Archiv


Flusswächter Wasserfloh

Umwelt. - Diese Woche verlor ein Rheinschiff einen Teil seiner Ladung, die Container enthielten zum Teil Gefahrgut und schlugen Leck. Am Rhein wie auch an anderen deutschen Flüssen soll demnächst ein neues, vollautomatisches Frühwarnsystem installiert werden, dass eine Wasserverschmutzung sofort erkennt. Eine große Rolle spielen dabei Wasserflöhe. An der Elbe in Hamburg funktioniert das System schon.

Von Jens Wellhöner |
    Die Elbe bei Hamburg: Träge strömt der Fluss zwischen hohen Deichen dahin. 200 Meter ist er hier breit. An seinem Südufer führt eine kleine Brücke zu einem Ponton in Ufernähe. Auf dem Ponton steht ein kleines Haus: Die Gewässer-Messstation Bunthaus. Drei Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt statten ihr gerade einen Routinebesuch ab: Im Inneren der Station macht eine Wasserpumpe ständig Lärm. An einer Wand steht eine Kommode aus Stahl. Umweltingenieur Werner Blohm öffnet ihren Deckel. Darin plätschert Wasser in einen spülbeckengroßen Behälter:

    "Elbwasser, das hier vorbei fließt. Das wird hier in unsere Rohre eingespeist. Und dann kriegen alle Messsysteme das, was sie brauchen."

    In diesem kleinen Becken wird unter anderem der Sauerstoffgehalt des Wassers gemessen. In einem anderen erfassen Sensoren den Anteil von Feststoffen, die zum Beispiel Regen von Äckern in die Elbe spült. Eines der wichtigsten Teile der Messstation verbirgt sich ganz hinten im Messraum, in einem unscheinbaren kleinen Schrank. Umwelttechniker Michael Lächelt klappt ihn auf:


    "Hier sehen wir jetzt ein Mini-Aquarium. In dem schwimmen zehn von diesen Wasserflöhen herum. Und das Mini-Aquarium wird ständig von Elbwasser durchflossen."

    Der Behälter mit den Wasserflöhen ist nur so groß wie eine Zigarettenschachtel. Und besteht aus durchsichtigem Kunststoff. Darin bewegen sich braune Punkte im Zick-Zack hin und her: Die Wasserflöhe oder besser Wasserkrebse der Gattung Daphnie. Denn "Flöhe" nennt sie nur der Volksmund. Für die Umweltüberwacher an der Elbe sind sie unverzichtbar. Denn die winzigen Tiere sind äußerst sensibel. Gerade sammeln sie sich ganz unten im Aquarium. Michael Lächelt:

    "Die schwimmen jetzt nur unten, weil wir die Klappe aufgemacht haben. Und wenn sie sich aufregen, dann schwimmen die erst mal nach unten. Das gleiche machen sie auch bei einer toxischen Belastung, denn das Wasser kommt von oben in die Messzelle eingeströmt. Und die Daphnien versuchen zu flüchten. Und wenn sie sich im unteren Bereich des kleinen Aquariums sammeln, dann kann der Computer das auch erkennen."

    Eine Kamera registriert jede Bewegung der kleinen Tiere. Der angeschlossene Computer berechnet aus ihren Daten die Schwimmbahn der Krebse, also ihre Bewegungsrichtung. Der Computer rechnet auch das Tempo der Wasserkrebse aus. Michael Lächelt kann das auf dem Bildschirm ablesen:

    "Da sehen wir, dass der Verlauf der mittleren Geschwindigkeit im Verlauf der letzten Stunden relativ gleichmäßig war. Und wenn sich diese Geschwindigkeit zum Beispiel verändert, also schneller oder langsamer wird, dann registriert der Computer das. Und das ist erst für uns interessant."

    Falls mehrere Messsysteme gleichzeitig Alarm geben, steuert der Computer einen vollautomatischen Probennehmer: Der sammelt dann Wasserproben in mehreren Flaschen. Die Wissenschaftler bekommen sofort eine Nachricht vom Computer, per SMS und E-Mail. Werner Blohm:

    "Der Stationscomputer erkennt das, er meldet das an uns. Wir können uns mit der Station in Verbindung setzen, reingucken, uns fragen, gibt es was zu tun? Ist die Katastrophe ausgebrochen? Und der Computer kann also eine Probe zu dem Zeitpunkt nehmen, wo wir vermuten, dass im Wasser was drin ist, was nicht reingehört. Und wir können es dann ins Labor bringen und gezielt untersuchen."

    Und weil das vollautomatische Messsystem ihnen die Arbeit erleichtert, nannten die Wissenschaftler es auf Englisch EASE, also "Erleichtern". Die Hamburger Umweltingenieure haben es maßgeblich mit entwickelt. Stationen wie in Hamburg gibt es auch in Brandenburg und Sachsen. Seine Feuertaufe bestand EASE im Januar 2006. Damals strömte durch einen Unfall in Tschechien giftiges Zyanid in die Elbe. Die Station Schöna bei Dresden schlug sofort Alarm. Janne Klöpper, Pressesprecherin des Hamburger Umweltinstituts:

    "Diese Flutwelle kam dann später nach Hamburg. Das war ganz schön, das konnten wir genau vorausberechnen, wann die Welle kam, in welcher Konzentration das Zyanid hier ankam. Also, da hat sich bewiesen, dass dieses System auch funktioniert."

    Auch an Rhein und Donau soll EASE bald zum Einsatz kommen. Dann können auch dort die Umweltbehörden Gefahren für Fisch und Mensch rechtzeitig erkennen: Durch Computer und Wasserkrebse.