zwei Betten stehen am 01.12.2017 im Schlafraum von einem der fast 900 Container auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
    Die 256 Appartements aus je drei Containern auf dem Vorfeld des ehemaligen Flughafen Tempelhof bieten abgeschlossene Wohneinheiten mit Küche und Bad Platz für insgesamt 1.024 Flüchtlinge. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Auch Katja Reiche steht zum ersten Mal in einem Wohncontainer. Sie mustert die kahlen Wände, die karge Einrichtung.
    "Ja, es gibt so das Gefühl, wow, wie haben Luxusprobleme, wenn wir mit unseren Problemen hantieren. Wir haben alles, können uns alles besorgen, kennen uns hier aus. Sehr ernüchternd auf schreckliche Art und Weise."
    Eigene Wohneinheiten
    Nebenan lehnt die Architektin Petra Berndt an der Wand. Sie hat das Konzept Containerdorf mit entwickelt. Vor dem Herd ist gerade einmal Platz für eine Person.
    "Es ist auf jeden Fall eine eigene Wohneinheit. Hier kann eine ganze Familie leben, sie hat eine eigene abgeschlossene Dusche, ein eigenes WC, die Frauen haben eine Küche, in der sie Herrin über ihre eigene Wohnung sind."
    Zainab Shehade hat zwei Jahre in der Notunterkunft Flugzeughangar hinter sich. Die 50-Jährige freut sich auf den Umzug, will noch in dieser Woche mit ihren beiden erwachsenen Töchtern einziehen. Sie öffnet den Kühlschrank, der im Schlafcontainer steht.
    Der Integrationslotse Wahid Oumairat übersetzt: "Mehr Freiheit und mehr Privatspähre".
    Das größte der Berliner Containerdörfer bietet Platz für etwa 1.000 Menschen. Spätestens im Frühjahr sollen alle 900 Container bewohnt sein.