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Flüchtlingspolitik der CDU
Zwischen Integrationspflicht und Abschiebung

Nach der CSU geht an diesem Wochenende in Mainz die CDU in Klausur. Der Bundesvorstand debattiert unter anderem über Schleierfahndung, schnellere Untersuchungshaft und eine zügige Abschiebung straffällig gewordener Ausländer. Damit reagiert die Parteispitze auch auf die Ereignisse in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof.

Von Anke Petermann | 08.01.2016
    Die stellvertretende CDU-Corsitzende Julia Klöckner sitzt neben der CDU-Bundesvorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel und spricht mit ihr.
    Fordert in Mainz die gesetzliche Integrationspflicht: CDU-Vize Julia Klöckner (dpa / Michael Kappeler)
    In Kreuth sah es zunächst nach weiterhin verhärteten Fronten zwischen Christsozialen und Christdemokraten aus. "Peinlich", dass sich die Union selbst zerfleischt, "anstatt in einer Ausnahmesituation an einem Strang zu ziehen", fand die "Thüringische Landeszeitung". Doch die Seehofersche "Obergrenze" mutierte zur "Orientierungsgröße", das nahm Druck aus der Diskussion. In Mainz dürfte die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Julia Klöckner die Brückenbauerin geben. Sie lieferte die Vorlage für einen Bundesparteitagsbeschluss, den der CDU-Bundesvorstand an diesem Wochenende in seine Mainzer Erklärung aufnehmen will: die gesetzliche Integrationspflicht für Zuwanderer.
    "Dass Bayern das übernommen hat, ist auch gut", lobt Klöckner. Und die Forderung, Flüchtlinge ohne Ausweispapiere an der Grenze rigoros zurückzuweisen?
    "Natürlich kann man das so pauschal nicht sagen, und das hat ja auch Horst Seehofer gesagt, dass man für Menschen da immer eine Lösung finden muss. Aber Menschen, die mutwillig ihre Papiere wegwerfen, die mutwillig und nachweislich ihre Identität verschleiern, die müssen damit rechnen, dass das kein Bonus ist, bei der Beurteilung ihres Aufenthaltsstatus."
    Auseinandersetzung mit "Männlichkeitsnormen in der muslimischen Kultur"
    Der gleichzeitige Schulterschluss mit Seehofer und Merkel wirkt geschmeidig. Roland Graßhoff vom Initiativausschuss Migrationspolitik Rheinland-Pfalz mutmaßt allerdings, dass Julia Klöckner zu Parteichefin Merkel nur scheinloyal ist. Die Wahlkampfrhetorik der Mainzer Oppositionsführerin ziele nämlich darauf ab, "dass irgendwann eine Obergrenze für Flüchtlinge kommt und möglicherweise dann auch wieder Stimmen von der AfD zurückgewonnen werden."
    Mit Blick auf die frauenverachtende Gewalt in Köln fordert Klöckner, sich mit den "Männlichkeitsnormen in der muslimischen Kultur" auseinanderzusetzen, dem "oft insgesamt rückwärtsgewandten patriarchalischen Rollenverständnis, das im Widerspruch zu unserer modernen, liberalen und aufgeklärten Gesellschaft" stehe. Oder – leger ausgedrückt:
    "Wenn man sagt, die ehrbare Frau ist die Frau, die voll bedeckt rumläuft, das ist die ehrbare. Und jede Frau, die im kurzen Rock (geht) oder einen Ausschnitt hat, das ist dann keine ehrbare mehr, und dann kann ich rangrabschen und sonst was machen, da muss ich sagen, Jungs, dann habt ihr ein Problem, wenn ihr hierbleiben wollt. Und wir haben auch einen Fehler gemacht, wenn wir das nicht zur Sprache bringen."
    Forderung nach schärferen Sicherheitsgesetzen
    Schonungslose Offenheit als Rezept gegen Rechtspopulismus oder Schüren antimuslimischer Stimmungen – sie spaltet, finden Klöckners Kritiker.
    Fordern will der CDU-Bundesvorstand in seiner Mainzer Erklärung, Sicherheitsgesetze massiv zu verschärfen: Schleierfahndung bei Gefahrenlagen, Tatverdächtige schneller in Untersuchungshaft bringen, verurteilten Straftätern die Asylberechtigung leichter entziehen, zügiger abschieben – so grob zusammengefasst, was als "harte Antwort des Rechtsstaats" auf die Ereignisse von Köln gedacht ist.
    Schärfere Gesetze oder konsequente Anwendung der bestehenden – das zeichnet sich als Konfliktlinie innerhalb der Großen Koalition ab – Spätfolge des rechtsfreien Raums von Köln.