Mittwoch, 24. April 2024

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Flüchtlingszuzug und Klimaschutz
"Höherer Ausstoß von Treibhausgasemissionen"

Mehr Bevölkerung sorge für mehr Wirtschaftswachstum und somit auch zu mehr CO2-Ausstoß, sagte Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zur Überwachung der Energiewende, im Deutschlandfunk. Er geht von 14 bis 17 Millionen zusätzlichen Tonnen an CO2 durch Zuwanderung aus. Und: Auch so seien die Klimaschutzziele schon sehr schwer zu erreichen.

Andreas Löschel im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 05.01.2016
    Die aufgehende Sonne taucht am 27.10.2014 den Himmel hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen) in warmes Licht.
    CO2-Ausstoß Kohlekraftwerk: Die Erreichung der Klimaschutzziele wird immer schwieriger. (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Susanne Kuhlmann: Wächst die Bevölkerung in Deutschland oder schrumpft sie? Für 2015 fällt die Antwort wohl eindeutig aus, denn bis zu einer Million Menschen sind ins Land gekommen. Und viele davon werden wohl bleiben. Wo leben sie, wie bewegen sie sich und was können sie arbeiten? Und wie wirkt sich das alles auf die Vereinbarungen Deutschlands zum Klimaschutz aus?
    - Mit diesen Fragen befasst sich Andreas Löschel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster und Vorsitzender der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission zur Überwachung der Energiewende. Herr Professor Löschel, guten Tag!
    Andreas Löschel: Guten Tag, Frau Kuhlmann!
    Kuhlmann: Die Bundesregierung will Emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren und die erneuerbaren Energien ausbauen. Wie könnte sich der Zuzug von Flüchtlingen auf diese nationalen Klimaziele auswirken?
    Löschel: Die Bevölkerungsentwicklung ist ja ein wichtiger Treiber für Treibhausgasemissionen. Und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen verbrauchen mehr Einwohner mehr Energie. Sie nutzen Brennstoffe für Transport, für Heizzwecke. Zum anderen gehen sie aber auch einer Erwerbstätigkeit nach in den Branchen, die dann ihrerseits wieder eben mehr Energie nutzen zur Erstellung von Gütern. Und beides führt dazu, dass mit höherem Bevölkerungsstand eben auch ein höherer Verbrauch und ein höherer Ausstoß von Treibhausgasemissionen einhergeht.
    Kuhlmann: Ist Einwohner gleich Einwohner? Oder sehen Sie bezogen auf die Klimaziele einen Unterschied darin, ob Arbeitsmigranten aus den kriselnden europäischen Nachbarländern zu uns ziehen oder Flüchtlinge, die nichts dabei haben?
    Löschel: Wechselwirkungen mit dem demografischen Wandel
    Löschel: Das ist ganz schwer abzuschätzen augenblicklich, denn das hängt insbesondere von der Wechselwirkung dieser demografischen Entwicklung mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Also der Frage, wie gut sich die Zugezogenen dann tatsächlich in die Wirtschaft einpassen, was abhängt von der Altersstruktur, von der Qualifikationsstruktur. Und dann ist auch klar, dass natürlich die gezielte Anwerbung von Qualifizierten ganz andere Auswirkungen haben wird als Zuwanderung von weniger qualifizierten Menschen. All das, wie gesagt, muss, denke ich, noch genau eruiert werden, aber hat natürlich eine große Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum und damit auch auf die Emissionen.
    Kuhlmann: Welche Szenarien halten Sie denn im Moment für wahrscheinlich oder für am wahrscheinlichsten?
    Löschel: Wir haben ja erst einmal hier in Deutschland im abgelaufenen Jahr 2015 einen Projektionsbericht der Bundesregierung gesehen, der, ausgehend von Bevölkerungsprojektionen annimmt, dass wir im Jahr 2020 und insbesondere bis 2030 eine rücklaufende Entwicklung in der Bevölkerung haben. Wir sehen aber jetzt eben, mit den neueren Voraussichten, mit den starken Zuzügen, die wir im letzten Jahr gesehen haben und die wir in Zukunft auch erwarten, dass diese Projektion wahrscheinlich nicht haltbar ist. Dass also wir hier davon ausgehen können, dass die Bevölkerung ansteigen wird, in 2020 höher sein wird als heute, und auch 2030 noch einmal deutlich höher sein wird als erwartet, etwa zwei bis zweieinhalb Millionen höherer Bevölkerungsstand da möglich wäre. Und entsprechend auch das Auswirkungen auf Emissionen hat, etwa in Größenordnungen von zusätzlichen Emissionen, etwa 14 bis 17 Millionen Tonnen CO2.
    Kuhlmann: Das Umweltministerium sieht die Umweltziele nicht in Gefahr. Zu Recht?
    Löschel: Wir hatten ja im letzten Monitoringbericht oder in unserem Kommentar zum Monitoringbericht angemahnt, dass wir auch bei der Erreichung der Klimaziele schon jetzt mit großen Problemen konfrontiert sind. In den letzten Jahren hatten wir eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von neun Millionen Tonnen. Um unser Ziel bis 2020 zu erreichen, brauchen wir ab heute jährlich 27 Millionen Tonnen CO2. Das heißt, die Minderungsleistung müsste verdreifacht werden in den nächsten Jahren bis 2020. Ich denke, das zeigt schon sehr gut, wie angespannt das jetzt schon ist und wie schwierig die Zielerreichung. Und darauf kommen jetzt eben noch einmal zusätzliche Reduktionsverpflichtungen. Das heißt ganz klar, wir brauchen stärkere Anstrengungen zum Klimaschutz, um dieses fixe Mengenziel für CO2-Ausstoß tatsächlich zu erreichen.
    Kuhlmann: Wie wirkt sich der Flüchtlingszuzug auf die deutschen Klimaziele aus: Das waren Antworten von Professor Andreas Löschel, dem Vorsitzenden der Expertenkommission zur Überwachung der Energiewende. Ihnen Danke dafür!
    Löschel: Vielen Dank, Frau Kuhlmann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.