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Folter im Handball
Schmerzhafte Aufnahmerituale in Flensburg

Als Teenager träumt Ole B. von einer großen Handball-Karriere. Doch der Traum wird zum Albtraum. In der Nachwuchsakademie des SG Flensburg-Handewitt muss er sich einem schmerzhaften Aufnahme-Ritual unterziehen: Mit einer Rohrzange wurden ihm die Brustwarzen umgedreht.

Von Erik Eggers | 10.05.2019
Der Spielball wird geworfen.
Schmerzhafter Sport: Die Leitung der Nachwuchsakademie in Flensburg will nichts von den Aufnahmeritualen der jungen Handballer gewusst haben. (dpa / Jens Wolf)
Ole B. träumte davon, Handballprofi zu werden. Nachdem er es in die Landesauswahl Schleswig-Holsteins geschafft hatte, verließ er 2015 sein Elternhaus und zog in die Nachwuchsakademie Flensburg. In der neu gebauten Talenteschmiede des deutschen Meisters SG Flensburg-Handewitt wollte der 15-Jährige sich ausbilden lassen. Wollte SG-Ikonen wie Lars Christiansen nacheifern, dessen Foto im Foyer der Akademie hängt.
Doch die Geschichte des ehrgeizigen Teenagers, die im Magazin "Der Spiegel" nachzulesen ist, entpuppte sich bald als Albtraum. Sie endete damit, dass der Junge nach nur 16 Monaten die Akademie verließ, um sich in die Hände einer Trauma-Therapeutin zu begeben. Der Befund: Posttraumatische Belastungsstörung.
Brustwarzen wurden mit Rohrzange umgedreht
Verursacht worden war das Trauma durch ein schmerzhaftes Aufnahme-Ritual. Das Ritual bestand darin, den Neuen mit mehreren Leuten festzuhalten und sein T-Shirt hochzuziehen, um dann mit einer Rohrzange die Brustwarzen umzudrehen. Die meisten Täter, die im März 2016 beim Zangenritual an Ole B. beteiligt waren, waren selbst einst Opfer gewesen. Das Aufnahmeritual gab es seit Jahren.
Keiner der Spieler wurde suspendiert
Ole B. fühlte sich tief gedemütigt und erzählte seinen Eltern davon. Die wandten sich sofort die Akademieleitung und forderten sie zum Handeln auf. Die Verantwortlichen wiesen die Jugendlichen an, das Ritual einzustellen, und sie machten ihnen klar, dass damit eine Grenze deutlich überschritten sei.
Suspendiert wurde niemand, was womöglich auch damit zu erklären ist, dass die B-Jugend der SG Flensburg-Handewitt seinerzeit um die Deutsche Meisterschaft spielte. Heute beteuert die Akademieleitung, von den Ritualen vorher nie etwas mitbekommen zu haben und diese zu verurteilen.
Ende eines Handball-Traums
Trotz des Rituals hielt Ole B. noch weiter an seinen Traum fest und trainierte weiter im Nachwuchsleistungszentrum. Kurz vor Weihnachten 2016 aber ging es für ihn nicht mehr. Seine Karrierepläne hat er längst aufgegeben. Ole B. spielt kein Handball mehr.