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Fördung des Gründergeistes bei Studierenden

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat das Förderprogramm EXIST - Existenzgründungen aus der Wissenschaft ins Leben gerufen. Zwölf vom BMWi ausgewählte Hochschulen bekommen bis zu 2,7 Millionen Euro, um die Gründungsbemühungen ihrer Studierenden zu fördern.

Von Philip Banse | 10.01.2013
    "Die ist wirklich aus Spaß entstanden. Wir haben uns gesagt, das wäre doch eine Idee für ein Patent. Dann haben wir uns gesagt, wir fragen mal nach, haben einen Termin bei der Patentabteilung der FU gemacht, sind dann dahin, die haben den Kontakt auch zu Profund hergestellt, auch das erste Gespräch war so, dass wir gesagt haben: Klar, das machen wir."

    Julia Rosendahl ist Tierärztin und schreibt gerade an der Freien Universität Berlin ihre Doktorarbeit. Dabei entstand die Idee für einen speziellen Futtermittelzusatzstoff für Wiederkäuer. Die Gründungsförderung der FU hat Julia Rosendahl und ihrer Kollegin geholfen ein
    Exist-Gründungsstipendium zu beantragen. Mit dem Geld wollen die Gründerinnen vor allem Tierversuche und die Zulassung ihres Stoffs bezahlen. Die Uni hilft mit Rat und Räumen:

    "Wir dürfen etwa die Laborräume weiter benutzen und bekommen auch Unterstützung durch Mentoren, die auch an der Uni sitzen."

    Für ihre Förderung gründungswilliger Akademiker sind die Freie Universität Berlin und elf weitere deutsche Hochschulen gestern von Wirtschaftsminister Philipp Rösler ausgezeichnet worden. Jede dieser zwölf Gründerhochschulen bekommt bis zu 2,7 Millionen Euro, um das Gründungsklima zu verbessern, gute Ideen zu finden, zu fördern und zu finanzieren. Geradezu vorbildlich und daher unter den besten drei Gründerhochschulen ist in den Augen der Jury die Uni Kassel. Präsident Rolf-Dieter Postlep:

    "Wir haben zentrale Fragen einfach beantwortet: Zentrale Fragen bei der Gründung ist die Akzeptanz in der gesamten Hochschule. Das ist in einer Universität nicht selbstverständlich. Und das Zweite ist das Aufspüren, Förderung und Finanzieren ganz früher Ideen."

    Neue Ideen will die Uni früh finden mit Scouts, die sie in allen Fachbereichen benannt hat. Akzeptanz in der Hochschule bedeutet: Es soll normal sein, dass akademische Erkenntnisse nicht nur in Veröffentlichungen münden können, sondern auch in Unternehmensgründungen. Das erreiche er, indem er bei allen – von Asta bis Akademischem Rat – für diese Idee werbe, sagt der Kassler Uni-Präsident. Vor allem aber müsse unternehmerisches Denken in allen Fachbereichen, auch in den Geisteswissenschaften, im Curriculum verankert werden. Dafür wolle er das Fördergeld ausgeben:

    "Wir wollen das ja letztlich in allen Lehrangeboten verankern. Wenn sie das wollen, brauchen sie entsprechende Lehrkapazitäten. Also es soll in den Sozial- und Geisteswissenschaften, in der Technik, in den Naturwissenschaften, überall sollen solche Module vorhanden sein 'Unternehmerisches Denken' und da brauchen sie Kapazitäten und die bauen wir jetzt auf."

    Das ist der richtige Weg, sagt Veterinär Christian Fidelak, der heute große Milchbauern berät und dieses Unternehmen auch aus der FU heraus gegründet hat.

    "Ich war natürlich als Veterinärmediziner überhaupt gar nicht darauf vorbereitet, ein Unternehmen zu führen. Alle buchhalterischen Dinge, Finanzplanung und diese ganzen Sachen, Marketing war für mich ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. Das bekommt man bei uns im Studium eben nicht mit."

    Um den Gründergeist in den Studierenden zu wecken, veranstaltet die Uni Kassel Ideen-Workshops, wo Studierende lernen, Ideen zu entwickeln und aufzuschreiben. In einem Ideenwettbewerb werden die besten Konzepte prämiert. Alle ausgezeichneten Unis helfen ihren Studierenden zudem bei der Finanzierung. Sie geben kein eigenes Geld, coachen aber und stellen Kontakt zu Investoren her. Besonders wichtig sei auch die Beratung durch Erfolgreiche Unternehmer, sagt Thomas Landgraf, der sein Softwareunternehmen ebenfalls aus der Hochschule heraus gründete. Heute sitzt Landgraf im Unternehmerrat der Uni Kassel und sagt Studierenden in Gründung:

    "Rat gegen Bier. Wir gehen heute Abend in die Kneipe. Du zahlst, ich rede."

    Deutsche Hochschulen müssten viel mehr in ihr Alumninetzwerk investieren, um das Wissen erfolgreiche Gründer zu nutzen. Das ein Grund, weshalb Gründungen an amerikanischen Unis besser klappten, sagt Landgraf, der ein Jahr am MIT studiert hat. Der andere Grund: die Kultur des Scheiterns.

    "Wenn ich in den USA eine Company aufbaue und gehe insolvent, dann freut sich jeder und sagt, ok, machst es wieder neu, diesmal klappt´s! Wenn man in Deutschland eine Insolvenz hinlegt, sagt jeder: Juhu, ich hab's gewusst. Du warst schon immer ne Niete auch als Unternehmer. Diese Kultur des Scheiterns ist ein ganz tiefes gesellschaftliches Problem. Und das ist auch eine Frage, die sich Studenten stellen: Was passiert, wenn es nichts wird? Dann blamiere ich mich ja. Und das ist genau der falsche Gedanke. Die Wertschätzung für den Versuch, auch wenn er gescheitert ist, müssen wir bei uns in der Gesellschaft etablieren."