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Flüchtlingstragödien vor italienischer Küste

Der Strom der Flüchtlinge im Mittelmeer reißt nicht ab. Allein in den vergangenen zwei Wochen sind rund 2000 illegale Einwanderer auf der südlich von Sizilien gelegenen italienischen Insel Lampedusa gelandet. 13 Menschen sind vermutlich allein am vergangenen Wochenende ums Leben gekommen, 17 weitere Bootsflüchtlinge aus Afrika werden vermisst, unter ihnen 8 Kinder. Karl Hoffmann berichtet.

Von Karl Hoffmann |
    Am Kai des kleinen Hafens herrscht lautes Treiben. Ein hölzernes Gestell wird zusammengezimmert und mit einer Plastikplane abgedeckt. Die seien für die verletzten und Not leidenden Immigranten, wenn sie an Land gehen. Ein bisschen Schatten, während erste Hilfsmassnahmen anlaufen. Denn in letzter Zeit kommen die Boat People mehr tot als lebendig nach Europa:

    "Am letzten Wochenende fanden wir ein Boot, das trieb zwei Wochen auf dem Meer. Und als die ersten starben, mussten sie von den übrigen Insassen über Bord geworfen werden. Die wenigen Überlebenden hatten riesiges Glück, hätte man sie nur ein paar Stunden später gefunden, dann wären sie wohl alle tot gewesen. Sie waren am Ende - und wo ist denn die Überwachung auf hoher See?"

    Nachdem sie immer wieder verschoben wurde, soll sie jetzt nun doch noch anlaufen: eine gemeinsame Europäische Aktion von Marineeinheiten aus Griechenland, Italien, Malta, Frankreich und Deutschland, mit der das Seegebiet zwischen der nordafrikanischen Küste und dem südlichsten Zipfel der Europäischen Union lückenlos überwacht werden soll, um zu verhindern, was inzwischen beinahe täglich passiert: Winzige lebensgefährliche Holzboote landen, so wie gestern Mittag beinahe unbemerkt, direkt vor der Nase der Hafenbehörden von Lampedusa. 109 Menschen aus Afrika , die um ein Haar ihr Leben gelassen hätten.

    "Die waren eng zusammengedrängt und zwar mehrere Tage lang. Viele waren vollkommen ausgetrocknet, fünf, sechs von ihnen lagen wie tot auf der Mole, wo man ihnen sofort Infusionen verabreichte, um sie wieder zu Bewusstsein zu bringen."

    Die Fischer von Lampedusa haben sich an den Flüchtlingsstrom gewöhnt, oft melden sie die Boat People per Funk an die Hafenbehörden, die dann schnell zu Hilfe eilen. Aber so schlimm wie in den letzten Wochen war es noch nie.

    Der unerwartete Schub Tausender von Menschen auf die winzige Urlauberinsel Lampedusa, näher an Afrika als an Sizilien, begann vor drei Wochen. Über 400 Menschen waren auf einem 25 Meter langen rostigen Fischerkahn angekommen, der jetzt von einem Bagger mit Hydraulikschere in Einzelteile zerlegt wird, die dann ein Laster auf die Müllkippe der Insel schafft. Zwischen den Schnellbooten der Küstenwacht und den flotten Ausflugsbooten stört der Seelenverkäufer. Nicht die Immigranten beeilen sich die Inselbewohner zu versichern, aber das Problem der Immigration verscheucht leider die begehrten Touristen:

    "Wegen der ständigen Meldungen über illegale Einwanderer nimmt der Tourismus ab, dieses Jahr kommt schätzungsweise ein Drittel weniger Besucher. Das ist nicht die Schuld der Immigranten, uns stören sie nicht, wir bekommen sie gar nicht zu sehen, denn sie werden sofort weggebracht. Die laufen ja hier nicht frei herum. Aber das Problem der Immigranten ist eine schlechte Werbung für uns. Und die Leute interessieren sich mehr für die illegalen Ausländer als für uns Inselbewohner."

    Die haben ihre eigenen Probleme, von denen inzwischen kaum jemand mehr Notiz nimmt:

    "Wir fangen überhaupt keine Fische mehr, und keiner weiß warum. Früher lebten wir von Tintenfischen und Rotaugen und Kalamari. Die Fische sind verschwunden, leer gefischt. Welche Zukunft haben unsere Kinder hier noch? Boat People aus dem Wasser fischen?"

    Die einzige Hoffnung der Inselbewohner ist, dass es gelingt, den Strom der Flüchtlinge Richtung Lampedusa zu stoppen. Sie sollten zum Umkehren gezwungen werden, zur Not auch mit Gewalt, meinen viele hinter vorgehaltener Hand. Natürlich müsste man ihnen in ihren Heimatländern helfen, so dass sie sich gar nicht erst auf die gefährliche Reise begeben müssen. Aber was man mit all den Menschen anfangen soll, die vor Bomben und Panzern fliehen, wissen auch die Lampedusaner nicht. Und ob die angekündigten deutschen Polizisten das Problem lösen können, bezweifeln sie sehr. Zahlende Touristen aus Deutschland wären ihrer Meinung nach viel nützlicher.

    "Ihr werdet schon sehen, am Ende müssen wir die deutschen Polizisten auch noch durchfüttern."