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Flüsterbremsen fürs Mittelrheintal
"Es geht darum, dass auch an den Gleisen etwas geschehen muss"

Die Deutsche Bahn plant, 60.000 Güterwagen bis 2020 mit sogenannten Flüsterbremsen auszustatten. Viel zu spät, kritisiert Frank Groß von der Bürgerinitiative Pro Rheintal. Im DLF begrüßte er zwar die neuen Bremsen, forderte aber eine schnellere Umsetzung und weitere Lärmschutzmaßnahmen.

Frank Groß im Gespräch mit Jule Reimer | 17.07.2014
    Ein Güterzug fährt an Häusern in Assmanshausen (Rüdesheim) vorbei
    Im Rheintal fahren die Züge mitunter dicht an Häusern vorbei. (picture alliance / dpa - Marius Becker)
    Jule Reimer: "Warum ist es am Rhein so schön?" Hübsche Mädchen, leckerer Wein, Harry Steier fielen da vor vielen Jahren mehrere Antworten ein. Die Bahnstrecke entlang der Rhein-Kurven zwischen Wiesbaden/Mainz und Bonn mit Blick auf Weinberge und Loreley lockt zu Recht viele Touristen an. Es sind auch nicht die Personenzüge, über die sich die Anwohner im Mittelrhein-Tal beklagen, sondern es sind die Güterzüge, die ihnen das Leben schwer machen. Mit neuen Bremsen will die Deutsche Bahn gegen Zuglärm angehen: Bis zum Jahr 2020 sollen insgesamt 60.000 Güterwagen mit sogenannten Flüsterbremsen ausgestattet sein. Das Flüstern bezieht sich weniger auf den Bremsvorgang selbst, als auf die Folgen für das Fahrgeräusch: Weil die Bremsen aus einem Kunststoffgemisch das Rad weniger aufrauen als herkömmliche aus Grauguss, laufen die Wagen leiser.
    In Boppard bin ich verbunden mit Frank Groß, dem Sprecher der Bürgerinitiative Pro Rheintal. Herr Groß, wird jetzt alles gut bei Ihnen?
    Frank Groß: Ich grüße Sie, Frau Reimer. Wir hoffen, dass es eine deutliche Lärmreduktion geben wird, was durchaus durch diese Bremsen möglich ist. Allerdings ist es für uns viel zu spät, weil das ja schon seit Jahren in der Diskussion steht und man sich jetzt noch mal bis 2020 Zeit lassen will. Aber die Bremsen als solche sind zu begrüßen als ein Teil der notwendigen Maßnahmen.
    Groß fordert weitere Lärmschutzmaßnahmen
    Reimer: Und was wären andere notwendige Maßnahmen?
    Groß: Es geht darum, dass auch an den Gleisen etwas geschehen muss. Die Schienen müssen geglättet, müssen regelmäßig geschliffen werden. Es geht darum, dass die Lokomotiven gedämpft werden, was die Lüftergeräusche und so weiter betrifft, denn die werden plötzlich dann hörbar, wenn die Räder leiser werden. Und es geht auch um den Ausbreitungsweg, sprich Lärmschutzwand und so weiter, allerdings kleine, verträgliche, die dann eng an die Züge rangebaut und von beiden Seiten. Das wären die Maßnahmen.
    Reimer: Sie sagten, kleine Lärmschutzwände. In der Tat wäre es der Schönheit des Rheintals nicht so zuträglich, wenn jetzt große Lärmschutzwände aufgebaut würden. Geht das denn überhaupt? Ist das sehr kostspielig?
    Groß: Es geht, indem man diese kleinen Wände sehr nahe an die Züge heranbringt, und man kann auch an den Zügen durch gewisse Abschirmungen für Räder und die Seitenkästen den Lärm so weit nach unten bringen, dass er sich dann in diesen neuen Lärmschutzwänden fängt und dort auch praktisch totlaufen kann. Das ist allerdings ein neues innovatives System, was von den Hochschulen und so weiter entwickelt wurde, aber das muss man wollen, damit es auch umgesetzt wird.
    "Bahnlärm kann wirklich zu dramatischen gesundheitlichen Folgen führen"
    Reimer: Muss man es auch bezahlen können? Wie teuer ist das alles?
    Groß: Das ist nicht teurer als die herkömmlichen Lärmschutzwände, und es geht ja immer nur darum, dass auch die Wohngebiete geschützt werden, denn bei allen technischen Diskussionen dürfen wir nicht vergessen: Es geht ja hier um Menschen und darum, dass Bahnlärm wirklich zu dramatischen gesundheitlichen Folgen führen kann.
    Reimer: Güterzüge fahren überall in Deutschland. Warum melden sich die Anwohner des Mittelrhein-Tales beim Thema Bahnlärm besonders oft und besonders laut zu Wort?
    Groß: Das Mittelrhein-Tal hat aufgrund seiner Topographie, diese Grabenschlucht, diese Durchgangsschlucht zwischen den Mittelgebirgen, natürlich sehr viel Hall und Nachhall und auch durch die ständigen Kurvenfahrten. Dort sind die Züge praktisch noch mal doppelt so laut, sodass sie hier eine enorme Lärmemission haben, die sich dann über Reflektionen und Nachhall so verstärkt, dass es bis auf die Höhen hinauf sämtliche Häuser irgendwo betrifft.
    "Ab 2016 soll nachts zumindest Ruhe sein"
    Reimer: Nicht nur die Deutsche Bahn betreibt Güterzüge, es gibt auch andere Anbieter. Was tun die denn gegen den Lärm, beziehungsweise hat da die Deutsche Bahn Einfluss auf deren Maßnahmen? Die ist ja immerhin der Netzbetreiber.
    Groß: Es gibt einige Waggon-Anbieter. Die Großen, sage ich mal, sind fünf, sechs große Anbieter, und die sind natürlich im Verbund mit der Bahn sich eigentlich auch einig und sind ebenso dabei umzurüsten. Aber sie wollen sich bis 2020 Zeit nehmen, weil dann ein Großteil ihrer Waggons ohnehin ausrangiert wird und man dann zu nichts Besonderem gezwungen ist. Das sehen wir natürlich anders, weil wir wollen, ab 2016 soll nachts zumindest Ruhe sein.
    "Güterzüge sind in den letzten 40 Jahren doppelt so laut geworden"
    Reimer: Wie laut ist es bei Ihnen nachts? Könnten Sie das noch mal beschreiben?
    Groß: Ja, das sind Lautstärken, die liegen über 100 DB, und das ist ein Vielfaches von dem, was überhaupt verträglich ist. Sie wissen, im Arbeitsrecht muss man ab 85 DB einen Hörschutz tragen, und hier fahren die Züge mit über 100 DB durch und diese Züge, diese Güterzüge, sind auch in den letzten 40 Jahren noch mal doppelt so laut geworden. Während alle anderen Fahrzeugarten praktisch ihre Lautstärke halbiert haben, sind Güterzüge noch mal doppelt so laut, und das hängt mit dem Tempo, mit der höheren Geschwindigkeit, mit der höheren Beladung und natürlich auch mit dieser veralteten Technik zusammen.
    Reimer: Vielen Dank für diese Informationen an Frank Groß. Er ist Sprecher der der Bürgerinitiative Pro Rheintal und fordert zusätzlich zu den Flüsterbremsen weitere Maßnahmen gegen den Lärm der Güterzüge.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.