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Folgen des Volksentscheids
Schweizer Unis fürchten Aus von "Erasmus"-Programm

Bei Studierenden, Dozenten und Rektoren der Schweizer Hochschulen geht nach dem Volksentscheid die Angst um vor einem Ausschluss vom europäischen Wissenschaftsbetrieb. Jüngst hat die EU Gespräche über eine weitere Teilnahme der Schweiz am studentischen Austauschprogramm “Erasmus plus” auf Eis gelegt.

Von Thomas Wagner | 20.02.2014
    Mittagszeit vor der Mensa der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich. Dass die Schweiz zukünftig beim studentischen Austauschprogramm "Erasmus plus" außen vor sein soll, ist wichtiger Gesprächsstoff vor der Essensausgabe.
    "Ich finde es einfach schade, dass wir hier eine Möglichkeit verpassen, um internationale Kontakte zu knüpfen."
    "Erasmus - das ist natürlich auch ein bisschen Muskelspiel der EU jetzt."
    Nur ein Muskelspiel der EU? Die Mitglieder der Schweizerischen Rektorenkonferenz jedenfalls nehmen die jüngsten Äußerungen aus Brüssel sehr ernst. Nicht auszudenken, wenn es tatsächlich zu einer Abkopplung vom Austauschprogramm "Erasmus plus" käme.
    "Das wäre natürlich sehr schlimm für eine Hochschule wie der ETH, die auf internationalem Austausch und internationalem Wettbewerb ausgerichtet ist",
    betont Professor Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich. Auch die Konsequenzen einer Abkopplung von der europäischen Forschungsförderung mag er sich gar nicht so recht vorstellen. 400 Millionen Schweizer Franken, da sind über 330 Millionen Euro, bekam die ETH Zürich in den vergangenen sieben Jahren an EU-Forschungsmitteln. Der Wegfall dieser Gelder an sich wäre nicht einmal das Schlimmste, so ETH-Vizepräsident Roland Siegwart.
    "Die Finanzierung könnte man vielleicht schon in der Schweiz substituieren. Aber man könnte zum Beispiel nicht selbst Projekte koordinieren, was sehr wichtig ist. Und wir sind da nicht mehr in diesem internationalen Forschungswettbewerb, der für Forschende sehr wichtig ist, ähnlich wie für Sportler, die an internationalen Wettbewerben teilnehmen möchten."
    Dass die Schweiz in Zukunft tatsächlich beim "Erasmus plus"-Programm und bei der Forschungsförderung "Horizon" außen vor bleiben könnte, hält Roland Siegwart trotz aller Drohgebärden aus Brüssel für eher unwahrscheinlich.
    "Wir interpretieren aber nicht, dass wir ausgeschlossen sind, sondern dass sich die Verhandlungen verzögern. Und das es mehr Aufwand braucht, damit wir das wieder in die richtigen Bahnen bringen."
    Und hier habe die Schweiz trotz des umstrittenen Volksentscheides ganz gute Karten. Immerhin bereicherten nicht nur die die ETH Zürich, sondern alle Schweizer Hochschulen den europäischen Wissenschaftsbetrieb mit Spitzenforschungsergebnissen. Da werde es sich die EU zwei Mal überlegen, zukünftig darauf zu verzichten.
    "Das Forschungsprogramm und der Austausch sind ja eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Ich glaube, es ist ein Gewinn für Europa, dass Schweizer Hochschulen da mitmachen. Und es ist auch ein Gewinn für unsere Hochschulen."
    Hoffen auf die Verlängerung des Erasmus-Programms
    Ähnliche argumentieren auch die Studierendenvertreter der ETH und der benachbarten Universität Zürich. Sie wollen ihre internationalen Kontakte spielen lassen, um auch in Zukunft beim europäischen Austauschprogramm "Erasmus plus" mit im Boot zu sein. Carl Thomas Bormann vom Verband der Studierenden an der ETH:
    "Es gibt den europäischen Verband, die European Students Union. Das ist eben auch ein Thema, wo man sich austauscht, wo Gespräche geführt werden, wo geschaut wird, dass man die Interesse der Studierenden nach mehr Mobilität vorbringen kann."
    Michelle Jatuffe Mathis sitzt daneben, nickt zustimmen. Mögen die Schweizer Hochschulen auch noch so exzellent sein: Auch den Studierenden dort tun ein paar Auslandsemester im Rahmen des "Erasmus"-Programms ganz gut, findet die Vertreterin des "Verbandes der Studierenden der Universität Zürich":
    "Zusätzlich ist nicht zu vernachlässigen, welcher Einfluss dieser Austausch, der international ist, für die Bildung von neuen Ideen in der Wissenschaft beiträgt. So entstehen wissenschaftliche Diskurse, die innerhalb des Landes so nicht möglich wären. Weil die Leute anders ticken oder das Wissen so im Land einfach nicht vorhanden ist."
    Nicht zuletzt deshalb ist die Hoffnung der Schweizer Studierenden auf europäische Solidarität berechtigt. Denn Jahr für Jahr kämen viele Erasmus-Stipendiaten aus der EU gerne auch an Schweizer Hochschulen, so Studierendenvertreter Carl Thomas Bormann:
    "Es profitieren beide Seiten von Mobilität. In diesem Sinne denke ich, dass es nicht nur im Interesse der Schweiz ist, teilnehmen zu dürfen. Sondern dass es auch ein Interesse der EU ist, die Schweiz hier als Partner zu haben."
    Deshalb hofft Luana Gregual mit einiger Berechtigung, dass es auch in der Schweiz irgendwie weitergehen wird mit Erasmus. Die Vertreterin des "Erasmus Student Network Switzerland" kann sich eine sogenannte stille Mitgliedschaft der Schweiz vorstellen, ohne die Mitwirkungsrechte der übrigen Länder.
    "Vor 2011 war die Schweiz ein stilles Mitglied im Erasmus-Programm. Und das wäre eventuell eine Möglichkeit, die wieder eingeführt werden könnte. Für die Studierenden würde sich eigentlich nichts ändern."