Freitag, 29. März 2024

Archiv

Flusssystem in der Sahara
Das Land unter dem Sand

Am Ende der jüngsten Eiszeit war die Sahara grün, und mächtige Ströme flossen durch das riesige Land. Die sind jedoch längst unter dem Sand verschwunden. Nun hat eine französische Forschergruppe mithilfe der Daten eines japanischen Radarsatelliten die Spuren eines dieser Ströme in der Westsahara entdeckt.

Von Dagmar Röhrlich | 11.11.2015
    Als die jüngste Eiszeit zu Ende ging, erwärmten sich die Meere, die Verdunstung nahm zu, die Passatwinde drangen weit in die Sahara vor und brachten ihr Regen. Riesige Seen entstanden, und Flüsse bahnten sich über Tausende Kilometer hinweg ihren Weg durch das Land. Die Sahara verwandelte sich in ein grünes Paradies. Dann ließen die Passatwinde wieder nach, der Regen blieb aus, und Sand verbarg die ausgedörrte Landschaft. Sie war verschwunden, bis eine französische Forschergruppe sie nun mit einem japanischen Radarsatelliten wieder sichtbar machte:
    "Wir können mithilfe dieses Satelliten Oberflächensedimente ein paar Meter tief durchdringen, sofern der Untergrund trocknen ist. So konnten wir dann aus den Bildern ein ausgedehntes Flusssystem unter dem Sand rekonstruieren."
    Es floss einst durch Mauretanien, erklärt Philippe Pailou von der Universität Bordeaux:
    "Es stellt eine Verbindung zu einem 400 Kilometer langen submarinen Canyon her, der sich sehr tief in den Untergrund einschneidet und der 2004 vor der Küste Mauretaniens entdeckt worden ist. Normalerweise schaffen große Flüsse solche Canyons, aber dort gibt es heute nichts, was dafür in Frage käme. Nun konnten wir mithilfe der Radarbilder diesen verschwundenen Flusslauf rekonstruieren und ins Landesinnere hinein verfolgen."
    Sein Verlauf passt perfekt zu dem des Tamanrasett-Stroms, dessen frühere Existenz Wissenschaftler bislang nur angenommen hatten. Er gehörte heute zu den zwölf größten Fluss-Einzugsgebieten der Erde - wenn er denn noch Wasser führen würde:
    "Der Tamanrasett soll ein großes Flussystem gewesen sein, das Wasser aus dem Ahaggar-Gebirge in Algerien und dem Atlasgebirge in Marokko und Tunesien in den Atlantik leitete. Er war wohl 2500 Kilometer lang, vielleicht vergleichbar mit dem Niger. Aber der Tamanrasett war nur eine Hypothese, die auf der Untersuchung der modernen Topografie basierte."
    Übergang von Savanne zu Wüste muss sehr schnell abgelaufen sein
    Und nun enthüllen die Radarbilder die letzten 500 Kilometer dieses Flusssystems, das sich mit ihrer Hilfe genau kartieren lässt:
    "Wir konnten sehr feine Strukturen erkennen, die beweisen, dass es diesen Strom tatsächlich gegeben hat."
    Das wiederum bestätigt Theorien über weitverzweigte Flussläufe, die sich während klimatisch günstiger Epochen immer wieder in der Sahara entwickelt haben sollen: War das Klima feucht, verwandelten sie sich während der Regenzeiten in reißende Ströme. In anderen Monaten ging ihr Wasserstand zurück, sodass sie für die Menschen passierbar wurden und die Sahara dann keine unüberwindliche Grenze war.
    "Wir haben über die vergangenen 250.000 Jahre hinweg die Zeiten untersucht, in denen sich die Sahara aufgrund günstiger Klimabedingungen in eine grüne Savanne verwandelte. Die jüngste dieser Phasen war zwischen 12.000 und 5.000 Jahren vor unserer Zeit. Wir haben für unsere Rekonstruktion unterschiedlichste Datensätze berücksichtigt - von Wasserstandsveränderungen in nordafrikanischen Seen bis hin zu Analysen von Bohrkernen aus Meeressedimenten vor der Küste Mauretaniens. So haben wir herausgefunden, dass dieses Flusssystem das letzte Mal vor 12.000 bis 7.000 Jahren aktiviert worden ist."
    Und dass der Übergang von Savanne zu Wüste in der Westsahara sehr schnell abgelaufen sein muss. Zusammen mit einem bereits 2009 entdeckten Flusssystem im Osten Afrikas wird damit das Bild der grünen Sahara immer vollständiger. Puzzlestein fügt sich an Puzzlestein, und so lässt sich allmählich ein fossiles Ökosystem rekonstruieren, das "eingefroren" ist unter dem Sand.