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Flugziel Antarktis

Polarforschung. - Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Awi) hat ein weiteres Forschungsflugzeug für den Polareinsatz in Dienst gestellt. Die Polar 6 wurde jetzt in Bremerhaven vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen | 28.10.2011
    Keith Krueger hat sich in das enge Cockpit gezwängt. Dann betätigt der kanadische Pilot ein paar Knöpfe und Hebel, und das Propeller-Triebwerk des Flugzeugs springt an.

    "Es ist ein Traum, diese Maschine zu fliegen – für mich etwas ganz Besonderes. Schon in Kanada bin ich die DC-3 geflogen, und jetzt diese moderne Version hier. Ich liebe dieses Flugzeug!"

    Polar 6, so heißt das brandneue Forschungsflugzeug des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, kurz AWI. Doch eigentlich ist die Maschine gar nicht neu. Sie ist eine umgebaute DC-3. In Deutschland ist das Modell als "Rosinenbomber" bekannt: Während der sowjetischen Blockade Ende der 40er Jahre hatte er Berlin ein Jahr lang mit Lebensmittel versorgt.

    "Baujahr ist 1943. Entwickelt wurde das Flugzeug grundsätzlich sogar schon 1935. Ist aber jetzt von der Firma Baseler komplett überholt und mit modernen Triebwerken ausgestattet worden","

    sagt Awi-Ingenieur Martin Gehrmann. Dass er und seine Kollegen zu einem fliegenden Oldtimer gegriffen haben, hat seinen guten Grund:

    ""Das Besondere an dem Flugzeug ist, dass es ein zugelassenes Skifahrwerk hat, was bei Flugzeugen in der Größe nicht üblich ist. Das hat für uns den Vorteil, dass wir in der Antarktis überall sicher starten und landen können und sogar die Möglichkeit haben, außerhalb von präparierten Pisten zu operieren."

    Im Inneren der Maschine steht Heinrich Miller, stellvertretender Direktor des Awi. Noch ist das Flugzeug relativ leer: vorn eine Sitzreihe, hinten drei Gestelle mit einigen Elektronikgeräten.

    "Während der Messkampagne sieht es hier wesentlich voller aus. Da ist der vordere Teil gefüllt mit Notfallausrüstung – Schlafsäcken, Zelten, Notproviant. Daneben sind hier ein paar mehr Sitze für die Bedienungsmannschaft. Innen ist es dann doch ziemlich voll."

    Dann werden Laser die Luftzusammensetzung erfassen, Lichtsensoren die UV-Strahlung messen, Gravimeter kleinste Änderungen der Schwerkraft registrieren. Miller:

    "Wir wollen weiße Flecken, die es immer noch auf der Landkarte gibt, mit Wissen füllen. Wir wissen heute über weite Bereiche der Antarktis immer noch nicht, wie dick das Eis genau ist und was sich darunter befindet."

    Deswegen kann Polar 6 von oben direkt ins Eis schauen, und zwar mit einem neuartigen Radarsystem. Miller:

    "Dazu befestigen wir spezielle Antennen unter den Flächen. Das Flugzeug sieht dann fast aus wie ein Doppeldecker. Mit diesem Radarsystem können wir Eis durchdringen bis zu einer Mächtigkeit von 4700 Meter. Wir können das dickste Eis, das wir auf der Erde haben, messen."

    Daraus wollen Miller und seine Leute schließen, wie schnell die Gletscher der Antarktis fließen. An ihren Rändern bricht das Gletschereis ab und schmilzt im Meer. Diesem Eisverlust steht der Schnee entgegen, der auf den südlichsten aller Kontinente fällt.

    "Die Antarktis ist klimatisch in Inneren wie eine Wüste. Dort ist es trockener als in der Sahara. Trotzdem: Wenn da pro Jahr zwei Zentimeter Schnee fällt, ist das wegen der großen Fläche enorm viel."

    Bricht – verursacht durch die globale Klimaerwärmung – mehr Eis ab als durch Schnee nachkommt? Und wird dadurch der Meeresspiegel weltweit steigen? Fragen wie diese soll die Polar 6 beantworten helfen – gemeinsam mit der Polar 5, die seit 2007 im Dienst ist.

    Montag wird es ernst für die Polar 6. Dann fliegt sie für einen letzten technischen Check nach Kanada, danach geht’s in die Antarktis zum ersten Forschungseinsatz. Pilot Keith Krueger kann es kaum erwarten.

    "Mit der Polar 5 war ich schon am Südpol. Und ich freue mich sehr darauf, jetzt auch mit der Polar 6 da runterzufliegen!"