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Flug MH370
Kurz vor Sendeschluss der Blackbox

Im Indischen Ozean wurden auf der Suche nach dem verunglückten Flug MH370 die Signale von zwei Blackboxen aufgefangen. Aus Kostengründen werde immer noch diese Technik eingesetzt, sagte Volker Thomalla, Chefredakteur der "Flug Revue", im DLF. In den nächsten fünf Jahren werde aber vermutlich die lückenlose Fernüberwachung kommen.

Volker Thomalla im Gespräch mit Peter Kapern | 07.04.2014
    Ein Flugzeug auf der Suche nach Wrackteilen über dem Meer
    Die Suche nach der Blackbox geht weiter. (Richard Wainwright, dpa picture-alliance)
    Peter Kapern: Bei uns am Telefon ist Volker Thomalla, der Chefredakteur der Fachzeitschrift "FlugRevue". Guten Tag, Herr Thomalla!
    Volker Thomalla: Guten Tag, Herr Kapern!
    Kapern: Gilt eigentlich der Satz, wenn die Batterien des Flugschreibers leer sind, bevor er gefunden wird, dann wird das Schicksal von Flug MH370 auf ewig ein Rätsel bleiben?
    Thomalla: Das kommt auf den Aufwand an, den man betreiben will. Es ist allerdings sehr, sehr schwer, dann noch diesen Flugschreiber zu finden, wenn man keinen Anhalt hat, den in irgendeiner Form zu lokalisieren. Und da ist es ganz wichtig, dass er lokalisiert werden kann, bevor die Batterien ihren Geist aufgeben.
    Kapern: Wie kann es eigentlich sein, dass Signale, die auf der Frequenz empfangen werden, auf der Flugschreiber senden, an so unterschiedlichen Orten empfangen werden? Liegen auf dem Grund des Ozeans mehr Flugschreiber herum, als man ahnt?
    Thomalla: Nein, das nicht. Aber es gibt in der Tat zwei Flugschreiber. Das eine ist ein Flugschreiber, auf dem Daten aufgenommen werden, eben Höhe des Flugzeugs, die Stellung der Ruderflächen und solche Sachen. Und es gibt einen Cockpit Voice Recorder. Das ist im Prinzip ein Kassettenrecorder, auf dem die Stimmen und Geräusche aus dem Cockpit aufgenommen werden. Wenn diese weit auseinander liegen, zum Beispiel durch Meeresströmung abgetrieben, dann kann es durchaus sein, dass dort zwei Signale von zwei unterschiedlichen Blackboxes an zwei unterschiedlichen Stellen aufgefangen werden.
    Kapern: Und die Distanz zwischen beiden könnte tatsächlich 300 Seemeilen betragen, wie wir es gerade von unserem Kollegen Udo Schmidt gehört haben?
    Thomalla: Das klingt für mich sehr unwahrscheinlich. 300 Seemeilen ist wirklich sehr viel.
    Kapern: Welcher der beiden Flugschreiber wäre denn wichtiger für die Aufklärung der Umstände des Verschwindens des Flugzeugs?
    Thomalla: Meiner Meinung nach ist der Datenrecorder der wichtigere, weil in ihm einfach unheimlich viel, bis zu 88 verschiedene Parameter aufgezeichnet werden. Der Cockpit Voice Recorder zeichnet nur eine halbe Stunde auf. Wenn es zum Beispiel so ist, dass ein Brand an Bord ausgebrochen ist und die Maschine, nachdem die Piloten bewusstlos geworden sind, noch stundenlang weitergeflogen ist, dann wäre es so, dass einfach nur Rauschen auf diesem Cockpit Voice Recorder zu hören ist, während es so ist: Auf dem Datenrecorder wird alles genau aufgezeichnet und das über die gesamte Flugdauer. Deswegen ist der Cockpit Voice Recorder deutlich sekundär und der Datenrecorder ist absolute Priorität.
    Kapern: Nun hat es ja, Herr Thomalla, 2009 ein verheerendes Unglück rund um Flug 447 der Air France gegeben. Die Maschine ist auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris abgestürzt. Damals hat man den Flugschreiber zwei Jahre nach dem Absturz gefunden, da müssen die Batterien längst leer gewesen sein. Wie findet man einen Flugschreiber, der kein Signal mehr sendet?
    Thomalla: Man findet ihn, indem man das Wrack des Flugzeugs ortet. Das war bei Air France 447 der Fall. Dort hat man die mögliche Absturzstelle dann eingehend untersucht mit Tauchrobotern und ist dann tatsächlich fündig geworden, hat das Wrack gefunden. Und man weiß ja, an welcher Stelle im Flugzeug, an welchem Wrackteil am Flugzeug der Cockpit Voice Recorder und der Datenrekorder befestigt sind. Und das hat man bei Air France 447 auch gemacht. Man hat das Teil gefunden, weil man das Wrackteil gefunden hat, an dem diese Recorder befestigt waren.
    Flugzeuge verschwinden sehr selten spurlos
    Kapern: Das ganze Verfahren, Herr Thomalla, dieser Flugdatensicherung, das scheint doch etwas antiquiert. Warum muss man eigentlich in den Zeiten lückenloser Satellitenkommunikation darauf setzen, eine Blechkiste zu finden, in der Daten abgespeichert sind? Warum werden alle diese Daten nicht permanent in Echtzeit übertragen zur Überwachung von Flügen?
    Thomalla: Technisch ist diese Möglichkeit heute gegeben. Es war bisher eine Kostenfrage, weil Fälle, in denen Flugzeuge fast spurlos verschwinden, relativ selten auftraten. Die Luftfahrt existiert seit über 100 Jahren und es gibt insgesamt 88 Fälle, bei denen Flugzeuge verschwunden sind. Da sah man jetzt noch nicht die Notwendigkeit. Allerdings ist nach Air France 447 der Druck auf die Hersteller und auf die Airlines sehr, sehr groß geworden. Und ich gehe davon aus, dass dieser Schritt einer lückenlosen Überwachung innerhalb der nächsten fünf Jahre auf jeden Fall gegangen wird.
    Kapern: Das heißt, da wird an der falschen Stelle gespart?
    Thomalla: Ja, es war noch nicht die Notwendigkeit, es war nicht die Dringlichkeit gegeben. Aber ein Fall wie MH370, der zeigt einfach, dass die Dringlichkeit jetzt wirklich da ist. Flugzeuge fliegen heute viel, viel mehr über Wasserstrecken und auch in Regionen, die man sich vorher nicht vorgestellt hat. Deswegen ist es einfach wichtig, dass jetzt eine lückenlose Überwachung da ist, damit man Unfälle sofort aufklären kann oder unter Umständen auch noch Hilfe leisten kann.
    Kapern: Mal angenommen, dieser Flugdaten-Rekorder wird gefunden, halten Sie es dann für absolut sicher, dass die Ursache des Verschwindens auch ausfindig gemacht wird?
    Thomalla: Nein, das ist nicht absolut sicher, weil dieser Flugdaten-Rekorder auch zerstört sein kann. Das war bei Air France 447 zum Beispiel der Fall. Dort war die Speichereinheit getrennt von dem eigentlichen Gehäuse. Man hat es aber dann schaffen können, es war aber auch viel Glück im Spiel. Auch das spricht wiederum für die Forderung, dass man eine technische Möglichkeit findet, dass eine lückenlose Überwachung da ist, um eben auch solche äußeren Einflüsse auszuschließen, damit man wirklich sofort alle Daten verfügbar hat.
    Kapern: Volker Thomalla, der Chefredakteur der Fachzeitschrift "FlugRevue", heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Herr Thomalla, danke für das Gespräch und einen schönen Tag noch.
    Thomalla: Danke, Herr Kapern. Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.