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Flüchtlingsmanagement
Nur Note 4 für Berlin

Noch immer leben tausende Flüchtlinge in Berlin in Notunterkünften, noch immer sind die Zustände dort alles andere als akzeptabel. Vor genau einem Jahr hat das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten die Verantwortung übernommen. Die Bilanz fällt nicht sehr positiv aus.

Von Claudia van Laak | 31.07.2017
    Ein Flüchtlingskind läuft in Berlin durch den Hangar 2 der Flüchtlings-Notunterkunft auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof.
    Der Hangar 2 der Tempelhofer Flüchtlingsunterkunft: Die Zustände dort sind nach wie vor nicht gut. (dpa / Kay Nietfeld)
    Diese Notunterkunft sollte schon längst geräumt sein - die Hangars am stillgelegten Flughafen Tempelhof. In den Hallen stehen nach oben offene Kabinen mit Stockbetten, seit eineinhalb Jahren leben die Menschen hier, momentan noch knapp 300. Sie können nicht für sich selber sorgen, dürfen in der Unterkunft weder kochen noch ihre Wäsche waschen, haben kaum Privatsphäre zum Beispiel zum Deutschlernen.
    "Ich kann nicht deutsch lernen. Ich mache das Buch immer auf, aber nach Minuten bekomme ich Kopfschmerzen. Mein Kopf ist kaputt. Ich kann nicht lernen."
    Gebäude, die nicht zum Wohnen geeignet sind
    Während bundesweit nur noch wenige Flüchtlinge in Notunterkünften leben, sind es in Berlin noch etwa 9.000. Zu diesen Notunterkünften gehören unter anderem der Flughafen Tempelhof, ein leergezogenes Kaufhaus, das ehemalige Kongresszentrum ICC. Alles Gebäude, die nicht zum Wohnen geeignet sind. Die Folgen sind teils massiver Schimmel- und Ungezieferbefall, Schaben und Bettwanzen. In Tempelhof hat man lange gegen Tauben und Ratten gekämpft. Die positive Nachricht: im letzten halben Jahr konnten viele Notunterkünfte freigezogen werden, bilanziert die Präsidentin des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten Claudia Langeheine.
    "Wir haben es geschafft, nicht nur sämtliche Turnhallen bis Ende März diesen Jahres freizuziehen. Wir haben in den letzten Montaen auch diverse andere prekäre Notunterkünfte freigezogen."
    Kein eigenes Zimmer, geschweige denn eine Wohnung
    Nach wie vor belegt ist das frühere Rathaus Wilmersdorf. Dort wohnt der 26-jährige Syrer Mahmoud Al Ayed Al Amour - seit mehr als eineinhalb Jahren. Er hat zwar inzwischen einen Ausbildungsplatz als KfZ-Mechatroniker gefunden, aber kein eigenes Zimmer, geschweige denn eine Wohnung.
    "Man kann nicht so leben. Ich habe keinen Kühlschrank. Das ist verboten. Keinen Fernseher, das ist verboten. Man kann nicht kochen, das ist verboten. Ich muss immer raus, das ist sehr schlecht."
    Der Syrer steht um 5:30 Uhr auf, um zur Arbeit zu fahren, kommt gegen 16:00 Uhr wieder, besucht dann bis spät abends einen Deutschkurs. Zu den festgelegten Essenszeiten ist er nicht im Heim, die 140 Euro für die nicht genutzten Mahlzeiten bekommt er aber nicht ausgezahlt. Alle zuständigen Stellen habe er deswegen abtelefoniert, klagt Flüchtlingshelfer Ulf Dammann. Sein Fazit: wie bei Kafka.
    Ibrahim Al Hussein in seiner drei mal vier Meter große Kabine im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin.
    Kaum Privatspähre: Der Flüchtling Ibrahim Al Hussein in seiner Mini-Kabine im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin. (Deutschlandradio / Claudia van Laak)
    "Fakt ist, dass das Jobcenter Geld zahlt an das Heim für eine Verpflegung, die das Heim bei einem Caterer besorgt, der das Essen liefert und dann wird es weggeschmissen."
    Horrende Schmiergelder für Wohnungsvermittlung
    Al Ayed Al Amour braucht dringend eine eigene Wohnung - doch der Markt für preiswerten Wohnraum ist leergefegt in Berlin. Betrüger nutzen die Not der Flüchtlinge aus, sie lassen sich Schmiergeld zahlen, erzählt der Syrer.
    "Ich habe eine Anzeige gesehen und habe eine Nachricht gesendet, als ich zu der Wohnung gegangen bin. Da gab es zwei Frauen. Die Frauen haben mir gesagt, wir brauchen 4.000 Euro für die Wohnung, Schmiergeld."
    Neugebaute Unterkünfte werden in Kürze fertig, die Situation könnte sich langsam entspannen. Allerdings nur, wenn die Zahl der neuen Asylbewerber so niedrig bleibt wie momentan, 800 Personen monatlich erreichen Berlin. Doch Sozialsenatorin Elke Breitenbach von der Linken ist nicht so recht zufrieden mit der Arbeit des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten.
    "Was den Aufbau dieser Behörde angeht, würde ich sagen, da sind wir bei einer 3 +, also da gibt es Verbesserungen. Wenn wir uns jetzt angucken, wie kann Kommunikation schon durchgeführt werden, dann sind wir immer noch bei einer 4."
    Berliner Flüchtlingskoordinator soll kommen
    Als Oppositionspolitikerin hatte Breitenbach vehement die Gründung dieser neuen Behörde kritisiert, jetzt ist sie selber der politische Kopf. Kein einfacher Rollenwechsel. Ein schweres Erbe habe sie angetreten, sagt die linke Sozialsenatorin. Immer wieder kritisieren der Flüchtlingsrat und ehrenamtliche Helfer das Landesamt. Die Betreiber der Heime würden ungenügend kontrolliert, Härtefälle wie z.B. Krebskranke oder Schwangere seien ungenügend untergebracht.
    "Wenn es solche Fälle gibt, kann ich nur darum bitten, sich auch tatsächlich zu melden, sich bei mir zu melden und mir diese Fälle zu sagen."
    Vertrauen in die eigene Behörde klingt anders. Auch aus diesem Grund will die linke Sozialsenatorin jetzt eine neue Stelle schaffen - das Amt des Berliner Flüchtlingskoordinators soll in Kürze besetzt werden.