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Folgen der Handelsliberalisierung

Sanfte Hügel, sattgrüne Wiesen: So wie in Hagenwil im Kanton Thurgau muss das Paradies für Kühe aussehen. Am Ortsrand betreibt Tony Müller eine kleine Dorfkäserei. Es ist kurz vor Mittag, ein Käsereimeister spritzt die Käseformen mit einem Hochdruckreiniger aus. Das Tagwerk ist getan: Bis zu 14 Laibe Emmentaler können Müllers Mitarbeiter hier herstellen. Die Postkarten-Idylle trügt jedoch. Die Lage vieler Käserei-Betriebe in der Schweiz ist angespannt. Käserei-Besitzer Tony Müller:

Von Markus Wiegand |
    Die Stimmung ist sehr gedrückt im Moment. Viele haben Angst um ihre Zukunft. Meine persönliche Lage und auch die meiner Milchproduzenten ist im Moment gedrückt, etwas schwierig, weil das Preisniveau sinkt laufend. Das hat damit zu tun, dass die Schweizer Landwirtschaft sehr lange geschützt und abgeschottet gewesen ist. Jetzt müssen wir uns der Marktöffnung stellen.

    Vor allem aus der EU drängt mehr und mehr Billigkäse auf den schweizerischen Markt. Im Gegenzug können die Schweizer zwar leichter in den EU-Raum exportieren. Was Müller jedoch Sorge macht: Ab Herbst 2004 werden auch die letzten Exportbeihilfen des Schweizer Staates auf Null abgeschmolzen sein. 2007 entscheidet auch im Inland der Marktpreis dann entgültig: In der EU jedoch produzieren die Käsereibetriebe bis zu 30 mal mehr Käse und arbeiten deutlich produktiver. Damit wächst auch der Druck auf die Milchbauern. Müllers größter Zulieferer, Milchbauer Benno Schildknecht, sieht nur wenig Spielraum für weitere Senkungen beim Milchpreis:

    Was ich sagen muss: Wir leben und arbeiten in der Schweiz in einem sehr hohen Kostenumfeld. Die Dienstleistungen, die Zulieferungen. Alles ist auf Schweizer Niveau. Und trotzdem haben wir bald EU-Verhältnisse bei den Produkten und Erlösen. Und das ist es, was uns sehr zu schaffen macht.

    Dennoch: Schildknecht will nicht jammern. Seine Strategie: Er muss wachsen und will die Milchproduktion ausdehnen. Nicht alle in der Schweiz jedoch klagen über die Importe. Der größte schweizerische Käse-Vermarkter Emmi ersteigert jedes Jahr Kontingente, um den billigen EU-Käse einzuführen. Und auch im Hause Emmi argumentiert man mit dem Druck aus dem Ausland. Pressesprecher Klaus Wehrle:

    Wir erklären unseren Rohstofflieferanten, also den Bauern, dass wir, um international konkurrenzfähig zu bleiben - also auch vor dem Hintergrund WTO Marktöffnung und Marktliberalisierung generell - dass wir ein starkes Unternehmen sein müssen, das auch im Interesse unserer Lieferanten, also der Landwirtschaft ist.

    Trotz der ernsten Lage wollen Käser Müller und Bauer Schildknecht nicht resignieren. Denn von ihrem Produkt, Schweizer Käse aus Rohmilch ohne chemische Zusätze, sind beide überzeugt. Tony Müller hat sogar eigens eine neue Sorte kreiert, den Müller Thurgau. Die Idee kam ihm während der Grünen Woche in Berlin:

    Als ich in das Taxi eingestiegen bin, fragte ich den Taxichauffeur aus Jux. "Kennen Sie Müller Thurgau." "Ja, der ist bekannt bei uns." Darauf habe ich ihm gesagt: "Ja, das bin ich. Ich bin der Müller und komme aus dem Thurgau. Und ich habe, als ich Zuhause angekommen war, den Namensschutz mit einem Juristen abgeklärt.

    Tony Müller und sein Milchbauer Benno Schildknecht hoffen auf weitere gute Marketingideen. Denn beide haben jeweils einen Sohn, der später einmal den Betrieb übernehmen soll.