Das ist eine kurdische Patientin aus der Türkei, die in der Türkei 15 Tage im Gefängnis gewesen ist, dort schwerster Folter ausgesetzt gewesen ist, die mehrfach verprügelt worden ist, die Elektroschocks erlebt hat, und die als schwerstes Erlebnis, was sie dort erlebt hat, eine schwere Vergewaltigung mitgemacht hat, und die heute, es ist inzwischen vier Jahre her, noch sehr, sehr stark unter den Folgen dieser Erlebnisse leidet.
Die Kurdin ist eine von 45 Testpersonen, die die Psychologen der Uni Konstanz untersucht haben. Ihnen ist eines gemeinsam : Sie waren schwerster Folter ausgesetzt und können ihre Erlebnisse bis heute nicht psychisch verarbeiten. Tschetschenen, Afrikaner, Koreaner – alle Mitglieder der Testgruppe flüchteten aus ihren Heimatländern nach Deutschland. Von dem Konstanzer Forscherteam wurden sie nicht nur intensiv über ihre traumatischen Erlebnisse befragt; vielmehr zogen sie alle im Rahmen der Untersuchung eine große, verkabelte Haube über den Kopf – das Kernstück einer Untersuchungsmethode, die den Wissenschaftlern Einblicke in das Gehirn ihrer Testpersonen erlaubt. Die nüchterne Bezeichnung: MEG
Also MEG bedeutet ‚Magnet-Enzefallogramm. Das bedeutet: Wir messen die Magnetwellen des Gehirns mit einem Gerät, was etwa aussieht wie ein Kernspin-Tomograph oder ein großes Röntgengerät, wo bei Personen die Magnetwellen, die ohnehin im Gehirn entstehen, gemessen werden und wir über die Magnetwellen, die aus der elektrischen Aktivität des Gehirns entstehen, auch Rückschlüsse ziehen können auf die Vorgänge im Gehirn, auf die Verarbeitungsmechanismen, die es im Gehirn gibt.
Bei diesen MEG-Untersuchungen machten die Konstanzer Forscher eine spannende Beobachtung: Im Vergleich zu weiteren Testpersonen, die keine traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten haben, treten bei Folteropfern in bestimmten Gehirnpartien erkennbare Abweichungen auf, so der Psychologe Frank Neun:
Das ist die Gehirnregion...im wesentlichen medialer Temporallappen, und in dem Zusammenhang auch andere Gehirnstrukturen, wie auch der dort ansässige Hypo-Campus, der verantwortlich ist für die Codierung von Lebensereignissen ,, von persönlichen Erlebnissen in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang.
Vor allem die deutliche Verkleinerung des Hypo-Campus ließ die Konstanzer Wissenschaftler aufmerken: Die erscheint ihnen in erster Linie dafür verantwortlich, dass Folteropfer immer dann, wenn sie sich an ihre schrecklichen Erlebnisse erinnern, den zeitlichen und räumlichen Kontext nicht mit einbeziehen. Das heißt: In dem Moment, wo diese schlimmen Erinnerungen zu Tage treten, empfinden die Betroffenen diese Erlebnisse aufs Neue als Wirklichkeit , selbst wenn die Folter Jahrzehnte zurückliegt. Ursache ist die Rückbildung des Hypo-Campus, der eine zeitliche Zuordnung des Folter-Erlebnisses verhindert. Daneben stellten die Konstanzer Psychologen über das MEG-Verfahren Veränderungen der Schaltvorgänge im Gehirn fest. Aus den Beobachtungen dieser gehirnorganischen Veränderungen entwickelten die Experten schließlich eine Behandlungsmethode: Die so genannte "narrative Expositions-Therapie." Dabei lernen die Folteropfer in langen Gesprächen mit den Experten, die Erzählung ihrer Foltererlebnisse in den dafür vorhandenen zeitlichen und räumlichen Kontext zu stellen. Das heißt: Die Folteropfer müssen mühsam lernen, dass sich die schrecklichen Erlebnisse, über die sie berichten, in der Vergangenheit an einem völlig anderen Ort abspielten. Projektleiter Professor Thomas Elbert geht davon aus, dass auch solche Therapieeinheiten gehirnorganische Veränderungen zur Folge haben – allerdings in einer positiven Art und Weise:
Man weiß, dass diese Gedächtnisstrukturen sich ständig plastisch neu verändern, das Substrat, das neuronale Substrat. Es bilden sich Zellen, es gestalten sich Verschaltungen dieser Zellen neu, ein Gutteil übrigens auch im Schlaf. Und über mehrere Therapiesitzungen, im Verlauf einer kurzen Zeit, einige weniger Wochen, ist man in der Lage, doch wesentliche Veränderungen in der Netzwerkarchitektur zu schaffen.
Veränderungen, die, so das Ziel der Konstanzer Forscher, Folteropfer in die Lage versetzen, nicht mehr ständig unter ihren schrecklichen Erfahrungen leiden zu müssen, so als ob sie sie gerade eben erst gemacht hätten.
von Thomas Wagner
Die Kurdin ist eine von 45 Testpersonen, die die Psychologen der Uni Konstanz untersucht haben. Ihnen ist eines gemeinsam : Sie waren schwerster Folter ausgesetzt und können ihre Erlebnisse bis heute nicht psychisch verarbeiten. Tschetschenen, Afrikaner, Koreaner – alle Mitglieder der Testgruppe flüchteten aus ihren Heimatländern nach Deutschland. Von dem Konstanzer Forscherteam wurden sie nicht nur intensiv über ihre traumatischen Erlebnisse befragt; vielmehr zogen sie alle im Rahmen der Untersuchung eine große, verkabelte Haube über den Kopf – das Kernstück einer Untersuchungsmethode, die den Wissenschaftlern Einblicke in das Gehirn ihrer Testpersonen erlaubt. Die nüchterne Bezeichnung: MEG
Also MEG bedeutet ‚Magnet-Enzefallogramm. Das bedeutet: Wir messen die Magnetwellen des Gehirns mit einem Gerät, was etwa aussieht wie ein Kernspin-Tomograph oder ein großes Röntgengerät, wo bei Personen die Magnetwellen, die ohnehin im Gehirn entstehen, gemessen werden und wir über die Magnetwellen, die aus der elektrischen Aktivität des Gehirns entstehen, auch Rückschlüsse ziehen können auf die Vorgänge im Gehirn, auf die Verarbeitungsmechanismen, die es im Gehirn gibt.
Bei diesen MEG-Untersuchungen machten die Konstanzer Forscher eine spannende Beobachtung: Im Vergleich zu weiteren Testpersonen, die keine traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten haben, treten bei Folteropfern in bestimmten Gehirnpartien erkennbare Abweichungen auf, so der Psychologe Frank Neun:
Das ist die Gehirnregion...im wesentlichen medialer Temporallappen, und in dem Zusammenhang auch andere Gehirnstrukturen, wie auch der dort ansässige Hypo-Campus, der verantwortlich ist für die Codierung von Lebensereignissen ,, von persönlichen Erlebnissen in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang.
Vor allem die deutliche Verkleinerung des Hypo-Campus ließ die Konstanzer Wissenschaftler aufmerken: Die erscheint ihnen in erster Linie dafür verantwortlich, dass Folteropfer immer dann, wenn sie sich an ihre schrecklichen Erlebnisse erinnern, den zeitlichen und räumlichen Kontext nicht mit einbeziehen. Das heißt: In dem Moment, wo diese schlimmen Erinnerungen zu Tage treten, empfinden die Betroffenen diese Erlebnisse aufs Neue als Wirklichkeit , selbst wenn die Folter Jahrzehnte zurückliegt. Ursache ist die Rückbildung des Hypo-Campus, der eine zeitliche Zuordnung des Folter-Erlebnisses verhindert. Daneben stellten die Konstanzer Psychologen über das MEG-Verfahren Veränderungen der Schaltvorgänge im Gehirn fest. Aus den Beobachtungen dieser gehirnorganischen Veränderungen entwickelten die Experten schließlich eine Behandlungsmethode: Die so genannte "narrative Expositions-Therapie." Dabei lernen die Folteropfer in langen Gesprächen mit den Experten, die Erzählung ihrer Foltererlebnisse in den dafür vorhandenen zeitlichen und räumlichen Kontext zu stellen. Das heißt: Die Folteropfer müssen mühsam lernen, dass sich die schrecklichen Erlebnisse, über die sie berichten, in der Vergangenheit an einem völlig anderen Ort abspielten. Projektleiter Professor Thomas Elbert geht davon aus, dass auch solche Therapieeinheiten gehirnorganische Veränderungen zur Folge haben – allerdings in einer positiven Art und Weise:
Man weiß, dass diese Gedächtnisstrukturen sich ständig plastisch neu verändern, das Substrat, das neuronale Substrat. Es bilden sich Zellen, es gestalten sich Verschaltungen dieser Zellen neu, ein Gutteil übrigens auch im Schlaf. Und über mehrere Therapiesitzungen, im Verlauf einer kurzen Zeit, einige weniger Wochen, ist man in der Lage, doch wesentliche Veränderungen in der Netzwerkarchitektur zu schaffen.
Veränderungen, die, so das Ziel der Konstanzer Forscher, Folteropfer in die Lage versetzen, nicht mehr ständig unter ihren schrecklichen Erfahrungen leiden zu müssen, so als ob sie sie gerade eben erst gemacht hätten.
von Thomas Wagner