"Ein autobiographisches Album aufzunehmen, war nichts, was ich von Beginn an im Kopf gehabt hatte. Aber als die ersten vier neuen Songs fertig waren, bemerkte ich plötzlich: Das sind alles ganz ehrliche Momentaufnahmen aus meinem Leben. Und da dachte ich, vielleicht bin ich einfach an einem Punkt angekommen, an dem ich mich wohl genug damit fühlen sollte, meine eigenen Geschichten zu erzählen, ohne sie großartig auszuschmücken. Selbst wenn sie mir mitunter nicht sehr aufregend vorkamen – es war eine gute Herausforderung, sie dennoch so poetisch wie möglich umzusetzen."
Ihr eigenes Leben, und ihre eigenen Geschichten für erzählenswert zu betrachten: eine neue und wichtige Erfahrung für Samantha Crain, handelten ihre Songs doch bisher vor allem von fiktiven Personen und Begebenheiten. Kurzgeschichten und Gedichte hat Samantha Crain schon als Kind geschrieben – Geschichten, die schließlich zum Ausgangspunkt für ihre ersten Songs wurden.
"Ich habe schon immer geschrieben, vor allem Kurzgeschichten, intensive Charakterstudien könnte man sagen. Fünf dieser Kurzgeschichten habe ich dann irgendwann in Songs umgeschrieben, und so ist dann meine erste EP entstanden."
Der Titel des neuen Albums von Samantha Crain hat ebenfalls einen persönlichen Hintergrund: "Kid Face". Aufgrund ihrer zierlichen, fast mädchenhaften Erscheinung wird sie auch mit 27 noch oft für jünger gehalten, als sie eigentlich ist. Geboren und aufgewachsen ist Samantha Crain in Oklahoma. Sie gehört zum Volk der Choctaw-Indianer - ein sozialer und kultureller Hintergrund, der sich indirekt auch in ihrer Musik wiederfindet.
"Ein wichtiges Element traditioneller indianischer Musik ist das Singen von Lauten die keine direkte Bedeutung, sondern eine emotionale Funktion haben. Gutturale Klänge, das ungebremste Ausdrücken von Gefühlen. Diese Dinge ab einem frühen Alter mitbekommen zu haben hat meine Art des Singens sicherlich geprägt. In meinen Songs finden sich immer wieder solche 'Uuuuhs' und 'Aaaahs'. Es geht, darum loszulassen, Gefühle herauszulassen und zu verarbeiten – ein fast reinigender Prozess.
Außerdem ist indianische Musik sehr perkussiv und repetitiv. Gesänge, die wie Mantras ständig wiederholt werden. So etwas hatte ich auch schon immer in meinem Leben: Dinge, die ich mir selbst immer wieder aufsage, um mich zu entspannen oder um mich zu motivieren, ein besserer Mensch zu sein. Oft werden diese Mantras dann zu den Refrains meiner Songs."
Es scheint alles an seinem Platz zu sein bei Samantha Crain: die Geschichten, die Stimme, die Instrumente, die sie begleiten und dabei nie zuviel spielen und die bei der Produktion gewählten Klangfarben und Sounds. Die Atmosphäre des Albums ist nicht nur homogen, mit ihrer Sparsamkeit bietet sie außerdem Raum für Bilder die im eigenen Kopf entstehen. Kein Zufall, wie Samantha Crain erzählt.
"Das Album verdankt seine Atmosphäre einer Sache, mit der ich mich schon lange nicht mehr auseinandergesetzt hatte: der Einsamkeit Oklahomas, dem unendlich weiten Land westlich des Mississippi. Das wollten wir auf dieser Platte einfangen - was den Raum und den Platz in der Produktion erklärt, und die vielen versteckten Details. Die Idee war ein Album zu machen, das wie Oklahoma klingt."
Bei der Umsetzung dieser Idee haben Samantha Crain vor allem zwei Menschen geholfen: Daniel Foulks, ihr Fiddle-Spieler, und: John Vanderslice der das Album aufgenommen und produziert hat.
"Mit John Vanderslice zu arbeiten war wirklich großartig. Es fühlte sich an als wären wir seelenverwandt: Wir hatten dieselben Vorstellungen davon wie man die Songs am besten aufnimmt und wie sie klingen sollen. Dazu kommt, dass er sich unglaublich gut mit seinem Studio und den ganzen analogen Geräten dort auskennt. John Vanderslice bei der Arbeit zu beobachten, war wie einem Tänzer zuzuschauen. Das war wirklich sehr schön anzusehen – mal ganz abgesehen davon dass er ein toller Mensch und Produzent ist."
Inspiration bekommt Samantha Crain, wie sie sagt, vor allem über Begegnungen mit anderen Menschen. Gelegenheiten dafür dürfte es in den vergangenen Jahren reichlich gegeben haben: Mit im Schnitt 150 bis 250 Konzerten pro Jahr war Samantha Crain mehr auf Reisen als zu Hause. Unterwegs zu sein ist für sie aber auch eine Reise im übertragenen Sinn: die Suche nach einem Platz im Leben, nach einer eigenen Identität.
"Manchmal fühlt man sich klein und unbedeutend, auf dieser Welt. Und da kommt für mich die Musik ins Spiel. Durch sie nehme ich Kontakt mit meiner Umwelt und den Menschen um mich herum auf. Sie hilft mir sehr oft dabei, Dinge in meinem Leben zu erklären, ihnen Sinn zu geben – dem was ich tue einen Sinn zu geben. Ich merke gerade - das klingt fast so als würde ich über etwas Religiöses sprechen, eigentlich bin ich gar kein gläubiger Mensch -, aber ein Leben ohne Musik könnte ich mir einfach nicht vorstellen. Wahrscheinlich gehöre ich der 'Religion of Music' an."
Samantha Crain live
als Support von Deer Tick
04.02.2014 Köln - Underground
05.02.2014 München - Ampere
07.02.2014 Stuttgart - 1210
08.02.2014 Frankfurt - Nachtleben
09.02.2014 Hamburg – Molotow
Solo
10.02.2014 Berlin - Monarch